Rede von
Grete
Thiele
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nach unserem Antrag soll die Bundesregierung verpflichtet werden, einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach dem die Herstellung, der Verkauf, die Ein- und Ausfuhr von Kriegsspielzeug verboten und unter Strafe gestellt wird. Ich verweise ausdrücklich auf diese umfassend verpflichtende Formulierung, da die CDU bereits im vergangenen Jahr einen ähnlichen Antrag eingebracht hat, der aber nichts anderes besagte, als daß hier der Vertrieb von Kriegsspielzeug nicht empfohlen werden soll. Jedenfalls enthielt dieser Antrag dann nach der Ausschußberatung nichts anderes als eine „Empfehlung". Leider
— vielmehr bezeichnenderweise, möchte ich sagen
— führte diese Empfehlung dazu, daß in verstärktem Maße Kriegsspielzeug produziert, in andere Länder eingeführt und vertrieben wurde, wahrscheinlich weil sowohl die Kriegsspielzeug einführenden Länder als auch die Bundesregierung daran interessiert sind, daß unsere Kinder schon frühzeitig mit dem Umgang von Pistolen, Gewehren, Panzern, Tanks, ja jetzt sogar schießenden Tanks und ähnlichen Mordwerkzeugen in Miniatur vertraut werden. Man handelt also nach dem Motto
— abgewandelt —: Früh soll sich üben, was ein Meister werden soll.
Hier handelt es sich ganz eindeutig um psychologische Kriegsvorbereitungen, die leider jetzt schon sehr große Auswirkungen auf den seelischen und auch auf den körperlichen Zustand unserer Kinder haben.
Ich verweise hier auf den Artikel in der „Abendpost" vom 6. Dezember 1951. Der Schreiber dieses Artikels war auch ausgegangen, um einmal zu untersuchen, wie die Verhältnisse sind, und kam ganz erschüttert über diese Auswirkungen nach Hause. Wie sehr die Gemüter unserer Kinder dabei verrohen und für die Brutalitäten des Kriegshandwerks in frühester Jugend vorbereitet werden, das wird sehr anschaulich unterstrichen durch die schwersten kriminellen Taten, die in der letzten Zeit von Kindern und Jugendlichen verübt worden sind. Die eingeführten Gangsterfilme, die eingeführte Mordliteratur tragen ein Übriges dazu bei, das Wertvolle in unserem Volk schon im Keim zu zerstören. Der Antrag wurde deshalb von uns eingebracht, weil erfreulicherweise entgegen Ihrer Reaktion viele Frauen- und Jugendorganisationen in ganz Westdeutschland, j a ich möchte sagen, die übergroße Mehrzahl aller Frauen und überhaupt aller anständigen Menschen eine Protestaktion gerade jetzt vor Weihnachten begonnen haben. Sie haben eindringlichst an den Bundestag appelliert; denn die Frauen, die Eltern und Erzieher sind in großer Sorge um die Entwicklung ihrer Kinder.
Deswegen ist es notwendig, daß wir uns hier in etwas ernsterer Form, als Sie es jetzt tun, damit beschäftigen. Zu diesen großen Organisationen gehören u. a. die Falken, die internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit, evangelische und katholische Frauen- und Jugendverbände, der Demokratische Frauenbund Deutschlands, die Lehrer Ind Erzieher, die Gewerkschaftsjugend, die Deutsche Gemeinschaft zum Schutze der Kinder und andere Organisationen.
Verschließen Sie sich bitte nicht dem Appell aller jener Kreise an den Bundestag, nicht zuzulassen, daß die Herzen und Hirne unserer Kinder durch Kriegsspielzeug vergiftet werden.
Prüfen Sie sehr aufmerksam, was wir im Bundestag tun können, um durch geeignete und wirksame Maßnahmen der Gefahr für unsere Kinder entgegenzutreten. Seien Sie versichert, daß die Frauen und Mütter in ganz Westdeutschland sehr aufmerksam zuhören werden und sehr darauf achten werden, wie Sie auf diesen Antrag, der dem Appell der Organisationen entspricht, reagieren!