Meine Damen und Herren! Ich habe mich, nachdem die Meinung der großen - Fraktionen an mich herangetragen wurde, veranlaßt gesehen, diesen Punkt der Tagesordnung von der heutigen Tagesordnung abzusetzen, und zwar nicht, weil ich der Auffassung war, daß das Haus beabsichtige, hier nichts zu tun,
sondern weil ich der Auffassung war, daß das Haus beabsichtige, für die Gefangenen und für alle anderen etwas Wirksames zu tun.
Ich habe darum diese Absetzung vorgenommen.
Es ist der Antrag gestellt worden, einen Gegenstand, der nicht auf der Tagesordnung steht, heute auf die Tagesordnung zu setzen. Gemäß Abs. 3 des § 26 der Geschäftsordnung ist das nur möglich, wenn nicht fünf Mitglieder widersprechen. Ich frage, ob- widersprochen wird.
— Es wird widersprochen. Dieser Punkt kann nicht
auf die Tagesordnung gebracht werden.
Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, — —
— Meine Damen und Herren! Die Vorstellungen über Humanität gehen in diesem Hause auseinander. Ich glaube, wir sollten darüber keine Debatte führen.
Ich habe weiter auf folgendes hinzuweisen. Die in § 111 der Geschäftsordnung vorgesehene Fragestunde von höchstens genau einer Stunde Dauer wird erstmals zu Beginn der 187. Sitzung am Mittwoch, dem 23. Januar 1952, stattfinden. Nach der Geschäftsordnung müssen die Fragen den zuständigen Ministern drei Tage vorher zugeleitet werden. Ich darf also bitten, Fragen, die für diese Fragestunde vorgesehen sind, bis Freitag abend bei der Eingangsstelle abzugeben, da ich diese Fragen rechtzeitig an die Regierung weiterreichen muß. Ich weise darauf hin, daß nach den Vereinbarungen im Ältestenrat die eingehenden Fragen ent-
sprechend dem Zeitpunkt des Eingangs zusammengestellt und in einer Drucksache zusammengefaßt werden, so daß jedes Mitglied des Hauses über die vorliegenden Fragen im Bilde ist. Ich darf mir gestatten, darauf hinzuweisen, daß zwischen den Fragen, die in einer Fragestunde behandelt werden — Kleinen Anfragen —, und den Großen Anfragen ein sachlicher Unterschied besteht und es im Interesse der Fragestunde liegt, wenn diese Unterschiede nicht verwischt werden.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung in das Stenographische Protokoll aufgenommen.
Der Herr Bundeskanzler hat gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 121. Sitzung mit Schreiben vom 15. Januar 1952 über die Maßnahmen zur Betreuung von im Ausland lebenden Deutschen berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3001 vervielfältigt.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der DP, CDU/CSU, FDP betreffend Rückgabe des Vermögens des Reichskriegerbundes Kyffhäuser .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 20 Minuten und — falls eine Aussprache stattfindet — eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz.
Dr. von Merkatz , Anfragender: Herr Präsident!. Meine Damen und Herren! Bei dem Gegenstand unserer Interpellation handelt es sich um eine juristisch sehr verwickelte Materie, auf die wir aber die Aufmerksamkeit der Regierung und der Öffentlichkeit lenken wollen.
Nach dem Militärregierungsgesetz Nr. 52 und den entsprechenden Bestimmungen der Kontrollratsgesetzgebung sind alle Vermögensgegenstände der NS-Organisationen beschlagnahmt worden und auf Grund einer Liste auch das Vermögen des NS-
Reichskriegerbundes Kyffhäuser e. V. in Berlin. Zu diesem Reichskriegerbundvermögen gehörte eine angebliche NS-Kyffhäuser-Stiftung, die auf Grund einer Verfügung Hitlers im Jahre 1943 errichtet worden war. Diese Kyffhäuser-Stiftung sollte das Vermögen des Reichskriegerbundes, und zwar des alten Kyffhäuser-Bundes übernehmen.
Dieser alte Kyffhäuser-Bund war ein karitativer Verband, der auf eine Geschichte etwa bis zum Jahre 1786 zurückzublicken vermag. Ich möchte betonen, daß diese Wohlfahrtsorganisation ehemaliger Soldaten eine rein karitative Angelegenheit war, deren Politisierung erst durch Zwangsverfügung des nationalsozialistischen Regimes vorgenommen worden ist. Auf Grund dieser Verfügung ist dann am 3. 3. 1943 die Auflösung des Vermögens und die Übertragung an die Stiftung verfügt worden.
Auch nach den damals, zur Zeit der Auflösungsverfügung, geltenden Rechtsgrundsätzen kann kein Zweifel daran bestehen, daß diese Verfügung rechtsunwirksam und damit nichtig war. Verschiedene Gerichte haben die Rechtsunwirksamkeit solcher Zwangsakte festgestellt; die Rechtsprechung ist hierin nicht einheitlich. Immerhin ist bemerkenswert, daß ein großer Teil der Grundstücke und der Vermögensgegenstände, die zu dieser Stiftung gehören sollen, bis zum heutigen Tage noch auf ihren alten Titeln eingetragen sind.
Das Vermögen des Reichskriegerbundes gehörte zur Zeit seiner Auflösung und Übertragung an diese Zwangsstiftung folgenden Rechtspersönlichkeiten: der deutschen Kriegerwohlfahrtsgemeinschaft, einer juristischen Person kraft staatlicher Verleihung vom Jahre 1922; ferner der Kronprinz- und Kronprinzessin-Stiftung zu Berlin, die durch eine Allerhöchste Kabinettsorder im Jahre 1888 und im Jahre 1902 gebildet worden war; der Offizierswohlfahrtsgemeinschaft zu Berlin, einem eingetragenen Verein; ferner 58 verschiedenen größeren und kleineren Stiftungen, deren Vermögen jetzt meistens in der Ostzone liegt, und dann folgenden acht Landeskriegerwohlfahrtsgemeinschaften: dem Preußischen Landeskriegerverband, der Sächsischen Kriegerwohlfahrtsgemeinschaft, der Bayerischen, Württembergischen, Badischen, Braunschweigischen, Hessischen und Pfälzischen Kriegerwohlfahrtsgemeinschaft.
Danach — bei dieser Rechtslage und bei der juristischen Unwirksamkeit der Zwangsverfügung
dürfte kein Zweifel daran bestehen, daß die alliierte Beschlagnahme des Kyffhäuser-Vermögens nur das Vermögen des NS-Reichskriegerbundes Kyffhäuser erfaßt bat, aber nicht das Vermögen des alten Kyffhäuser-Bundes, das an eine Zwangsstiftung, deren Gründungsakt nichtig ist, übertragen wurde.
Das Vermögen des NS-Reichskriegerbundes, das auf der Liste zum Kontrollratsgesetz genannt ist, beträgt nur einige tausend Mark, während die Vermögensmasse des aufgelösten alten Verbandes einen beträchtlichen Umfang hat. Wenn die alten Stiftungen und Korporationen als die Rechtsträger dieses karitativen Vermögens angesehen werden müssen, dann sollte es Rechtens sein, diesen alten und zum Teil sogar noch in den Grundbüchern stehenden Rechtsträgern das Vermögen zurückzugeben.
Hinsichtlich dieser früheren Rechtsträger hat sich eine Nachfolgegemeinschaft gebildet, die mit Notvorständen arbeitet; die Deutsche Kriegerwohlfahrtsgemeinschaft, die damit Hauptträgerin oder Treuhänderin des zurückzugebenden Vermögens sein müßte. Diese Rechtslage ist von dem zuständigen Polizeipräsidenten in Berlin-West durch eine Verfügung vom 21. Juli 1951 dem Grundsatz nach anerkannt worden. Hinsichtlich der Kronprinzen- und Kronprinzessin-Stiftung und der Offizierswohlfahrtsgemeinschaft laufen noch Verfahren für die Eintragung und die Bestellung von Notvorständen. Immerhin bestehen für die Nachfolgeorganisationen des alten Reichskriegerbundes, dieser karitativen Einrichtung, dadurch erhebliche Schwierigkeiten, daß sie nicht mehr über die notwendigen Akten verfügen, die zum Teil in der Ostzone liegen oder auch dort bei den Gerichten verbrannt sind.
Die Richtigkeit der Ansicht, daß das Vermögen des Reichskriegerbundes mit seinen selbständigen Stiftungen unverzüglich freigegeben werden müßte, ist von folgenden Behörden, soweit wir unterrichtet worden sind, bereits anerkannt worden: u. a. durch ein Gutachten des Bundesfinanzministers vom September 1950, durch ein Gutachten des Justizministers von Rheinland-Pfalz, des niedersächsischen Finanzministers, des Polizeipräsidenten von Berlin, den ich bereits erwähnt habe, und einiger Gerichte.
Wir sind uns als Interpellanten darüber klar, daß die Materie, über die wir die Bundesregierung befragen, eine Angelegenheit der Länder ist. Aber mit Rücksicht auf die hohe Bedeutung dieser alten Wohlfahrtseinrichtung und im Hinblick auf die Streuung dieser Einrichtung über das ganze Bundesgebiet glaube ich, daß die Bundesregierung einem besonderen Bedürfnis abhelfen würde, wenn sie durch geeignete Mittel eine rechtseinheitliche Handhabung der Rückgabe dieses Vermögens ermöglichte.
Als einziges Land hat bisher Niedersachsen, und zwar im Juli 1951, die Freigabe des Kriegerwaisenhauses in Osnabrück, des sogenannten Renthe-Finck-
Hauses verfügt. Die ursprüngliche Eigentümerin dieses Grundstücks ist wieder in dessen Besitz.
Besondere Schwierigkeiten sind leider beim Landesamt in Rheinland-Pfalz aufgetaucht. Ich kann nicht übersehen, aus welchen Gründen diese Behörde die Wirksamkeit der damaligen nationalsozialistischen Verfügung anerkennt. Das Argument, daß die französische Regierung eine Rückgabe der in Rheinland-Pfalz belegenen, angeblich etwa anderthalb Millionen ausmachenden Objekte des alten Kyffhäuser-Bundes nicht wünscht, ist durch eine Auskunft des französischen Hohen Kommissars ausgeräumt. Die Rechtslage konnte von uns in diesem Punkt nicht eindeutig genug geklärt werden. Nach den uns gegebenen Informationen wird vom Landesamt in Mainz ferner geltend gemacht, daß auch noch andere Organisationen auf diese Vermögensgegenstände Anspruch erheben würden und daß damit das Land als Treuhänderin verpflichtet sei, diese Vermögensgegenstände so lange zu verwalten, bis über die Rechtsansprüche entschieden sei. Immerhin glaube ich mit Rücksicht auf den Ursprung dieses Vermögens und seine Bedeutung, daß eine baldige Bereinigung dieser Rechtsfragen und die Rückgabe an -die Berechtigten möglich sind.
Es darf darauf hingewiesen werden, daß im gegenwärtigen Rechtszustand in bestimmten Zonen die dort geltende Wiedergutmachungs- und Rückerstattungsgesetzgebung Anwendung zu finden hat, und da es sich hier um einen karitativen Verband handelt, der humanitären und sozialen Zwecken zu dienen bestimmt ist, sollte mit der Rückgabe nicht weiter gezögert werden. Wer der Auffassung sein sollte, daß dieser alte Soldatenbund eine militärisch-politische oder gar militaristische Einrichtung gewesen sei, der ist falsch unterrichtet. Man soll sich dann die Stellungnahme der Londoner „Times" in ihrer Ausgabe vom 10. Oktober 1951 ansehen, in der besonders herausgestellt wird, daß das Land Niedersachsen in großzügiger Weise seiner Verpflichtung nachgekommen ist, das Vermögen zurückzugeben, und ferner wird auf die alten Beziehungen hingewiesen, die zwischen der British Legion, der dortigen Wohlfahrtsorganisation ehemaliger Soldaten, und dem alten Reichskriegerbund bestanden. Es kann also auf Grund der Geschichte und der rein karitativen Bedeutung des Verbandes auch nicht der leiseste Zweifel aufkommen, daß diese Einrichtung mit den Gründen, die zu einer Sequestrierung des Vermögens bei anderen Organisationen geführt haben, in keinen Zusammenhang gebracht werden kann. Ich glaube — das ist die Ansicht meiner politischen Freunde—, daß es angezeigt erscheint, hier die Gerechtigkeit wiederherzustellen und dieses Vermögen seinem ursprünglichen Zweck wieder zuzuführen. Da dies in den Ländern Schwierigkeiten macht, verfolgen wir mit dieser Interpellation den Zweck, eine Koordinierung der Maßnahmen durch die Bundesregierung zu erreichen. Ich glaube, es wird nicht angebracht sein, diese Dinge weiter in der Schwebe zu lassen. Wir wären der Regierung zu Dank verbunden, wenn sie uns über die bisher auf diesem Gebiet getroffenen Maßnahmen und ihre Rechtsansicht sowie auch über die Möglichkeiten, die Länder zu einer baldigen Lösung des Problems zu bewegen, eine Auskunft erteilen wollte.