Rede von
Margot
Kalinke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich könnte meine Antwort mit dem Bedauern beginnen, daß ich die politische Auseinandersetzung, die nun leider nötig ist, ausgerechnet mit einem Manne beginnen muß, der im allgemeinen seine Meinungsverschiedenheiten durch Prügel und dergleichen auszutragen pflegt.
Wir haben Erinnerungen an niedersächsische Auseinandersetzungen dieser Art. Ich bedaure das. Aber auch ich spreche nicht zu Herrn Dr. Greve, sondern ich muß ja der sozialdemokratischen Fraktion antworten, und das will ich im Geiste der vollen Verantwortung besorgen, von , der Sie als Sprecher Ihrer Fraktion und als Hüter der Demokratie so besorgt gesprochen haben, indem Sie darauf hinwiesen, wie Sie sich die Repräsentanten der Bundesrepublik im In- und Auslande vorstellen.
Meine Herren und Damen! In meiner Fraktion sitzt neben unserem Freunde, dem Bundesverkehrsminister, kein einziger Mann und keine Frau, die sich etwa zu irgendeiner Zeit in Reden und Aufsätzen mit dem Nationalsozialismus und dem Führer des Nationalsozialismus so identifiziert haben, wie sich maßgebliche Vertreter Ihrer Fraktion in diesem Hause „mit der ingeniösen Staatskunst des herrlichen Führers noch 1940 lobend identifizierten".
Ich will es Ihnen schriftlich geben; ich will Ihnen
das vorlesen und vorlegen, wenn Sie das wünschen.
— Wollen Sie das, dann will ich es Ihnen vorlesen, was der maßgebliche Sprecher Ihres neuen Sozialprogramms, Herr Professor Preller, noch 1940 geschrieben hat:
Wofür wir kämpfen.
— Ich könnte mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten sehr viel vorlesen. —
Wenn der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, so schließen diese Mittel für die ingeniöse Staatskunst des Führers jedenfalls diplomatisches und wirtschaftliches Vorgehen nicht aus ...
Da Sie so entzückt sind von der Berichterstattung der Presse, meine Herren, muß ich sagen: Ich bedaure es als deutsche Frau aufs tiefste, daß wir Deutschen unsere schmutzige Wäsche miteinander immer im Lande waschen müssen. Ich bedaure aber noch viel mehr, daß wir sie im Auslande waschen müssen.
Meine Herren, wer schon Sorge um das Ansehen des deutschen Volkes im Ausland hat — und wir haben nach den vergangenen Jahren diese Sorgen gemeinsam zu tragen —, der sollte sich doppelt hüten, als Träger der Repräsentanz einer großen politischen Partei diese Sorge nicht immer und in jeder Stunde zu empfinden.
Der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, in dem ich gewählt bin, hat im Herbst des vorigen Jahres als „Ehren-Schlesier" eine große und sehr nationale - ich will nicht sagen: nationalistische — Rede gehalten. Aber das war ein SPD-Mann. Nationalsozialistische Töne sind immer verdächtig, auch für mich, meine Herren, aber nationalistisch-sozialistische Töne sind etwas anderes, jedenfalls in der Berichterstattung und in der Art, wie sie bei Ihnen wirken.
Ich möchte jetzt aber auf die außenpolitischen Gefahren eingehen. Ich möchte schweigen von dem, was ich als Abgeordnete in Amerika von der außerordentlichen Aufklärung gesehen habe, die gerade Ihre Partei im Auslande zuungunsten des Ansehens der Bundesrepublik dort drüben treibt.
Ich möchte auch von den vielen kleinen Dingen schweigen, über die sehr viel zu sagen wäre. Ich möchte nur einige einzelne, ganz erschütternde Fälle .der letzten Tage hier einmal vortragen.
Meine Herren, daß Herr Reuter, der der Generalsekretär der Kommunistischen Partei war, ein großer Sachkenner des Marxismus und des Kommunismus ist, möchte ich ihm nicht abstreiten. Daß er aber ein Sachkenner der demokratischen Kräfte in dieser Regierung ist — und mit dem Angriff sind alle Regierungsparteien angegriffen —, das möchte ich ihm ganz entschieden absprechen.
Ich möchte aber erklären, daß es der Gipfel der Verantwortungslosigkeit ist, wenn ein deutscher Sozialdemokrat im Ausland in einer so ernsten Stunde wie der, in der sich die deutsche Delegation, als es um gesamtdeutsche Fragen ging, im Ausland befand, sich in einem Interview dann so etwas leistet! Dabei sträubt sich alles in mir, es überhaupt in diesem Hause darzustellen.
— Nicht „O Gott, o Gott!" Herr Mellies! Sie sollten sich sehr ernsthaft Gedanken über die Folgen solcher unverantwortlichen außenpolitischen Handlungen machen! Nicht etwa, daß der Sprecher der Sozialisten, Herr Reuter, gefragt worden wäre, wie er über die Deutsche Partei im besonderen oder die Regierungsparteien im allgemeinen- dächte — nein, ihm ist vom „Franc Tireur" eine Frage vorgelegt worden, wie er sich- denn die Vereinigung Deutschlands vorstelle. Und wörtlich ist er gefragt worden, unter welchen Bedingungen seine, die Sozialdemokratische Partei dieser Vereinigung zustimmen würde und worin sich diese Bedingungen von denen der Regierungsparteien unterscheiden. Darauf hat Herr Reuter geantwortet — und so können Sie es im „Franc Tireur" vom 11. Dezember
1951 im Original lesen, ich sage es in der deutschen Übersetzung, frei übersetzt —, man, brauche nicht davon zu sprechen, daß sich besondere Differenzen ergäben; denn alle Parteien hätten ja im Bundestag diesem Willen zur Einheit Deutschlands zugestimmt. „Alle demokratischen Parteien", sagte er, „— und wenn ich sage: die demokratischen Parteien, dann denke ich nicht an die Partei von Herrn Dr. Seebohm, sondern allein an die Sozialisten, an die christlichen Demkoraten, an die Liberalen, die sich damit identifizieren."
— Sie rufen „Sehr richtig!", meine Herren und Damen. Damit haben Sie die gesamte Bundesregierung und die Koalition, die diese Regierung verantwortlich trägt, im Ausland diffamiert. Und Sie wollen sprechen von der Verantwortung der Deutschen im Ausland? Sie wollen sprechen von der demokratischen Verantwortung, das Ansehen der Deutschen zu stützen?
Kein Geringerer als Herr Professor Carlo Schmid, ein sehr gelehrter Jurist, ein Justizminister — nicht wahr? —,
ein Mann, der auch als praktizierender Jurist — er war Kriegsgerichtsrat in Frankreich —
einiges von der Gefahr solcher Dinge weiß, — Herr Carlo Schmid hat vor kurzem in Straßburg ebenfalls in einer außenpolitisch sehr ernsten Stunde, als dieses schandbare Unglück mit dem Verbrecher Halacz in Nienburg geschah, auf -dem Boden der internationalen Auseinandersetzung geäußert, daß man solche Attentate doch mit politischen Zielen und mit nazistischen Aktivs in Verbindung bringen müsse.
Meine Herren, ich könnte zu diesen Dingen noch eine ganze Fülle hinzufügen. Der Sprecher der Sozialdemokratischen Partei hat hier mit Ausdrücken, die ich nicht wiederholen möchte, davon gesprochen, daß die Deutsche Partei etwa in ihrer Haltung zum Recht an irgendeinem Punkt angreifbar wäre. Meine Herren, wir haben es weder nötig, Ihnen unsere demokratische Haltung noch unseren Charakter zu beweisen. Das lehne ich ganz entschieden ab.
Aber, Herr Dr. Greve, ich weiß nicht, in welcher Partei Sie damals saßen. Sie haben Ihre Gesinnung ja gewechselt!
(Abg. Dr. Greve: Das wissen Sie genau! Sie
wollen hier nur billige Lorbeeren ernten!)
— Ich führe kein Buch über Ihre verschiedenen Gemütsbewegungen.
— Herr Dr. Greve, wir haben uns für die Geschädigten des Naziregimes mit demselben Ernst und
Eifer verantwortlich eingesetzt, wie wir uns gegen
die Verfolgung der Entnazifizierten eingesetzt haben, und keiner von uns hat jene Stunden im Niedersächsischen Landtag vergessen, in denen Ihre Fraktion Zurufe machte, die ich in dieser Stunde um des Rechts und der Demokratie willen nicht wiederholen möchte. Ich möchte nicht, daß die Wellen der Erregung höher gehen. Ich möchte nämlich nicht, daß es sich wiederholt, daß aus Reden, in denen deutsche Männer und Frauen frei sprechen, besonders aus Reden, in denen deutsche Männer und Frauen als Vertriebene zu Heimatvertriebenen sprechen, dann einzelne Sätze herausgerissen werden und daß dann sinnentstellende Sätze dazu beitragen, Unfrieden und Haß zu säen. Wir haben bei Gott in Deutschland alle gemeinsam die Verpflichtung, von diesem Unfrieden endlich zur gemeinsamen Verantwortung zu kommen.
Einer solchen gemeinsamen Verantwortung dienen weder Ihre Interpellationen noch der Ton, mit dem Sie mich hier gezwungen haben, so zu Ihnen zu sprechen.
Ich warne Sie!
Sie werden demnächst, wenn Sie nicht mit uns einen Weg gemeinsamer Verantwortung finden, nämlich den der Verantwortung für unser Vaterland, uns noch öfter herausfordern, so daß wir Ihnen hier leider — ich bedauere das — Vorlesungen halten müssen, die ich lieber verschweigen möchte.