Ich glaube, meine Ausführungen waren bisher von sachlichen Argumenten getragen.
Wenn das bayerische Kaminkehrerhandwerk
freiwillig die ihm zugeteilten Kehrbezirke aufgeteilt und verkleinert hat,
um 116 Flüchtlingen eine Lebensexistenz zu schaffen, wie das in keinem andern deutschen Land der Fall gewesen ist,
so ist das eine vorbildliche Haltung,
und es kann nicht die Unterbringungsnot der Flüchtlinge zur Begründung dieses Gesetzentwurfs vorgetragen werden. Da weiter feststeht, daß das bayerische Kaminkehrerhandwerk
im Gegensatz zu dem in anderen Ländern für seine Witwen und für die Witwen und Waisen seiner Gesellen aus eigener Kraft und nicht mit öffentlichen Mitteln und versicherungstaktischen Maßnahmen eine Altersversorgung sichergestellt hat, so kann in der Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs auch nicht davon gesprochen werden, daß die sozialen Grundlagen dieses Berufes gefährdet wären.
Weiterhin wird gesagt, deshalb müßten außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen werden. Worum handelt es sich denn bei diesem Gesetz?
Es handelt sich darum, daß man auf Kosten wohlbegründeter und wohlerworbener Rechte nur einen momentanen Erfolg erzielt, indem man hundert nachrückende Gesellen in die Meisterstellen bringt, während in Zukunft das Alter der nachrückenden Gesellen höchstens um zwei Jahre und nicht mehr verbessert wird.
Wenn ferner vorgetragen wird, daß die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 72 Abs. 2 deshalb gegeben sei, weil die Rechtsunsicherheit auf Grund der Bestimmung des § 45 der VOSch bestehe, so kann man die Schuld daran nicht diesem Handwerk zur Last legen, sondern das ist einzig und allein Schuld des Gesetzgebers, der in den Jahren 1935 und 1937 Maßnahmen getroffen hat, die der gesetzlichen Grundlage entbehrt haben.
Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf hat, wie insbesondere aus der Begründung im Bericht des Berichterstatters des Rechts- und Verfassungsausschusses hervorgeht, eine weitere Verfassungsverletzung zur Grundlage. Es handelt sich hier nämlich um einen Eingriff in wohlerworbene Rechte
und um eine entschädigungslose Enteignung.
In Bayern sind die Kaminkehrerbezirke auf Grund Gesetzes auf Lebenszeit übertragen.
Sie wollen nun mit einem Strich rückwirkend diese durch den Staat übertragenen Rechte auf einmal auslöschen.
Aus der Rechtsprechung zur alten Reichsverfassung zu Art. 153 geht hervor, daß der Enteignungsbegriff nicht auf subjektive Privatrechte bestimmter Art, insbesondere nicht auf das Eigentum beschränkt ist. Der Enteignungsbegriff umfaßt alle subjektiven Rechte einschließlich der Forderungsrechte, und die Rechtsprechung kennt auch den Schutz gegen Eingriffe in sonstige Rechte, die nach ihrem wirtschaftlichen Wert wie nach der Art des Eingriffs ebenso des Schutzes bedürftig sind. Es darf keine willkürliche Eigentumsentziehung stattfinden. Hier findet aber eine willkürliche Eigentumsentziehung dadurch statt, daß Sie mit einem Strich rückwirkend die auf Lebenszeit den Kaminkehrermeistern in Bayern übertragenen Kehrbezirke wegnehmen wollen.
In dem Bericht des Berichterstatters des Rechtsausschusses, des Professors der Rechte Wahl, steht: Die „Enteignung" der Kehrbezirke erfolgt nicht zugunsten des Staates, sondern zugunsten der Gesamtheit des Schornsteinfeger-standes.
— Ich danke Ihnen, daß Sie da „Sehr richtig!" sagen. In der Verfassung heißt es nämlich: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig." Hier wird aber von unserem Rechts- und Verfassungsausschuß die Enteignungsberechtigung damit begründet, daß die Enteignung für einen ganz beschränkten Teil, nämlich für einen Berufsstand erfolgen soll. Das ist nicht eine Enteignung zugunsten der Allgemeinheit. Diese Voraussetzung muß aber bei der Enteignung gegeben sein. Wenn Sie also trotzdem hier ein Gesetz erlassen, das im Sinne unserer Verfassung nur für einen Berufsstand und nicht für die Allgemeinheit gegeben ist, dann beschließen Sie ein verfassungswidriges Gesetz.
Ich möchte Ihnen auch folgendes sagen. Die Frage, ob die Altersgrenze eingeführt wird, muß zweifellos geprüft werden.
Aber man kann dabei nicht über die wohlerworbenen Rechte, die bis zum Erlaß des Gesetzes bestehen, einfach hinweggehen.
Meine Damen und Herren, diesen Versuch hat man auch in der nationalsozialistischen Zeit gemacht.
Aber der nationalsozialistische Staat
hat respektvoll vor der Enteignung, wie Sie sie heute in Ihrem Gesetz vornehmen, haltgemacht.
— Ja, so ist est
Im Jahre 1935 hat man nicht an die Übertragung der Kehrbezirke gerührt, die vor Erlaß dieses Gesetzes übertragen worden sind.
Sie aber wollen durch dieses Gesetz auch die wohlerworbenen Rechte, vor denen die Nationalsozialisten haltgemacht haben, heute mit einem Federstrich beseitigen!
Wenn Sie die Prinzipien des Rechtsstaates durchsetzen und sich von den Methoden der Nationalsozialisten distanzieren wollen, dann müssen Sie, meine Damen und Herren, auch konsequent sein, und Sie, meine Herren von der FDP, die Sie gerade beim Mitbestimmungsrecht die Grenzen des Eigentumsrechts ganz genau kennen, müßten auch hier vor einem Eingriff in die Eigentumsrechte haltmachen.
Es gibt keine Enteignung zugunsten eines Berufsstandes; es gibt nur eine Enteignung zugunsten der Allgemeinheit. Aus den Gründen, die der Berichterstatter angeführt hat, geht hervor, daß die Enteignung so, wie sie im Bericht — zu Drucksache Nr. 2925 — steht, nur zugunsten eines Teils eines Berufsstandes durchgeführt werden soll.
Außerdem ist es auch unerhört,
daß nunmehr der Bund, der als Enteigner auftritt, mit diesem Gesetz die Entschädigungspflicht im Gesetz auf den Versorgungsverein der Schornsteinfeger überträgt, in den die Schornsteinfeger selbst einzahlen, und der Bund somit die Entschädigungspflicht auf die Schornsteinfeger selbst abwälzen will.
Das ist nicht Rechtens.
Wenn eine Enteignung durchgeführt wird, dann muß auch die Entschädigung nach Art und Umfang, so wie es der Art. 14 des Grundgesetzes vorschreibt, in dem Gesetz festgelegt werden.
Weil das bei diesem Gesetz nicht der Fall ist, haben wir uns erlaubt, einen Abänderungsantrag zu stellen, der vorsieht, daß zwar § 1 in etwas abgeänderter Form bestehen bleiben soll, daß aber die Entziehung der Kehrbezirke nur vom Zeitpunkt des Erlasses an für die Zukunft möglich sein soll. Wir bitten Sie, unseren Abänderungsantrag anzunehmen.