Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter den Rednern, die bisher zu dem Thema gesprochen haben, waren sowohl leidenschaftliche Vertreter der Gedanken des Südweststaates als auch Verteidiger ihrer Heimat, so wie sie 'sie in ihrer Jugend erlebt und wie sie darin aufgewachsen waren. Lassen Sie mich nun einmal als einen von Norddeutschland zu der Sache sprechen; lassen Sie mich einmal schildern, mit welchen Gedanken ich das angesehen habe, wenn ich mir vorstelle, daß nun über meine eigene Heimat so verfügt würde 'Wie hier.
Es ist in der Tat richtig, darauf hinzuweisen, daß es in normalen Zuständen niemandem eingefallen wäre, nach Besatzungsgrenzen, wie sie uns jetzt beschert worden sind, abzustimmen. Es ist in der Tat auch notwendig, darauf hinzuweisen, daß es sich erst nachträglich ergeben hat, daß die Einwohner des früheren Baden mit mehr als 50 % der Stimmen für den Fortbestand dieses Landes gestimmt haben. Das ist eben ein Umstand, der uns jetzt nach dem Erlaß dieses Gesetzes doch nachträglich noch zu denken geben müßte.
Aber lassen Sie mich zunächst einmal daran erinnern, daß wir im Augenblick ja nur über die Frage sprechen, ob dem Antrage Kopf stattzugeben ist, diese Gesetzesvorlage an den Ausschuß zu
überweisen. Es ist an Argumenten pro und contra so viel vorgetragen worden, daß man dem Hohen Hause nicht zumuten kann, jetzt um 8 Uhr abends ohne Vorbereitung mit diesen Argumenten fertig zu werden.
— Nein, ich nicht. Aber ich merke aus der Unruhe im Hause, daß das Haus weder willens noch bei der vorgeschrittenen Zeit in der Lage ist, sich diesen Fragen mit der gebotenen Eindringlichkeit zu widmen, eben weil es nicht über die dazu nötige Zeit verfügt.
Wenn Herr Kollege Schoettle eben den Herrn Bundesinnenminister als Verfassungsminister bat, er möge seine Meinung dazu sagen, dann darf ich Sie, lieber Kollege Schoettle, daran erinnern, daß die SPD im allgemeinen die Auskünfte der Regierung in Rechtsfragen keineswegs blindlings zu akzeptieren geneigt ist.
Wenn also diese Frage der notwendigen juristischen Prüfung unterzogen werden soll, dann ist dazu kein anderer als das Haus selber in der Lage, d. h. also der Rechtsausschuß des Hauses.
Nun aber die Frage: Was ist denn an dieser Gesetzesvorlage, die uns hier vorliegt, angeblich rechts- oder gar verfassungswidrig? Es soll nicht ein Verfassungsgesetz abgeändert werden, sondern diese Vorlage richtet sich gegen ein ganz einfaches Gesetz, das ebenso aufgehoben werden kann, wie es geschaffen wurde. Sollte also so beschlossen werden, daß das Gesetz abgeschafft wird, dann wird es abgeschafft, bevor es in Kraft getreten ist. Und da bestehen verfassungsrechtlich ganz ohne Zweifel nicht die geringsten Bedenken. Wenn Sie aber welche haben, lieber Herr Kollege Schoettle, dann, bitte, fragen wir doch den Rechtsausschuß, und da wird selbst der energischste Gegner dieser Vorlage nicht bestreiten können, daß sie rechtmäßig ist.
Dann aber wird gesagt, man desavouiere das Bundesverfassungsgericht. Nein, durchaus im Gegenteil, sein Spruch wird als Recht anerkannt. Denn davon ausgehend hat man ja erst die Grundlage, diesen Antrag einzubringen.
. Weiter heißt es: Ja, aber der Art. 118 des Grundgesetzes sei dann nicht bloß desavouiert, sondern gegen ihn werde verstoßen. Das ist auch nicht wahr. In Art. 118 des Grundgesetzes steht mit keinem Wort, daß das Gesetz s o f o r t erlassen werden müsse. Da steht nur drin,
wenn eine Vereinbarung nicht zustande kommt, dann regelt ein Gesetz das weitere. Und selbst ein erlassenes Gesetz könnte man sehr einfach ändern; man könte etwas anderes beschließen.
— Herr Kollege Schoettle und meine sehr verehrten Damen und Herren des Hauses überhaupt, es kommt doch vorläufig gar nicht in Betracht, daß das Gesetz geändert wird, sondern das, was verlangt wird, ist ja nur eine Hinausschiebung des Vollzugs des Gesetzes,
und dann soll es überprüft werden im Zusammenhang mit dem Art. 29 überhaupt, im Zusammenhang mit der Neuregelung en bloc, der Neuregelung des Bundesgebiets, der des Art. 29.
Ich meine, daß gerade diese Bitte nicht unbillig ist, nachdem sich ergeben hat, daß die Mehrheit
der davon betroffenen Bevölkerung, die Mehrheit des Landes, das hier geschluckt werden soll, gegen die Regelung ist.
— Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie kommen nicht darum herum, daß es alle Betroffenen so auffassen. Gerade das ist über den Rahmen unseres eigenen Landes hinaus ein böses Omen. Wir sollten diese Sitte auch international ebenso bekämpfen, wie wir es nicht zulassen können, daß sie hier durchgeht. Denn wir sind im internationalen Zusammenleben darauf angewiesen, daß man gegen uns nicht unter Umständen dieselbe Methode anwendet, die Sie hier befürworten.