Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Wir hatten nicht die Absicht, einen Redner ins Treffen zu schicken, aber der Verlauf dieser Aussprache veranlaßt uns, doch etwas zu sagen. Eine Vorbemerkung an die Frau Kollegin Kalinke: den „Kommunisten und Kenner des Marxismus Reuter alias Friesland" schenken wir Ihnen.
Wir haben ihn nämlich rechtzeitig aus unserer Partei ausgeschlossen.
— Das ist der Tatbestand.
Nun zur Sache selber. Ein ernstes Thema — aber ich frage mich, ob wir in den sechs Jahren des Bestehens dieser Zone keine ernsteren Anlässe gehabt hätten, uns mit der Frage auseinanderzusetzen, ob in Westdeutschland die Elemente und die Träger des Faschismus politisch und wirtschaftlich ausgeschaltet sind.
Sehen Sie, meine lieben Freunde von der SPD,
ich freue mich über jedes Anzeichen der Besserung. Aber ich hätte gerne ,gesehen, wenn Sie sich mit der Konsequenz, mit der Sie sich heute auf Herrn Seebohm gestürzt haben, seit 1945 auf alle faschistischen Überbleibsel und auf die heute wieder
regierenden Stützen und Träger des Faschismus gestürzt hätten. Es sähe dann heute in Westdeutschland anders aus, wenn Sie mit dieser Konsequenz gegen etwas — um einen Namen zu nennen, gegen den Herrn Pferdmenges,
den Finanzier auch der Nazis — gekämpft hätten. Es sähe besser in Westdeutschland aus.
Ich kann mich erinnern, daß Leute, die der SPD nahe stehen, das Wort vom „Recht auf den politischen Irrtum" geprägt haben. Nun, er hat von seinem Recht zum zweiten Mal Gebrauch gemacht.
Was er uns heute erzählen will, er sehe in seinen Auszeichnungen nicht das Hakenkreuz — in diesen Auszeichnungen, die er als sein Eigentum betrachtet —,
das ist nicht glaubhaft. Ich kann mir doch nicht vorstellen, daß er etwa schon unter dem Alten Fritz gedient und sich dort ausgezeichnet und seine Kriegsauszeichnungen bekommen hat.
Die Auszeichnungen, die er trägt — wenn in den nächsten Tagen nichts dabeikommen sollte —,
hat er sich unter den Nazis erdient; die tragen das Hakenkreuz, und nur die kann er gemeint haben. Das ist für mich ganz selbstverständlich.
Nun ist der Herr Oberbürgermeister, —
- der Herr Bundeskanzler, ich bitte um Verzeihung, in einer unangenehmen Situation. Ich erinnere mich, daß er einmal gesagt hat, daß er jeden Montagmorgen in Sorgen aufsteht und die Zeitungen abwartet, ob nicht irgendeiner seiner jungen Männer
ähnliche Dummheiten gemacht hat wie Herr
Seebohm. Nun, er hat uns heute gesagt, er sei
über dessen Rede nicht besonders glücklich gewesen. Wir haben von ihm in den letzten Wochen und Monaten des öfteren gehört, daß er über gewisse Ereignisse glücklich war, z. B. über das Ereignis der Ratifizierung des Schumanpaktes. Ich bin der Meinung, die Elemente, die in Deutschland die Ratifizierung des Schumanpaktes so forciert haben und in deren Auftrag der Herr Bundeskanzler die Sache gemanagt hat, das sind doch die alten Wehrwirtschaftsführer,
die alten Großbankiers und die alten Kohlenkönige und Stahlbarone, die schließlich auch Hitler an die Macht gebracht haben.
Mir und doch auch Ihnen allen ist bekannt, daß der Herr Bundeskanzler geradezu entouriert ist von ehemaligen Größen der SS-Formationen, von abgetakelten nationalsozialistischen, von Hitler-Generälen. Daß er auch diesen Herrn Seebohm noch trägt und erträgt, das scheint mir ihm durchaus zumutbar zu sein.
Ich habe Verständnis dafür, daß er ihn trägt. Er
trägt ja so viel; er trägt ja die ganzen Reste des
alten nationalsozialistischen Systems und seine' Träger. Und er trägt sie mit Würde,
dieser „Kämpfer gegen den Faschismus", der so heftig gekämpft hat, daß er in all den Jahren zähneknirschend die Pension in die Tasche gesteckt hat, die ihm die Nazis gezahlt haben.
— Das ist gar nicht geschmacklos, er mindestens hat es sehr geschmackvoll gefunden.
— Ich komme jetzt auch zur Grenze. — Machen Sie das Licht aus, bei den andern haben Sie es auch nicht eingeschaltet!