Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Resonanz, die die Vorlage der Bundesregierung über das Beamtenrecht in der Öffentlichkeit gefunden hat, ist auffallend gering. Wahrscheinlich kommt das mit daher, daß diese Wochen der großen außen- und innenpolitischen Entscheidungen — Schumanplan, Ost-West-Gespräche und jetzt die Frage der Wehrgesetze — die Materie des Beamtenrechts als nicht erstrangig, zum Teil als zweitklassig erscheinen ließen. So erklärt es sich, daß zwar in den Fachzeitschriften des Verwaltungsrechts, in den Zeitungen der Gewerkschaften und der Beamtenverbände die Bestimmungen dieses Beamtengesetzes lebhaft diskutiert wurden, daß aber die Tagespresse über einige Notizen hinaus von den politischen Grundlagen, von der politischen Bedeutung dieses Gesetzes leider keine Notiz genommen hat. Nirgends — und das gilt auch von der Presse der Beamtenvereinigungen — ist man auf die Grundfrage eingegangen, die bei einer ersten Lesung erörtert werden müßte — und ich muß sagen, ich hätte es sehr begrüßt, wenn der Herr Bundesinnenminister darauf eingegangen wäre —: die Rolle des Beamtentums in einem demokratischen Staat und seine Entwicklung gegenüber den Zuständen der früheren Jahrhunderte des Polizeistaates, der absoluten Monarchie und der Weimarer Republik.
Diese Kritik gilt mit einer Ausnahme. Der Stuttgarter Juristentag des Jahres 1951 hat sich mit zwei wichtigen Fragen dieses Gesetzes befaßt, und zwar einmal mit den Richtlinien, die das Grundgesetz durch Art. 33 Abs. 5 für das künftige Beamtenrecht gegeben hat, und zum andern mit der wichtigen Frage, ob der Beamte in erster Linie Diener des Staates oder Repräsentant der Demokratie sein soll. Beide Fragen sind nicht etwa Angelegenheiten fachsimpelnder Juristen oder juristische Finessen. Wie man sich in diesen Fragen entscheidet, so entscheidet man sich zugleich entweder für ein modernes, den Notwendigkeiten der neuen staatlichen Demokratie angepaßtes Beamtentum oder für eine Beamtenhierarchie, die sich in alten Vorurteilen abseits von Volk und Staat in einer Isolierung entwickeln würde und könnte und damit die Gefahr in sich schlösse, sich, wie es unsere Generation nun bereits zweimal hat erleben müssen, zu leicht wieder gegen die demokratischen
Freiheiten und die demokratische Grundordnung zu stellen.
Wenn man aber bedenkt, daß nicht weniger als 1 200 000 Menschen in den öffentlichen Verwaltungen beschäftigt sind, und wenn man dann die dazugehörigen Familien hinzurechnet, dann wird jeder an dieser Materie zunächst vielleicht nicht Interessierte feststellen, welche Bedeutung dieses Gesetz hat.
Daher begrüßen wir es, daß die Bundesregierung dieses Gesetz endlich vorgelegt hat. Es war uns bereits für das Jahr 1950 versprochen. Wir schreiben heute 1952, und die Verspätung ist gewiß reichlich. Aber wir wollen die Schwierigkeiten einer sorgfältigen Durcharbeitung dieses Stoffes nicht verkennen. Wir erkennen an, daß die Bundesregierung in diesem Entwurf einer Reihe von Beanstandungen, die bei den damaligen Lesungen des vorläufigen Beamtengesetzes vorgebracht werden mußten, in der Vorlage Rechnung getragen hat. Wir begrüßen das.
Die Stabilität der deutschen Beamtentradition spiegelt sich in der Stabilität der deutschen Beamtengesetze. Das erste deutsche Beamtengesetz stammt von 1873 und hat sich, von einer Novelle im Jahre 1907 abgesehen, bis 1937, d. h. also fast 64 Jahre, gehalten. 1937 brachte dann ein Beamtengesetz, das für Reich, Länder und Gemeinden galt.
Die Versuche der SPD, im Parlamentarischen Rat dem Bunde wieder die Befugnis zu einer allgemeinen Beamtengesetzgebung zu geben, um wenigstens auf diesem Gebiete eine Einheitlichkeit der öffentlichen Verwaltung zu ermöglichen, sind damals leider an dem Widerstand der heutigen Regierungsparteien — mit Ausnahme der FDP — gescheitert; und wie auf anderen Gebieten, können wir auch hier feststellen, daß diese überspitzte föderalistische Angstlichkeit sich nicht bewährt hat. Denn es gibt heute auf dem kleinen Gebiet der deutschen Bundesrepublik nicht weniger als acht Beamtengesetze.
Im Parlamentarischen Rat ist lange um den auch vom Herrn Innenminister zitierten Art. 33 des Grundgesetzes gerungen worden, und wie nicht anders zu erwarten war, gerieten die Schriftgelehrten alsbald über den rechtlichen Inhalt und die politische Substanz dieses Artikels in Streit. Der Juristentag hat sich auch mit diesen Fragen befaßt. Denn es erhebt sich die Frage, ob jener Art. 33 des Grundgesetzes eine Reform des Beamtenrechts zuläßt und in welchem Maße. Das hat der Deutsche Juristentag — und wir schließen uns dieser Meinung an — mit aller Klarheit bejaht. Er hat zum Ausdruck gebracht, daß mit jenem Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes in erster Linie die Beibehaltung, die Aufrechterhaltung der Institution des Beamtentums, garantiert werden sollte, daß damit aber nicht die Weimarer Verfassung und die Rechtsprechung des damaligen Reichsgerichts und die Rechte der einzelnen Beamten gesetzlich fundiert sein sollten. Dazu würde es einer besonderen Gesetzgebung, wie sie uns hier vorgelegt wird, bedürfen. Ich freue mich, daß der Herr Bundesinnenminister dieser Interpretation des Deutschen Juristentages beigetreten ist.
Hierbei spielt auch das andere Problem eine Rolle, das ich vorhin schon angedeutet habe, die Frage: Ist der Beamte in erster Linie Diener dieses Staates, oder ist er Repräsentant der Demokratie? Ich könnte das, was wir dazu zu sagen haben, nicht
besser zusammenfassen als in dem Beschluß, den der Juristentag auch hierzu gefaßt hat und den ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten verlesen möchte:
Der Versuch, im Beamten in erster Linie den Repräsentanten der Staatsidee zu sehen und das Beamtenrecht demgemäß von der Repräsentationsfunktion des Beamten her zu konstruieren, ist in der heutigen geschichtlichen und verfassungsrechtlichen Situation nicht geeignet, das Wesen des Berufsbeamtentums zu treffen. In einem demokratischen Staatswesen ist nicht der Beamte in erster Linie zur Repräsentation der Staatsidee berufen.
Dem entspricht, daß in unseren Verfassungen seit jeher — auch im Grundgesetz — der Satz steht, daß die Staatsgewalt vom Volke ausgeht.
Herr Kollege Nowack hat in der Sitzung vom 24. November 1949 in Erwiderung auf meine Rede zum vorläufigen Beamtengesetz erklärt, der Berufsbeamte in seiner modernen Form sei gerade gegen die Fürstenwillkür entstanden als der unabhängige Mann, der der Diener der Allgemeinheit sein sollte. Als ich das bestritt, hat er mich aufgefordert, dem nachzugehen. Ich habe das getan. So möchte ich Ihnen einen Satz aus dem wohl klassischsten Lehrbuch des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts von Otto Mayer vorlesen.
Er sagt:
So steht der Beamte
— das ist aus der Situation vor 1914 gesehen — dem Untertan tatsächlich gegenüber wie ein Fürst im Kleinen. Der Untertan hat sich auch seinen Maßregeln schlechthin zu fügen.
Ich glaube, hierin ist von einem unabhängigen Beamten, der sich gegen die Fürstenwillkür richten sollte, nichts zu merken. Bei diesen Worten erinnern wir uns daran, daß die Einrichtung des Berufsbeamtentums aus dem Verhältnis des Lehnsherren zum Lehnspflichtigen, des Untertans zum absoluten Monarchen, entstanden ist, verbunden mit der Verpflichtung zum unbedingten Gehorsam.
Die Weimarer Republik war großzügiger. Die Beamtenartikel in der Weimarer Verfassung waren etwas Einzigartiges in einem modernen Verfassungsstaat. Sie waren aber — und das haben wir später erkennen müssen — in doppelter Hinsicht ein Fehler. Denn jene Artikel legten der jungen Weimarer Demokratie von Anfang an erhebliche Fesseln an und verbauten ihr den Weg zu einem guten Start. Die Beamten der Weimarer Republik — ich meine nicht alle, aber sehr viele und zum Teil die wichtigsten Funktionäre — haben der Republik das nicht gedankt. In dem gleichen Maße, in dem sehr viele von ihnen dieser jungen Republik alle Schwierigkeiten in den Weg gelegt haben, die sie ihr in den Weg legen konnten, sind sie später bereit gewesen, dem Ungeist der nationalsozialistischen Bewegung zu folgen. Den Art. 130 der Weimarer Verfassung, der ihnen die Freiheit ihrer politischen Betätigung und auch die Vereinigungsfreiheit gab, hielten sie für einen ausreichenden Grund, um Gegner der damaligen demokratischen Regierungsform zu werden und zu bleiben. So war es für viele — wir sollten über diese geschichtliche Tatsache bei der ersten grundsätzlichen Lesung eines Beamtengesetzes nicht hinweggehen — kein großer Sprung, Hitler zu folgen und den guten Ruf, den das deutsche Beamtentum auch im Ausland hatte, gründlich zu zerstören. Natürlich — und das erkennen wir heute aus der Sicht der Entfernung von mehreren Jahren nach 1945 — kann manches zum Verständnis für die Haltung der deutschen Beamten auch nach 1933 gesagt werden. Nicht alle haben sich absichtlich in den Zustand der Knechtschaft begeben; die meisten von ihnen glitten allmählich hinein, weil sie zum Teil politisch zu passiv waren und weil zunächst der Schein der Legalität des Hitler-Regimes ihnen die Hände band. Andere Beamte haben sicherlich unter den schwierigsten Verhältnissen einen anerkennenswerten Mut gezeigt. Aber all das führt doch nicht an der Tatsache vorbei, daß mit dem Zusammenbruch 1945 die Vorstellung über das deutsche Berufsbeamten-turn in der Außenwelt mit den Vorstellungen von Opportunismus und autoritärer Gesinnung verknüpft war.
Das ist das eine, was wir bei den Debatten über das Beamtengesetz zu berücksichtigen haben.
Nun noch ein anderes. Das verehrte Mitglied dieses Hauses, Herr Kollege Gockeln, hat vor einiger Zeit in einem Artikel über das Wesen des Beamtentums den Satz geschrieben:
Niemand täusche sich darüber, daß die Staatsgewalt bis zum Augenblick noch von der Bürokratie ausgeht.
Ich glaube, er hat recht. Der Zug zur Spezialisierung ist nicht mehr — zum mindesten seit einem Jahrhundert — beschränkt auf das Gebiet dès Technischen, der ärztlichen oder der Naturwissenschaft; es ist ein ganz allgemeiner Zug, eine ganz allgemeine Erscheinung unseres gesamten geistigen, gesellschaftlichen und politischen Lebens.
Man kann das bedauern. Aber wir kommen über die Tatsache, daß es so ist, leider nicht hinweg. Sicherlich ist ein Mann wie Alexander von Humboldt im vorigen Jahrhundert einer der letzten universalen Männer gewesen, die wir hatten. Seitdem ist das sogenannte Spezialisten- und Sachverständigentum immer mehr in den Vordergrund gerückt. So haben sich auch in einem kaum vorstellbaren Maße die Aufgaben der öffentlichen Hand und damit die Zuständigkeit. und — meine Damen und Herren, das ist für das Beamtengesetz entscheidend — die Machtmöglichkeit des Beamtenapparates vermehrt. Vergleichen Sie bitte einmal die Aufgaben, die der Staat vor hundert oder sogar noch vor fünfzig Jahren zu erledigen hatte, mit der Fülle der Aufgaben, die er heute bewältigen muß.
Drängte bereits der erste verlorene Weltkrieg den Staat in immer stärkerem Ausmaß in den Lebensbereich des einzelnen und vor allem des sozial schwachen Staatsbürgers hinein, so war jene Machterweiterung des Staates und seiner Bürokratie noch gar nichts gegenüber den neuen Aufgaben, die nach 1945 auf uns hereingestürzt sind, und zwar nicht nur für die Politik, sondern auch für die Verwaltung. Die Betreuung der Flüchtlinge, die Probleme des Lastenausgleichs, die Kriegsopferversorgung, der Wiederaufbau sind nur einige dieser wichtigsten Dinge.
So ist die Unübersichtlichkeit der Verwaltung leider ein Kennzeichen unserer Zeit geworden, und es scheint, daß der Prozeß fortschreitender Bürokratisierung alles öffentlichen Lebens fast unausweichlich ist.
Es erhebt sich für die Demokratie die wirklich beängstigende Frage, ob wir insoweit vor den Grenzen der demokratischen Kontrollmöglichkeiten und damit zugleich auch vor bestimmten Grenzen der Demokratie überhaupt stehen. Denn allzu-
leicht — und das ist allzu menschlich — wird die Machtfülle, die einem gegeben ist und die der einzelne Beamte zwangsläufig bekommen hat, mißbraucht. Sein Verhandlungspartner, d. h. der Verhandlungspartner des Beamten, seine ihn kontrollierenden Instanzen können sein fachliches Wissen selbst nicht haben; sie sind ihm in der Sachkenntnis einfach nicht mehr gewachsen. Und so erhält das Problem des Treuebandes einen neuen zusätzlichen Inhalt. Es ist die Treue gegenüber dem Staate, gegenüber den politischen Kontrollinstanzen, dahin, daß er sein Fachwissen in vollem Umfang ' und objektiv ausgewogen zu vermitteln hat und nicht einseitig berichten und verwerten darf.
Die Möglichkeiten des Mißbrauchs, die zweifellos in dieser bedauerlichen Entwicklung liegen, werden immer wieder zu Spannungen zwischen Bürokratie und Politik führen müssen. Das ist kein Vorwurf — ich darf das ausdrücklich feststellen — gegenüber den Beamten, sondern die einfache Feststellung eines Sachverhalts auf Grund einer Entwicklung des letzten Jahrhunderts, mit dem sich auseinanderzusetzen eine immer vordringlichere Pflicht der politischen Instanzen wird, und zwar gleichgültig, ob es sich um die Fragen der Bundes-, der Länderpolitik oder um die Gemeindeverwaltung handelt.
Es lohnt sich übrigens, einen kurzen Blick jenseits der Grenzen zu werfen. England und die Vereinigten Staaten haben die gleichen Sorgen, aber zur Zeit herrschen dort immer noch — dank einer alten, guten Tradition — Politik und die politisch gewählten Organe gegenüber der Bürokratie vor. Daß wir hier die Besatzungsmächte anders erleben, d. h. in der Form ihrer Bürokratie, hat zwar manche bedauerliche Fehlentwicklung in Deutschland zur Folge gehabt, darf uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Dinge in den Heimatländern selbst etwas anders liegen. Und gerade weil diese Erfahrung mit der Bürokratie der Besatzungsmächte, daß jahrelang nicht der Wille amerikanischer und britischer Politiker, sondern die politisch fast gar nicht kontrollierten Maßnahmen einer Bürokratie der Besatzung entschieden haben und die deutsche Politik haben beeinflussen wollen, gerade das zeigt uns doch, wie notwendig die Unterstellung der Bürokratie unter die politische Kontrolle ist. Anstatt also zu einem Übergewicht der Politik über die Verwaltung zu gelangen, stehen wir vor der Gefahr der Bürokratisierung der Politik.
Daran sind wir in der letzten Zeit auch mehrfach erinnert worden durch das Verhalten der Bundesregierung und die politische Rührigkeit einiger ihrer Staatssekretäre. Unter dem Hinweis nämlich, daß Staatssekretäre politische Beamte seien, hat man ihnen gestattet, Politik auf eigene Faust zu machen.
Ich denke an die Rundfunksendung des Herrn Staatssekretärs Hallstein über das Ergebnis der Washingtoner Konferenz, die anschließend noch Gegenstand einer besonderen Aussprache im Bundestag sein wird. Ich meine als weiteres Beispiel aber auch die Rede des Herrn Staatssekretärs Tiedeck am 11. Januar dieses Jahres über den hessischen Rundfunk zu den gesamtdeutschen Wahlen. Ich beanstande hier nicht so sehr die Stellungnahme in der Sache, sondern die Form und den Gebrauch von Kraftausdrücken, die für einen westdeutschen Politiker nicht üblich sein sollten.
Immerhin will ich eins zugeben: Diese Rundfunkreden hatten auch ein Gutes. Denn durch diese Rundfunkreden haben die Abgeordneten des Bundestages endlich einmal erfahren, welche Stellung die Bundesregierung in wichtigen außen-und innerpolitischen Fragen hat.
Uns ist auch nicht entgangen — und das wird nachher noch weiter zu erörtern sein —, daß die Debatten bei dem wichtigsten Gesetz seit 1945, nämlich dem Gesetz über die Montan-Union — von zwei Reden des Herrn Bundeskanzlers abgesehen — gegenüber dem Parlament nur und allein von dem Herrn Staatssekretär des Auswärtigen, also von einem Beamten geführt worden sind.
Hätte es denn nicht bei den so schwierigen Problemen unseres Wirtschaftslebens nahegelegen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister einige Worte dazu gesagt hätte?
Hätte es nicht nahegelegen, daß bei der schwierigen Rechtsauslegung dieser Verträge sowohl der Herr Justiz- als auch der Herr ,Verfassungsminister hier auf dieser Rednertribüne erschienen wären?
Das haben wir vermissen müssen. Oder war es vielleicht so, daß die Herren Bundesminister ein Redeverbot hatten?
Staatssekretäre, meine Herren von der Bundesregierung, heißen politische Beamte deswegen, weil sie aus politischen Gründen jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können. Aber sie sind nicht politische Beamte, weil sie Politik machen dürften!
Andererseits — und hier stimme ich meinem Herrn Vorredner und auch dem Herrn Bundesinnenminister durchaus zu — wollen wir natürlich keine politischen Eunuchen, weil das in eine Isolierung und dazu führt, daß der Staat von dem einzelnen Bürger nicht als Helfer, sondern als eine ihm gegenüberstehende Gewalt empfunden wird, der er sich persönlich nicht gewachsen fühlt und von der er erdrückt wird.
Nun noch zu einigen Einzelfragen aus dem Gesetz.
4 besagt, daß Beamter nur werden könne, wer hoheitsrechtliche oder solche Aufgaben erfüllt, die aus Gründen der Sicherheit des Staates nicht ausschließlich Personen übertragen werden dürfen, die in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehen. Dabei bleibt nach wie vor die Grenzziehung zwischen Beamten und Angestellten zu flüssig. Praktisch wird damit auch die Regelung des Gesetzes von 1937 wiederholt, die sich weder in der Praxis bewährt hat noch in der Praxis hat durchgeführt werden können. Diese Regelung bringt die Gefahr mit sich, daß nur der höhere Dienst durch Beamte wahrgenommen werden kann und daß die Männer und Frauen der einfacheren Schichten und der niederen Funktionen nicht in den Genuß der beamtenrechtlichen Sicherungen kommen.
Uns erscheint der Vorschlag des Sozialausschusses
des Bundesrates richtiger, der fordert, Beamte für
solche Aufgaben zu bestellen, die nach ihrer Art,
Dauer oder Bedeutung zur Sicherung der Unabhängigkeit bei ihrer Erfüllung eine enge Bindung zum Dienstgeber erfordern.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige Worte zu den Laufbahnrichtlinien sagen. Es mag zweifelhaft sein, ob es richtig ist, sie in das Gesetz hineinzunehmen; das mag der Ausschuß entscheiden. Eingehen muß ich jedoch auf folgendes: Auch für den einfachen Dienst wird als Mindestanforderung der Besuch einer achtklassigen Schule vorgeschrieben. Meine Damen und Herren, das ist neu. Damit schließen Sie zunächst einmal die Hunderttausende von Kindern der Dorfgemeinden und der kleinen Städte aus, die sich mangels einer genügend großen Zahl von Kindern eine achtklassige Schule nicht leisten können. Und in dem gleichen Augenblick, in dem die Bundesregierung hier auch für den einfachsten Staatsdienst den Besuch einer achtklassigen Schule fordert, legt sie durch ihre politischen Freunde in Nordrhein-Westfalen ein Schulgesetz vor, in welchem vorgeschlagen wird, leistungsfähige achtklassige Schulen aus konfessionellen Gründen in minderklassige Schulen zu zerschlagen.
Unseren politischen Freunden in Düsseldorf ist wiederholt erklärt worden, die Aufteilung von Volksschulen aus konfessionellen Gründen bedeute keinen Nachteil für die pädagogische Entwicklung und keinen Nachteil für die Berufsentwicklung und die Berufsauswahl der Kinder. Die Bundesregierung, die doch aus dem gleichen politischen Holz geschnitzt ist, straft diese Erklärung Lügen, indem sie gleichzeitig festlegt: auch Schrankenwärter oder Briefträger kann nur werden, wer eine achtklassige Schule besucht hat.
Meine Damen und Herren, ich sehe, daß meine Redezeit leider ausgeschöpft ist. Ich kann daher zu meinem Bedauern einige Dinge, die — erfreulicherweise — im Gesetzentwurf enthalten sind und zu denen ich noch einige Anregungen geben wollte, hier nicht mehr vorbringen.
Zum Schluß nur noch eines: wir begrüßen es, daß der Herr Bundesinnenminister hier noch einmal mit aller Deutlichkeit die Verfassungstreue der Beamten gefordert hat, wobei ein Lippenbekenntnis nicht ausreicht. Sie muß durch die aktive Arbeit der Beamten bewiesen werden. Nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte könnte die Demokratie sehr skeptisch sein. Aber wir wollen uns davon nicht leiten lassen.
Wir Sozialdemokraten wünschen, daß die Demokratie sich schützend vor jeden Beamten stellt, der nicht nur ihr Diener, sondern ihr Mitstreiter zu sein bereit ist. W i r sind dazu bereit. An den Beamten wird es nun liegen, zu beweisen, daß nicht nur ihre Aktenarbeit, sondern auch ihre Liebe zur Freiheit dieser Demokratie gehören. Aber auch hier ist es wie in allen Dingen des Lebens: Das Wort ist nichts, die Tat ist alles!