Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Es gibt ein ehernes, unumstößliches Gesetz in der Geschichte der Arbeiterbewegung: das Gesetz der Solidarität. Als die hessischen Metallarbeiter, eine Anzahl von etwa 80 000, im Hinblick auf die Preisentwicklung und wegen der ihnen bis dahin verweigerten Lohnerhöhungen in den Streik traten, um ihre Forderungen durchzusetzen — dieser Streik hatte eine Bedeutung weit über den Rahmen Hessens hinaus —, da waren es die Unternehmer der hessischen Metallindustrie, aber auch die Arbeitgeberverbände der gesamten Industrie, die im Hinblick auf die Bedeutung des Kampfes der hessischen Metallarbeiter und seiner Ausstrahlungen auch auf die Metallindustrie in Nordrhein-Westfalen solidarische Erklärungen abgaben und die hessischen Metallindustriellen ihrer Unter-
stützung im Kampf gegen die hessischen Metallarbeiter versicherten.
Es wäre nun eine Notwendigkeit gewesen, auch seitens des Hauptvorstandes der IG. Metall entsprechende Maßnahmen einzuleiten, um diesen Kampf der hessischen Metallarbeiter zu einem vollen Erfolg zu führen. In dieser Situation hat der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund der Deutschen Demokratischen Republik gerade aus Gründen der solidarischen Unterstützung eine Sammlung eingeleitet und von dem Ergebnis dieser Sammlung die Lebensmittel besorgt, um so der Solidarität — und zwar nicht nur mit den hessischen Metallarbeitern, sondern auch mit den streikenden Hamburger Hafenarbeitern — praktischen Ausdruck zu verleihen. Es war uns klar, daß nicht nur die Unternehmerverbände, sondern logischerweise auch die Regierung — im Hinblick auf die Befürchtungen, die sich sowohl aus dieser Solidaritätsaktion als auch angesichts der Solidarität der gesamten Arbeiterschaft Deutschlands ergeben mußten — eingreifen würden, um diese Solidaritätsaktion zu verhindern.
Ich möchte auf die Maßnahmen, die von der Zollbehörde eingeleitet worden sind, und auch auf das Spiel zwischen den einzelnen Ministerien, zum Teil auch zwischen der hessischen Regierung und der Bundesregierung, nicht im einzelnen eingehen, aber an die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion die Frage richten, ob sie ihre Stellungnahme, die sie im Ausschuß bezogen haben, hier noch aufrechterhalten können, wenn ich sie an das Grundgesetz der Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung, nämlich an die Solidarität erinnere. Die Unternehmer haben in der Geschichte bereits unter Beweis gestellt, daß sie nicht nur im nationalen, sondern sogar im übernationalen Rahmen einander unterstützen. Hier handelt es sich nun um eine Angelegenheit, bei der es darum geht, daß deutsche Arbeiter und deutsche Gewerkschaften den Kampf der Arbeiter unterstützen. Ich frage- die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion, ob sie angesichts dieser Tatsache noch wagen, den Antrag abzulehnen, wie es im Ausschuß geschehen ist.
Infolge der Notwendigkeit, den Angehörigen der im Streik gewesenen Metallarbeiter diese Lebensmittel zur Verfügung zu stellen, beantragen wir, den Antrag des Ausschusses abzulehnen, und bitten, unseren Antrag anzunehmen.