Rede von
Kurt
Pohle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe sehr aufmerksam der Begründung der Interpellation durch Herrn Abgeordneten von Merkatz zugehört. Ich habe dabei so das Empfinden gehabt, als habe er nur die ersten Takte einer Gespenstersonate auf dem Klavier angeschlagen; es waren nur einige Takte. Herr von Merkatz liebt die Reisen in die Vergangenheit, und er reist gleich immer bis zu Friedrich dem Großen zurück. Soweit möchte ich ihm nicht folgen; ich möchte mich hier etwas mit der jüngsten Vergangenheit beschäftigen.
Die Interpellation spricht davon, daß der Vorstand seit Jahren ergebnislos um die Rückgabe dieses Vermögens mit den Länderregierungen verhandele. Herr von Merkatz, wer ist dieser „Vorstand"? Wer ist hier legitimiert, dieses Vermögen zurückzufordern? Ich sehe auf der einen Seite aus den Veröffentlichungen des Wohlfahrtsbundes des Kyffhäuser-Bundes in Berlin, daß dieser erst am 26. Juli 1951 in Berlin gegründet worden ist. Er kann sich also nicht schon mehrere Jahre hindurch um die Rückgabe des Vermögens bemüht haben. Auf der anderen Seite tritt als angeblich — nämlich seiner Auffassung nach — legitimierter Vertreter des alten Reichskriegerbundes und Kyffhäuserbundes der General außer Dienst Reinhard auf. Dieser Herr Reinhard hat schon in mehreren Presseveröffentlichungen bekanntgegeben, daß er die Absicht habe, dieses Vermögen der Wohlfahrtsorganisationen in die Soldatenbünde einzubringen. Später hat er das widerrufen und hat erklärt: „Ich will nur, daß diesen Soldatenbünden Plätze in den Wohlfahrtsheimen zur Verfügung gestellt werden."
Jedenfalls scheint uns im Augenblick niemand rechtlich legitimiert zu sein — auch nicht von einer demokratischen Grundlage aus gesehen —, die Rückgabe dieses Vermögens zu fordern. Ich hoffe nicht, Herr von Merkatz, daß Sie sich bei der Beratung dieser Interpellation in die nächste Nachbarschaft des früheren Generals Reinhardt begeben haben; denn das erscheint uns politisch sehr bedenklich zu sein. Ich habe Herrn Oberst Reinhardt zum erstenmal kennengelernt, als ich als Soldat aus dem ersten Weltkrieg heimkehrte. Da stand er eines Tages um die Jahreswende 1918/19 auf dem Kasernenhof des 2. Garderegiments. Die Achselstücke hatte er abgetan, um seine Ärmel waren einige blaue Streifen genäht, und er forderte uns junge Soldaten auf, in sein Freikorps einzutreten. Er sprach damals viel von Demokratie, von Republik und von Vaterlandsliebe. Einige Monate später war dieser Oberst in der Reichswehr — und was tat er? Er beschimpfte die Republik, er beschimpfte die Regierung als Lumpengesindel, und er beschimpfte die Fahne der Republik als 'Judenfahne!
Das ist Herr Oberst Reinhard gewesen, der dann später durch Hitlers Gnaden Reichskriegerführer des NS-Reichskriegerbundes geworden ist.
Meine Damen und Herren, Sie können verstehen, daß wir, wenn sich solche Leute um die Rückgabe dieses Vermögens bemühen, große Bedenken anzumelden und nach dieser Richtung hin etwas zu sagen haben. Wie hier bereits richtig erwähnt wurde, ist der Oberst Reinhard 1934 nicht als Vorsitzender oder als Präsident des Reichskriegerbundes gewählt worden, sondern er ist als Oberster Landesführer der SA-Reserve II als Bundesführer von Hitlers Gnaden eingesetzt worden.
Er ist zum Reichskriegerführer bestellt worden, und er muß in großer Gnade gestanden haben, wenn ihm diese Ehrung zuteil geworden ist.
Haben wir es denn nun wirklich nur mit einer Wohlfahrtsaufgabe auf diesem Gebiet zu tun gehabt? Es ist Ihnen erinnerlich, daß der Kyffhäuserbund einmal politisch in die Entscheidung eingegriffen hat, und zwar in einem Wahlaufruf vor 1933. Es ist Ihnen bekannt, daß in der Hitlerzeit große Sammlungen durchgeführt worden sind, damit man dem „Führer" ein Flugzeuggeschwader schenken konnte. Man hat sich also nicht auf reine Wohlfahrtsaufgaben beschränkt. Ich möchte, nachdem hier gestern offiziell von mehreren Seiten festgestellt worden ist, daß das Hakenkreuz kein Staatssymbol, sondern ein Parteisymbol gewesen sei, hinzufügen, daß auch die Mitglieder des Reichskriegerbundes dieses Parteisymbol um ihren Arm tragen mußten, wenn sie weiterhin im Reichskriegerbund in der Öffentlichkeit tätig sein wollten.
Für die Sozialdemokratie kann ich sagen, daß die Sorge für die Veteranen aller Kriege für uns nicht nur eine formale Pflicht bedeutet, sondern uns ein Herzensbedürfnis ist.
Es ist für uns in dieser Stunde durchaus einmal angebracht, einen Dank an alle Wohlfahrtsorganisationen zu sagen, die sich in der Zeit der Besatzungsunordnung und der ersten staatlichen Neugestaltung in Deutschland um diese Veteranen bemüht haben. Später kamen die großen Kriegsopferverbände hinzu, es kam weiter der sich tätig rührende Heimkehrerverband hinzu. — Entschuldigen Sie, wenn ich etwas aus meinem eigenen Leben sage. Ich glaube, wenn jemand wie ich mit sehr vielen Schlechtigkeiten im Leben gesegnet worden ist — es kann sich ja bestimmt kein Mensch davon frei halten —, doch sagen zu können, daß ich es in meinem Leben peinlichst vermieden habe, je ein Denunziant zu sein. Ich habe auch immer versucht, Haßgefühle, die hier und dort aufkamen, zu unterdrücken. Ich habe manches, was uns im „Dritten Reich" an Unbill geschehen ist, vergessen können. Aber ich kann eines nicht vergessen, was am tiefsten in mir festgewurzelt ist, das sind die Stunden, in denen ich mit meinen Kameraden aus dem Weltkrieg, den Kameraden von Verdun, von der Somme, von Amiens, von Saint Quentin eingesperrt war und in denen diese Kameraden, auch die Kriegsbeschädigten, unter dem Symbol des Hakenkreuzes geschunden und gepeinigt worden sind.
Wir sind also empfindlich dafür, wenn sich Verneiger vor diesem Parteisymbol heute wieder um Veteranenhilfe bemühen wollen.
Wir haben das Gefühl, wir sollten diese Tätigkeit durchaus den freien Wohlfahrtsverbänden überlassen, den Kriegsopferverbänden und dem Heimkehrerverband. Wenn etwas Gutes geschehen könnte und geschehen sollte, dann wäre es dies, daß auch diejenigen, die noch glauben, legitimiert zu sein, hier irgendwelche Rückerstattungsansprüche zu haben, freiwillig auf diese Dinge verzichten und daß diese Beträge in einer großen Stiftung des Volkes als Vermögen mit eingebracht werden, damit sie weiterhin der Wohlfahrt an den Veteranen, unbelastet durch die Bleigewichte der Vergangenheit, dienen können.