Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bundestagsfraktion der Kommunistischen Partei Deutschlands stelle ich nachstehenden geschäftsordnungsmäßigen Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die dritte Beratung des Gesetzentwurfs betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl wird von der Tagesordnung abgesetzt.
Der Bundeskanzler wird verpflichtet, dem Bundestag in der Sitzung vorn 11. Januar 1952 den Inhalt aller von ihm mit den Vertretern der Atlantikpaktmächte geführten Verhandlungen über den sogenannten Generalvertrag und die mit ihm verbundenen Nebenverträge über die Schaffung einer sogenannten Europa-Armee, sowie alle von ihm bereits eingegangenen Verpflichtungen bekanntzugeben. Der Bundestag führt im Anschluß an den vorn Bundeskanzler zu erstattenden Bericht unverzüglich eine Aussprache durch.
Wir Kommunisten stellen diesen Antrag, um einen letzten Versuch zu machen, im Parlament selber noch einmal Gelegenheit zu einem wirklich vertieften Studium
des Inhalts des Gesetzes zu schaffen.
Wir Kommunisten stellen den Antrag, weil wir der Auffassung sind,
daß im Interesse unseres Volkes die Annahme dieses Montan-Kriegspaktes unter allen Umständen verhindert werden muß. Wir stellen den Antrag, weil wir Kommunisten der Auffassung sind, daß die deutsche Kohle und der deutsche Stahl vordringlich zum Aufbau einer deutschen Friedensproduktion benutzt werden sollen. Wir Kommunisten stellen den Antrag, den Herrn Bundeskanzler zu verpflichten, nach monatelangem Verheimlichen aller bisher von ihm geführten Verhandlungen den Bundestag endlich von dem Umfang und Inhalt der von ihm mit den Vertretern der Atlantikpaktmächte geführten Verhandlungen und von den von ihm bereits vollzogenen Verpflichtungen in Kenntnis zu setzen.
Wir sind der Auffassung, daß der Bundestag sein Recht durchsetzen muß, von der Regierung und ihrem verantwortlichen Kanzler zu erfahren, was hinter dem Rücken des Bundestages und hinter dem Rücken des Volkes im Sinne der Vorbereitung eines neuen Weltkrieges
im Interesse der amerikanischen und der westdeutschen Imperialisten getrieben wird. Wir sind der Auffassung, daß der Schumanplan das B zum A des Generalvertrages darstellt. Wir sind der Auffassung, daß uns der Generalvertrag bekanntgegeben werden muß, um den ganzen Inhalt der im Schumanpakt enthaltenen Verpflichtungen genau übersehen zu können. Wir sind der Auffassung, daß der Schumanpakt nicht dem Interesse des deutschen Volkes dient, daß er nicht der Einigung Europas dient. Wir sind der Auffassung, daß er ein Pakt der europäischen Kanonenkönige, Kriegsgewinnler und Kriegsverbrecher gegen die Völker Europas ist. Wir sind der Auffassung, daß das deutsche Volk Gelegenheit bekommen muß, in eine Entscheidung darüber einzutreten, ob es der verbrecherischen Politik, die der Schumanplan beinhaltet, Folge leisten will; und wir sind der Auffassung, daß diejenigen, die heute diesem Gesetzentwurf in der dritten Beratung zustimmen, eines Tages vor dem deutschen Volke zur Rechenschaft gezogen werden.
Wir sind der Auffassung, das deutsche Volk in den Betrieben wird ihnen durch einheitlichen aktiven Abwehrkampf gegen die Durchführung dieses Kriegspaktes beweisen, daß es nicht gewillt ist, sich in den Dienst des dreckigen amerikanischen Krieges spannen zu lassen.
Ich bitte den Herrn Präsidenten, über unseren Antrag abstimmen zu lassen.