Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer Gelegenheit hatte, im Laufe der Beratungen dieses Gesetzentwurfs und nicht zum wenigsten auch im Zuge der zweiten Beratung unter den verschiedenen Hammelsprüngen usw. den einen und anderen Stoßseufzer in diesem Hause aufzufangen, der konnte sich ein bißchen damit trösten, daß irgendwo ganz tief im Herzen sehr vieler doch sehr erhebliche Zweifel daran bestehen, ob es sich hier nun wirklich um einen positiven Beitrag zu einer der brennendsten Fragen unseres Volkes, zum Lastenausgleich, handelt. Ich persönlich glaube auch, daß sich die Mehrheit für dieses Gesetz zu einem großen Teil aus solchen Damen und Herren zusammensetzt, die jetzt, nachdem die Dinge so weit getrieben sind, d. h. nachdem man draußen so viel darüber geredet hat und nachdem Monate hindurch die These vertreten worden ist. dieses Schadensfeststellungsgesetz sei geradezu die Voraussetzung für den Lastenausgleich — es ist ganz besonders bedauerlich, wenn das solche Leute getan haben, die schon im Zuge der Beratung über den Lastenausgleich über das, was da geschehen wird, sehr viel klarer zu sehen gelernt haben, als sie vorher leider sahen —, dem Gesetz nur zustimmen werden, weil sie nicht wissen, wie sie nun, nachdem die Dinge so weit gediehen sind, wieder davon herunterkommen sollen.
Ich glaube, meine Damen und Herren, es ist ein bißchen übertrieben, wenn hier gesagt wird, daß durch die Streichung der §§ 21 und 22 ein Vakuum entstanden sei. Ich kann nur sagen, daß durch de Streichung der §§ 21 und 22 die ganze Angelegenheit höchstens an Glaubwürdigkeit gewonnen hat.
Wir haben bereits in der zweiten Lesung darauf hingewiesen, daß es unserer Meinung nach sehr zweifelhaft ist, ob denn mit solchen Einrichtungen, wie sie hier in § 21 begründet werden sollen, wirklich etwas erreicht werden kann. Die meisten der Geschädigten, insbesondere die Vertriebenen — und man kann da vielleicht eher sagen, fast alle, als daß man nur sagt, eine gewisse Mehrheit — haben keine Dokumente. Wir wissen genau, daß die Geschädigten das nicht zu vertreten haben. Sie haben diese Dokumente nicht vergessen oder verloren; sie haben sie nicht mitnehmen können. Die Dokumente mitnehmen konnten am ehesten noch diejenigen, die wegen ihrer guten Beziehungen zum „Dritten Reich" rechtzeitig abreisen konnten, während all die anderen unglücklichen Opfer zur höheren Ehre des „Führers" und seiner militärischen Helfershelfer so lange in den Gebieten bleiben mußten, bis sie unter Einsatz ihres Lebens nackt und bloß weglaufen mußten; und den anderen, die noch etwas an ihrem Leibe trugen, hat man es einfach weggenommen. Sie haben keine Dokumente.
Ich frage Sie noch einmal: In welcher Lage befindet sich ein Mann, der nicht Mitglied der Organisation ist, die hier so wesentlich an dem Zustandekommen der Heimatauskunftstellen beteiligt ist? Lesen Sie einmal den Absatz 4 nach, wonach die in den Absätzen 2 und 3 genannten Personen nach Anhörung der vom Bundesminister für Vertriebene anerkannten Vertriebenenverbände zu bestellen sind. Wir wissen, daß es unglücklicherweise auch auf diesem Gebiet weitgehend eine Politisierung gibt, die bis ins Parteipolitische hineingeht. Das ist doch, ganz gleich, wie man darüber denkt, offensichtlich festzustellen. In welche Lage bringen wir die Menschen, die das Schicksal ihrer Anträge der Begutachtung durch einen Kreis anvertrauen müssen, von dem sie sich auf anderen Gebieten, politisch oder organisatorisch, ausdrücklich distanziert haben? Oder — ich komme gern auf mein Beispiel aus der zweiten Lesung zurück — in welch fürchterlicher Lage befindet sich ein Mann, der meinetwegen in einem wesentlich evangelischen Kreis schon damals zu Hause unter dem Eindruck gestanden hat, daß die anderen Kreiseinwohner ihn aus konfessionellen Gründen anders behandelt haben, als er gern behandelt worden wäre? Dieser Mann wird bestimmt darauf zurückkommen, vor allen Dingen, wenn man ihm das, was er dort vorlegt, nicht anerkennt. Es ist klar, daß erhebliche Anstrengungen gemacht werden müssen, um den Vertriebenen zu helfen, ihre Behauptungen so weit wie nur irgendwie möglich glaubhaft zu machen. Aber dazu sind unserer Meinung nach Einrichtungen da, die richtige Behörden und keine solche Ersatzeinrichtungen sind. Das zum Grundsätzlichen.
Machen wir uns bitte nichts darüber vor, es gibt ein ganz bestimmtes Interesse gerade an diesem § 21, ein so persönlich gefärbtes Interesse, daß es — hoffentlich nimmt es mir keiner krumm — nicht ganz abwegig ist, wenn man sagt, für viele Leute ist es eigentlich mehr ein Gesetz zur Einrichtung von Heimatauskunftsstellen als irgend etwas anderes.
Wenn man aber gegen alle diese Bedenken doch den Versuch machen will, soll man ihn auch mit allen Konsequenzen machen. Früher hieß es — und das war meiner Ansicht nach mindestens vom Standpunkt derjenigen, die sich zu solchen Dingen bekennen, durchaus logisch —, man müsse die Heimatauskunftsstellen in der Regel auf der Ebene der früheren Kreise einrichten. Das ist auch ganz klar. Wenn Sie Behauptungen, die Sie mit Dokumenten nicht beweisen können, ersatzweise, aus der Kenntnis der Verhältnisse belegen wollen, müssen Sie so weit wie möglich heruntergehen. Oder wer bildet sich denn ein, daß man über so etwas wie Einheitswerte, Klimazahlen usw., all die Faktoren, die z. B. zur Bewertung eines landwirtschaftlichen Betriebes erforderlich sind, von der Ebene des Regierungsbezirks aus irgend etwas Vernünftiges sagen kann? Mit Recht ist im Ausschuß, als wir darüber sprachen, gesagt worden, daß man da in soundsovielen Fällen, gerade wo es sich um Bodenbewertung handelt — und das wird im Feststellungsverfahren einen sehr erheblichen Raum einnehmen —, viel eher auf die Ortsebene herunter gehen sollte als etwa von der Kreisebene weg nach oben. Es ist ganz klar, warum man sich in der Vorlage zum Schluß so beschieden
hat. In den Heimatauskunftstellen liegt ja der Hauptpunkt der finanziellen Konsequenzen des Feststellungsgesetzes. Da wollte man so bescheiden wie nur irgendwie möglich in Erscheinung treten und hat gesagt: in der Regel auf der Ebene der Regierungsbezirke. In der Begründung für den Antrag auf Wiederaufnahme des § 21 ist eben schon gesagt worden, daß man sich dann einen Unterbau schaffen wird. Stellen Sie sich bitte selber vor, wie schnell wir hier zu einem Unterbau mit allen personellen und auch allen finanziellen Konsequenzen kommen werden, wenn wir erst einmal einen Anfang machen. Davon sollten wir uns dann nicht überraschen lassen.
Wir sollten uns auf der anderen Seite auch nicht dem Vorwurf aussetzen, daß wir hier nur so tun, als ob wir etwas täten, indem wir, weil die Leute das gern möchten, ihnen ein bißchen entgegenkommen und sagen: Na schön, Regierungsbezirke. Für beide, für die, die so entgegenkommend sein wollen, wie für die anderen, die es später gründlicher machen wollen, ist es viel reeller, wenn wir hier gleich wissen, um was es sich handelt. Deswegen schlagen wir Ihnen vor, an Stelle des Wortes „Regierungsbezirke" das Wort „Kreise" zu setzen.
Dann wollen wir schon etwas Ganzes.
Auch in diesem Falle wollen wir aufs Ganze gehen. — Sie müssen es uns schon überlassen. zu versuchen, in der Durchsetzung unserer Wünsche so weit wie möglich zu kommen.
— Mit Bauernfang hat das gar nichts 7U tun. Bauernfang ist etwas ganz anderes. Bauernfang ist das, was hier gemacht wird, indem man den Leuten einredet, daß sie . auf diese Weise wirklich zu irgendwelchen Unterlagen kommen. daß sie auf diese Unterlagen dann irgendwelche Ansprüche gründen können.
Wir bitten Sie, unserem Abänderungsantrag zu § 21 zuzustimmen und an die Stelle des Wortes „Regierungsbezirke" das Wort „Kreise" zu setzen.