Rede von
Otto
Niebergall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns kommt es bei der heutigen Debatte im Unterschied zu der Absicht der Herren Ollenhauer und Carlo Schmid weniger darauf an, über die Formen und Methoden der Politik des Herrn Bundeskanzlers als über die Richtung und den Inhalt seiner Politik in ' den aufgeworfenen Fällen zu diskutieren.
Warum so kompliziert, Herr Bundeskanzler, wenn es einfach geht? Washington und McCloy haben gar kein Interesse daran, daß von dieser Stelle aus eine Saar-Debatte geführt wird. Seit 1945 ist das Saargebiet für die Amerikaner ein Faustpfand. Wir haben im Jahre 1944, als in Paris die Verhandlungen über die Abtrennung des Saargebietes geführt wurden, erlebt, welches Spiel getrieben wurde. Was haben die Beauftragten der amerikanischen Monopolisten jenen Kräften gesagt, die an der Abtrennung der Saar interessiert waren? Wir besitzen Protokolle darüber. Damals sagte man wörtlich: Wenn Frankreich unsere Politik hinsichtlich Deutschlands und gegen die Sowjet-Union und den Osten macht, dann sind wir bereit, die Saar Frankreich zur Verfügung zu stellen;
oder wir können auch anders! Das ist doch der wahre Inhalt der Politik der Amerikaner in der Saarfrage.
So sind doch auch Ihre Worte zu verstehen, Herr Bundeskanzler, die Sie vor kurzem von dieser Stelle aus sagten: „Man kann nicht alle fünf, sechs Wochen eine Saardebatte führen". Sie haben heute andere Sorgen: unter welchem Kommando die Saarbevölkerung bereit ist, für die Amerikaner zu sterben. Das ist eine unnütze Sorge, Herr Bundeskanzler; denn die Saarbevölkerung ist nicht bereit zu sterben für Herrn Schuman, nicht für Herrn Adenauer, aber auch nicht für Washington.
Das Saarvolk und die deutsche Bevölkerung haben andere Interessen als Washington und als Herr Bundeskanzler Adenauer. Diese Interessen stehen für die Saarbevölkerung im Vordergrund. Deshalb will ich einiges zur Saar sagen, was man hier heute nicht gesagt hat.
Die Ausweisungen im Saargebiet gehen frischfröhlich weiter. Ständig wird den Menschen mit Ausweisung gedroht. Hunderten von Saarbewohnern wurden in den letzten Tagen die Pässe entzogen, damit sie nicht mehr nach Deutschland reisen können. Im Amtsblatt Nr. 52/51 des Saarlandes wurde jetzt das Gesetz zum Schutze des saarländischen Arbeitsmarktes veröffentlicht. Das Gesetz ist ein Ausnahmegesetz gegen die deutschen Arbeiter im Grenzgebiet der Pfalz. Mit diesem Gesetz will man verhindern, daß diese Arbeiter im Saargebiet für die Rechte des deutschen Volkes eintreten. Mit diesem Gesetz will man die Arbeiter davon abzuhalten suchen, dort den Kampf für höhere Löhne und bessere Lebensbedingungen zu unterstützen.
Davon sind nicht nur Kommunisten bedroht, sondern auch Sozialdemokraten und Gewerkschaftler.
Das Treiben der separatistischen Saarregierung verwundert uns nicht; aber uns verwundert, daß deutsche Behörden die Hoffmann-Regierung, die separatistische Regierung an der Saar, unterstützen. Ich habe einen Brief in der Tasche — es ist nicht der einzige — von einem Bergarbeiter aus dem Grenzgebiet, dem eine deutsche Behörde mitgeteilt hat, daß sie ihm auf Wunsch der Saarbehörde den Grenzpaß entzieht. Was haben Sie dazu zu sagen, Herr Bundeskanzler, daß deutsche Behörden die separatistische Regierung im Saargebiet unterstützen? Das Brief- und Telefongeheimnis im Saargebiet wird nach wie vor täglich verletzt. Zeitungs-
und Flugblattverbote sind an der Tagesordnung. Laufend werden Versammlungen, Kundgebungen und Sitzungen verboten. Fortgesetzt werden Anhänger des Friedens und der Einheit Deutschlands verhaftet, Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Befehl durchgeführt. Wir erleben im Saargebiet genau dasselbe wie auch hier im Bundesgebiet. Es gibt in dieser Frage keinen Unterschied zwischen dem Bundeskanzler Adenauer. Herrn Dr. Lehr und Johannes Hoffmann an der Saar.
Der Herr Bundeskanzler erklärte in der letzten Schumanplan-Debatte, Frankreich habe nur wirtschaftliche Interessen an der Saar. Seit dieser Feststellung sind nur wenige Tage vergangen, und was ist heute? Nachdem uns durch die Saarkonvention die Saargruben, die Saarkohle genommen wurden, ist man letzt — in den Tagen während der Beratung des Schumanplans — dazu übergegangen, die Reserve-Kohlenfelder des Saargebiets an Frankreich zu verschachern. Und nicht nur das: seit Jahr und Tag und insbesondere während der Schumanplan-Debatte waren es Beauftragte der französischen Schwerindustrie, die im Saargebiet herumgereist sind, um die Unternehmer unter Druck zu setzen, ihre Aktien an Frankreich abzustoßen. Dabei hat man die schurkischsten Methoden angewandt. Ich erinnere daran, daß es im Saargebiet eine Völklinger und eine Neuenkirchener Hütte gibt. Diese beiden Hütten sind unter Sequesterverwaltung, und sie sollen nach dem Wunsch dieser Beauftragten der französischen Schwerindustrie so lange unter Sequester gehalten werden, bis die Franzosen 60 % der Aktien in ihrer Tasche haben. Das alles im Zeichen des Schumanplans. von dem der Herr Staatssekretär Professor Hallstein uns erzählte. daß sich die Staaten der politischen Einflußnahme zu enthalten hätten und daß das Eigentumsrecht unberührt bleibe.
Herr Bundeskanzler, Sie haben am 9. Januar von dieser Stelle aus erklärt: „Die französische Regierung hat zu keinem Zeitpunkt der Verhandlungen über den Schumanplan irgendwelche Forderungen hinsichtlich der Anerkennung des gegenwärtigen Status an der Saar an die Bundesregierung gestellt". Ich habe in dieser Hinsicht den Herrn Bundeskanzler bereits am vergangenen Donnerstag widerlegt.
Aus dem, was ich heute gesagt habe, geht ganz klar hervor, daß vor und während der Schumanplan-
Debatte Maßnahmen im Saargebiet getroffen wurden, um den jetzigen Zustand an der Saar zu verewigen.