Rede von: Unbekanntinfo_outline
ich glaube schon daran, daß Sie persönlich am liebsten dem Herrn Bundespräsidenten vorgeschlagen hätten, Herrn Dr. Seebohm zu entlassen. Aber Sie sind halt auf die Deutsche Partei angewiesen, um nicht noch mehr Schwierigkeiten mit Ihren Mehrheitsverhältnissen hier in diesem Hause zu bekommen.
— Frau Kalinke, Sie haben nachher Zeit, Ihr wohltönendes Organ hier erklingen zu lassen!
— Stören Sie mich bitte nicht! Welche Zwischenrufe ich mache, müssen Sie mir schon überlassen, Herr Dr. Mühlenfeld. Wenn Sie keine machen können, dann fragen Sie mich vielleicht das nächste Mal, was Sie für Wünsche haben.
Meine verehrten Anwesenden, es ist ja nicht so — der Herr Bundeskanzler hat es mit aller Deutlichkeit gesagt —, daß hier etwas geschehen wäre, das keinen Nachhall gefunden hat. Die Demokratie hat schon wieder Schaden genommen! Das deutsche Volk ist hier in einer Art und Weise diskreditiert worden, wie es unter dem Hakenkreuz der Fall gewesen ist. Wenn sich Herr Dr. Seebohm schon verneigen wollte, dann hätte er sich vor den Millionen Opfern verneigen sollen, die uns das Hakenkreuz gebracht hat!
Das wäre eine Verneigung gewesen!
Aber das liegt ja, glaube ich, nicht in der politischen Linie des Herrn Dr. Seebohm und seiner
Partei. Haben Sie schon einmal etwas davon gehört,
daß sich Herr Dr. Seebohm und seine politischen
Freunde fur Schwarz-Rot-Gold in dem Sinne eingesetzt haben, wie es notwendig ware? Haben Sie
schon einmal etwas davon gehört, daß Herr Dr.
Seebohm und seine politischen Freunde die Opfer
des Nationalsozialismus in der Weise respektierten,
wie es in Deutschland angesichts der Schuld, die
wir auf uns geladen haben, getan werden sollte?
Nein! — Sie sind ja gar nicht gemeint! Ich rede ja nicht von Ihnen persönlich, Herr Hellwege, ich rede von der Deutschen Partei!
— Das ist keine Klitterung der Geschichte, Herr Dr. Mühlenfeld, wie Sie sie heute schon wieder betreiben. Das kann ich Ihnen am besten an einem Plakat illustrieren, das zu einem „Deutschen Abend" am 12. Januar 1952 in Braunschweig einlud.
— In Braunschweig ist es gewesen! Am Eingang des Lokals hing ein Plakat in schwarz-weiß-roter Umrandung — Herr Bundeskanzler: nicht schwarz-rotgold, sondern schwarz-weiß-rot! — mit der Balkenüberschrift: „Der große Zapfenstreich". Dann hieß es weiter: „Deutscher Abend, veranstaltet von der Deutschen Partei, Sonnabend, 12. Januar 1952, unter der Stabführung von Herrn Kapellmeister Pinkernelle mit seinem großen Blasorchester in den Uniformen des Infanterieregiments Nr. 92 Braunschweig."
Meine Damen und Herren! Das ist der Geist, unter dem Reden zustande kommen wie die des Herrn Dr. Seebohm am 4. Dezember 1951!
Es ist ja leider so, daß Herr Dr. Seebohm und die ihm geistesverwandten politischen Freunde sich überhaupt nicht mehr in der Kontrolle darüber haben, was sie eigentlich sagen.
So glaube ich schon, Herr Bundeskanzler, daß Sie Ihre Sorgen haben, und ich beneide Sie nicht.
Nur, Herr Bundeskanzler, die Folgerungen, die Sie daraus gezogen haben, sind nicht richtig. Wir bedauern es außerordentlich; daß wir in diesem Falle mit Ihnen nicht einig gehen können. Sie hätten Herrn Dr. Seebohm entlassen lassen müssen.
Sie hätten Herrn Dr. Seebohm entlassen müssen,
weil Sie zum Schluß gesagt haben: „Ein Mann, der sich vor dem Hakenkreuz verbeugt, hat keinen Platz in einer Bundesregierung unter meiner Führung!"
Nun, es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Herr Dr. Seebohm das gesagt hat, was mein Freund Arndt hier zum Ausdruck gebracht hat. Ihnen machen andere Herren genug Schwierigkeiten, Herr Bundeskanzler, ich weiß es! Aber glauben Sie nicht, daß der Schaden, der dadurch angerichtet wird, daß Sie derartige Herren weiter in Ihrer Bundesregierung behalten, auf die Dauer ein größerer ist, als wenn Sie jetzt die Schwierigkeiten in Kauf nähmen, die Ihnen möglicherweise durch den Austritt der Deutschen Partei aus Ihrer Regierung erwüchsen? Die Deutsche Partei würde Ihnen allerdings vielleicht Dank dafür wissen, wenn Sie das taten, weil sie dann die Möglichkeit hätte, in die Opposition zu gehen.
Sie ist ja schon Opposition innerhalb der Regierung.
Warum soll sie da nicht Opposition außerhalb der Bundesregierung sein? Wir haben keine Furcht vor einer schwarz-weiß-roten Opposition mit Hakenkreuz am Stahlhelm.
— Ach, Frau Kalinke, Sie sollen ja auch gar keinen Stahlhelm tragen!
Behalten Sie ruhig weiter ,das auf, was Sie bisher auf dem Kopfe haben.
Meine Damen und Herren! Männer, die nichts weiter im Kopfe haben, als derartige Reden zu halten und wieder zu singen: „Es braust ein Ruf wie Donnerhall" und „Siegreich woll'n wir Frankreich schlagen", sind keine Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland!
Herr Bundeskanzler, Sie haben selbst gesagt: Leute, die solche Reden halten, gehören in den politischen Orkus! Wenn Herr Dr. Seebohm von Ihnen nicht in den politischen Orkus geschickt wird, dann sind Sie mit für das verantwortlich, was Herr Dr. Seebohm gesagt hat, und zwar dadurch, daß Sie es nachträglich decken und daß Sie nicht die Konsequenzen daraus ziehen, die Ihnen als Regierungschef zukommen.
Herr Bundeskanzler, ziehen Sie die Konsequenzen aus dem letzten Satz, den Sie eben gesagt haben. Entlassen Sie Herrn Dr. Seebohm, oder empfehlen Sie dem Herrn Bundespräsidenten die Entlassung des Bundesverkehrsministers Dr. Seebohm! Das wird uns im Ansehen unserer Entschei-
dungen in aller Welt einen gewaltigen Schritt weiterbringen.
— Sie wissen ja gar nicht, wie es draußen aussieht. Sie haben keine Ohren, zu hören, und keine Augen, zu sehen, weil Sie nicht hören und sehen wollen! Sie können doch allen Ernstes nicht das verteidigen, was Herr Dr. Seebohm hier gesagt hat! Unser Appell richtet sich an den Herrn Bundeskanzler. Eine Diskussion mit dem Herrn Bundesverkehrsminister erübrigt sich angesichts der Tatsache, daß er einer Diskussion über solche Fragen mit uns einfach nicht würdig ist.