Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die ersten Sätze, die Herr Abgeordneter Ollenhauer heute morgen sprach, waren — so schien es mir beim Hören — dazu angetan, meine große Besorgnis, die ich wegen der Ausführungen einiger Herren der Opposition diese Nacht bekommen habe, zu beseitigen. Ich freute mich darüber, und ich sah mich gleichzeitig dadurch der Verpflichtung überhoben, auf die Ausführungen in dieser Nacht noch einmal zurückzukommen; denn es liegt mir an sich nicht, auf den geschlagenen Gegner nochmals einzuschlagen.
Aber, meine Damen und Herren, die weiteren Ausführungen des Herrn Abgeordneten Ollenhauer, der doch der stellvertretende Vorsitzende einer großen deutschen Partei ist,
haben diese Besorgnisse, die die Ausführungen der sozialdemokratischen Oppositionsredner gestern in mir hervorgerufen haben, nicht beseitigt, sondern verstärkt.
Ich bedauere diese Ausführungen. Was hilft, meine Damen und Herren, eine Erklärung platonischer Liebe zu Europa
und zur Völkergemeinschaft, wenn ich dann die Gelegenheit, bei der ich zeigen kann, daß ich wirklich Europa will und daß ich ein Freund der Völkergemeinschaft bin, nicht nur nicht benutze, sondern im Gegenteil Ausführungen mache, die dazu angetan sind, die anderen Völker, die anderen Regierungen, mit denen wir doch zusammenarbeiten müssen, wenn wir wirklich zu einem Europa kommen wollen, in derartiger Weise vor den Kopf zu stoßen!?
Ich habe überhaupt — lassen Sie mich das einmal sagen — aus dem Verlauf der Debatte und dem ganzen Verhalten der Opposition den Eindruck, daß sich die Herren in keiner Weise ein wirkliches Bild davon machen, wie es draußen in der Welt aussieht.
Gestern ist sogar von einem Mann wie Herrn Professor Schmid — ich glaube nicht, daß mich mein Gedächtnis trügt — hier verlangt worden, wir sollten die Ratifizierung des Schumanplans aufschieben, bis die anderen einen Beweis dafür geliefert hätten, daß sie europäisch denken und daß sie eine Gemeinschaft der Völker wollen.
Meine verehrten Damen und Herren, ist denn das menschliche Gedächtnis so kurz?
Hat man denn jetzt bei uns Deutschen schon vergessen, daß doch durch deutsche Nationalsozialisten dieser Krieg entfesselt
und das ganze Elend, unter dem die Welt stöhnt, heraufbeschworen worden ist?
Und kann man, wenn wir eine solche Vergangenheit erlebt haben und wenn die anderen Völker —
seien Sie sich doch völlig darüber klar — noch von
tiefem Mißtrauen gegenüber dem deutschen Volk
erfüllt sind, von der Tribüne des Deutschen Bundestages aus bei der Verabschiedung einer solchen
Vorlage verlangen, daß die anderen einen Beweis
für ihre europäische Gesinnung und für ihren Willen zur Gemeinschaft mit anderen Völkern liefern,
und erklären: „Erst dann werden wir ratifizieren!"?
— Meine Damen und Herren, ich spreche wirklich nicht, um zu verletzen, sondern ich spreche aus ehrlicher Besorgnis. Man wird draußen die Mentalität, die aus den gestrigen Reden, nicht etwa der Kommunisten — die kennt man —, sondern aus den Reden der sozialdemokratischen Herren her-ausleuchtet, analysieren
und man wird sagen, — —
— Ja, man wird nachdenken, verehrter Kollege Schmid, aber in einer ganz anderen Richtung, als Sie meinen.
Man wird sich doch sagen: Ist das nicht wieder diese deutsche Eigentümlichkeit, die immer nur bei den anderen die Schuld sucht,
die nur für sich verlangt, aber nicht bereit ist, zu geben?
Meine Damen und Herren, ich habe vor einiger Zeit, als ähnliche Reden von den Herren der sozialdemokratischen Fraktion gehalten wurden, den Auftrag gegeben, einmal Hugenbergsche Reden aus den zwanziger Jahren herauszusuchen.
Da hat sich herausgestellt
— ich bin bereit, Ihnen das Material zu geben —, daß eine verblüffende Ähnlichkeit besteht zwischen den Gedankengängen der sozialdemokratischen Opposition und den Gedankengängen des Herrn Hugenberg.