Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 8 a und b auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Außerkraftsetzung der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und des Bundesministers für Wohnungsbau vom 29. November 1951 PR Nr. 71/51 über Maßnahmen auf dem Gebiet des Mietpreisrechts ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Altbaumieten .
Begründungszeit: zweimal 15 Minuten; Aussprachezeit: 90 Minuten. — Zur Begründung Herr Abgeordneter Paul!
Paul (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Überraschend für die Öffentlichkeit wurde vor einigen Tagen die Verordnung über die Erhöhung der Geschäftsmieten und über die Umlegung der Wassergebühren usw. der Öffentlichkeit übergeben. Selbst bürgerliche Blätter wie z. B. die Zeitung „Die Rheinpfalz" schrieben, daß es sich dabei um einen politischen Husarenritt der Regierung handele. Noch vor kurzem wurde von seiten der beteiligten Ministerien jede Absicht, die Mietpreise zu erhöhen, bestritten. Noch Mitte November gaben Vertreter der Ministerien Verlautbarungen von sich, daß nicht daran gedacht sei, in Kürze die Mieten zu erhöhen. Statt dessen erlebten wir dann die Verordnung, die heute zur Debatte steht.
Man will also die Mieten für Altwohnungen um durchschnittlich 10% erhöhen. Die Auswirkungen vor allem für die werktätige Bevölkerung sind gewaltig. Sehr schwer werden davon die Wohlfahrtsempfänger, die Rentenbezieher und die Arbeitslosen betroffen. In Düsseldorf wurden durch einen Reporter einige Mieter befragt, wie sich diese Mieterhöhung auf ihre bisherigen Mietverhältnisse auswirken würde. Da kam heraus, daß z. B. eine alte Frau, die 40 DM Rente bekommt und bisher
15,53 DM Miete bezahlen mußte, nunmehr 17,05 DM zu bezahlen hat. Ein 63jähriger Rentner, der bisher 27,50 DM bezahlte, müßte also 30,25 DM bezahlen.
Mit dieser Verordnung will man auch auf dem Wohnungsmarkt die freie Marktwirtschaft, die so viel gepriesen wurde und die der Bevölkerung so große Erfolge gebracht haben soll,
zur Durchführung bringen. Aber jeder, der die Wohnverhältnisse unserer Bevölkerung sieht, der die große Wohnungsnot kennt, der wird uns recht geben, wenn wir sagen, daß man auf dem Wohnungsmarkt nicht so verfahren kann wie auf dem Markt für andere Waren, da hier sehr einschneidend die soziale Lage der Bevölkerung betroffen wird.
Der deutsche Mieterverband hat in mehreren Denkschriften nachgewiesen, wie sich diese Verordnungen und die noch weiter geplanten Mieterhöhungen auswirken werden. Nach den einzelnen Paragraphen sollen also die Vermieter die Möglichkeit haben, die Kosten für das Wassergeld auf die Mieter umzulegen. Hinzu kommt, daß man für die Untermieter von seiten der Vermieter in Zukunft einen Zuschlag verlangen kann. Wir sind wahrlich der Meinung, daß es nicht richtig ist, wenn Menschen, die in der Vergangenheit bestimmten Wohnraum an Wohnungsuchende abgeben mußten, in freier Vereinbarung hier und dort höhere Mieten vereinbart haben, als es tragbar gewesen wäre. Aber es geht nicht an, daß man damit generell alle diejenigen Hauptmieter treffen will, die Räume auf Grund der Verordnungen oder freiwillig an Wohnungsuchende abgegeben haben. Aber das wird besonders in den §§ 7 und 8 dieser Verordnung niedergelegt. Nach den Berechnungen bürgerlicher Institute werden davon über 5 Millionen Mieter in Westdeutschland betroffen.
Des weiteren sieht diese Verordnung vor, daß ebenfalls für einen Teil der Geschäftsräume die Mieten freigegeben werden. Ein Teil der Geschäftsräume soll aus dem Geltungsbereich des Mieterschutzgesetzes überhaupt herausgenommen werden. Ich habe hier die Zeitung „Die Rheinpfalz", die .ich bereits anführte. Sie schreibt, daß diese Verordnung mit einer großen Eile fabriziert wurde, anscheinend nur aus politischen Gründen. Die Zeitung sagt, daß in den meisten Fällen die Festsetzung des Aufschlags für solche Geschäftsräume eine Ermessensfrage sei. Die Zeitung schreibt dann wörtlich:
Juristen, die gerade in der Materie des Mietpreisrechts zu Hause sind, haben der Presse
erklärt, daß sie Teile der Verordnung selbst
nach mehrfacher Lektüre nicht verstehen. Wenn es schon Juristen so geht, die sich jahrelang mit Pacht- und Mietverhältnissen beschäftigen, dann wird es erst recht auf der unteren Ebene wild zugehen. Es wird ganz deutlich gesagt, daß dadurch eine Verteuerung der Miete für Geschäftsräume um 10, 15 und mehr Prozent eintreten wird. Betrachtet man die Lage des Mittelstandes, die Lage der kleinen Handwerksmeister, der Schneider, der Schuhmacher, dann wird uns jeder recht geben, der die Lage dieser Leute kennt, daß das eine schwere Belastung für sie darstellt.
Selbst solche Wohnräume werden aus der Mieterhöhung nicht ausgenommen, die als Schneiderwerstatt usw. benutzt werden, Räume, die allerdings mit einer Wohnung zusammenhängen. Auch 1 diese Räume sollen nach der Verordnung unter bestimmten Umständen mit einbezogen werden, d. h. auch sie werden mit einer Mieterhöhung belegt. Nehmen wir an, daß z. B. ein kleiner Gewerbetreibender einen Gewerberaum hat, sagen wir eine Schuhmacherwerkstatt, und er zahlt für diesen Gewerberaum 30 DM. Wenn er nun weiter daneben einen kleinen Wohnraum hat, für den er bisher in einem alten Hause 10 Mark bezahlt, dann fällt auch er unter diese Verordnung, dann muß auch er eine höhere Miete bezahlen.
Wir — und mit uns Tausende von Menschen draußen — sind der Meinung, daß durch die Mieterhöhungen und die Herausnahme von einer gan- zen Reihe von Geschäfts- und Gewerberäumen aus dem Mieterschutz zwangsläufig auch die Bedarfsartikel der breiten Massen wieder teurer werden. Jeder kleine Geschäftsmann, jeder kleine Handwerker, der Schneider, der Schuhmacher, der Klempner, wird nämlich die erhöhten Mietpreise für seinen Gewerberaum wiederum auf seine Ware umzulegen versuchen. Diese Waren werden dann wiederum von den breiten Massen bezahlt werden müssen.
Weiter ist die Frage zu prüfen: ist die Regierung überhaupt rechtlich in der Lage, eine so weitgehende Verordnung zu erlassen? Selbst in bürgerlichen Zeitungen wird die Frage aufgeworfen, ob zu dieser Verordnung nicht zumindest die Zustimmung des Bundesrates erforderlich sei. Wir aber sind der Meinung, daß, da eine solche Verordnung weitgehend in die soziale Lage breiter Schichten unseres Volkes eingreift, auch der Bundestag dazu Stellung nehmen müßte. Das Überfallartige dieser Verordnung zeigt schon das schlechte Gewissen dieser Regierung.
Wenn sie offen die Probleme diskutieren wollte, dann hätte sie nicht Mitte November erklären dürfen: „Es ist keine Mieterhöhung in Kürze geplant", — und 14 Tage später kommt sie dann mit dieser Verordnung heraus. Das ist doch eine üble Täuschung der Öffentlichkeit!
Meine Damen und Herren, diese Maßnahme — ich sagte es schon bei der Debatte über den Mißbilligungsantrag gegen den Justizminister Dehler — ist nicht von der Gesamtpolitik der Regierung zu trennen, sie, ist ein Teil dieser Politik, ist ein Glied in der Kette des Angriffs auf die soziale Lebenslage der breiten Massen. Sie soll neue Mittel für jenen Zweck eintreiben, der schon sehr oft hier vom Bundesfinanzminister dargelegt worden ist, nämlich die Kosten für den sogenannten Verteidigungsbeitrag zu decken.
Die Regierung will durch solche Mieterhöhungen auf der anderen Seite den Weg für eine weitere Einsparung von Mitteln für den Wohnungsbau frei machen. Diese Maßnahme steht in engster Verbindung mit jener Empfehlung, die die Marshallplanbehörde dieser Tage an die Bundesregierung und an alle Regierungen der Marshallplanländer gab, nämlich alle nichtmilitärischen Ausgaben des Staatshaushalts rücksichtslos herabzusetzen.
Wir sind der Meinung, daß das Parlament diese Verordnung der Regierung, die eine derart starke Belastung für große Teile unserer Bevölkerung mit sich bringt, durch einen Beschluß außer Kraft zu setzen hat. Die Landesregierung von Hessen hat ebenfalls die Rechtmäßigkeit dieser Verordnung
angezweifelt und plant, den Weg des Streitverfahrens zu gehen, um diese Verordnung zu Fall zu bringen. Ich glaube, die Abgeordneten, die mit den breiten Massen verbunden sind, die selber aus dem Mittelstand und aus der Arbeiterschaft kommen, sollten sich solchen Methoden der Regierung, weitere Massenbelastungen einzuführen, widersetzen.
Ich möchte Sie ersuchen — das ist auch die Forderung der Menschen, die von diesen Mietpreiserhöhungen betroffen werden —, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.