Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Bemerkung zur Schlußabstimmung. Als vor fast einem halben Jahr in diesem Haus die erste Lesung dieses Initiativgesetzentwurfs stattfand
— vor eineinhalb Jahren, 1950 war es tatsächlich schon oder besser erst —, machte der Sprecher unserer Fraktion, mein Freund Seuffert, den Stand- punkt unserer Fraktion durch seine Ablehnung klar. Wir haben zum Ausdruck gebracht, welche Illusionen durch ein solches Gesetz heraufbeschworen werden müssen, und wir haben die Damen und Herren Kollegen, die sich für eine solche Feststellung ausgesprochen haben, dringend gebeten, doch wenigstens erst einmal zur Kenntnis zu nehmen, was mit dem Lastenausgleich wirklich möglich sein würde. Wir haben immer wieder gefordert, daß man nicht feststellen, daß man nicht Einzelheiten vorziehen, - sondern daß man endlich an die Beratung und möglichst schnelle Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes herangehen soll, weil alles, was im Zusammenhang damit notwendig ist, erst dann wirklich in Angriff genommen werden kann.
Das hat uns von der Seite derjenigen, die wenigstens etwas tun wollten, wenn der Lastenausgleich nicht käme, die wenigstens feststellen wollten, Angriffe in großer Zahl eingetragen. Eine ganze Weile hatte sich verhältnismäßig bequem die Tatsache überbrücken lassen, daß man mit dem Lastenausgleich nicht weiterkam, wenn man wenigstens über die Feststellung redete. Man hat geglaubt, uns wegen unserer Einstellung zu diesem Feststellungsgesetz so lächerliche Vorwürfe machen zu müssen wie etwa den, wir bekundeten damit, wie wenig uns eigentlich am Eigentum gelegen sei, und ähnliche Redereien.
Meine Damen und Herren, wenn man damals den Initiatoren noch zugute halten konnte, daß sie sich über den Lastenausgleich, wie wir ihn hier zu verabschieden haben, noch nicht klar waren, daß sie noch im Bereich der Wünsche und Hoffnungen und Illusionen lebten, die in den Jahren seit 1945 so sorgsam gepflegt worden sind, so kann man ihnen das heute nicht mehr sozusagen als mildernden Umstand zubilligen.
Gestern wurde in einer Berliner Zeitung, die Ihnen auf der rechten Seite des Hauses sehr viel nähersteht als uns, einmal von der „wahrscheinlich besseren Hälfte des Bundestags" gesprochen, die neulich bei den Abstimmungen über das Schadensfeststellungsgesetz hier in Erscheinung getreten sei. Dabei ist darauf aufmerksam gemacht worden, daß sich doch im Zuge der Beratungen über den Gesetzentwurf zum Lastenausgleich, die nun praktisch auch schon ein Jahr dauern, manches klargestellt habe, was so lange im Bereich der Wunschträume gewesen sei. Diese Zeitung hat uns das Kompliment gemacht, daß wir sehr viel realistischer an die Dinge herangegangen seien als alle anderen, zugleich aber festgestellt, daß sich die Standpunkte jetzt auf der Ebene des Realen allmählich zu nähern begännen, d. h. daß Einsicht da Platz greife, wo bisher Wünsche und Hoffnungen gewesen seien.
Meine Damen und Herren, mit dem Feststellungsgesetz werden Sie keinen Trost dafür spenden, daß bei dem ganzen Lastenausgleich weniger herauskommt, als wir alle miteinander hoffen. Sie werden nur diesen traurigen Tatbestand um so nachdrücklicher unterstreichen. Wir haben uns mit unseren Anträgen bemüht, aus diesem Feststellungsgesetz wenn Sie schon nicht mehr davon abkommen konnten — wenigstens einrichtiges Feststellungsgesetz zu machen. Sie haben durch die Ablehnung der Anträge vorgezogen, bequemer zu leben und so zu tun, als ob Sie etwas täten. Auf Ihr Haupt kommt die Verantwortung für alles das an Enttäuschung und Empörung, was mit diesem Feststellungsgesetz nun in die Welt gesetzt wird.
Wir wünschen uns daran nicht mitschuldig zu machen. Wir wünschen uns auch nicht an den Kosten mitschuldig zu machen, die auf diese Weise entstehen,
und die auch dann entstehen, wenn wir hier auf eine verhältnismäßig urelegante Weise versuchen, uns an einer Entscheidung über diese Frage vorbeizudrücken. Wir werden also nicht für dieses Gesetz stimmen; wir werden uns der Stimme enthalten.
— Ja, dachten Sie, daß wir Ihnen außerdem auch noch den Spaß machten zu sagen, die Sozialdemokraten seien gegen die Feststellung überhaupt?
Sie wissen ja, daß wir gar nicht gegen die Schadensfeststellung überhaupt sind. bie wissen, daß wir nur gegen den Zauber der Vorziehung sind, daß wir erst dann feststellen wollen, wenn wir nach Ihrem Bekenntnis zum Lastenausgleich wissen, was denn überhaupt festgestellt werden soll.
Meine Damen und Herren, ich begründe Ihnen vor
der Abstimmung die Haltung meiner Fraktion, um
ganz deutlich werden zu lassen, wer für das ver-
antwortlich ist, was heute hier geboren werden soll.