Rede von
Hugo
Paul
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Ich komme auf die Rede des Herrn Bundesministers der Justiz vom 16. Oktober zurück, die er im bayerischen Rundfunk halten wollte, die dann aber auf Grund der Tagessituation auf Empfehlung des Bundeskanzlers abgeändert wurde. In dieser Rede behauptet der Bundesjustizminister, daß die Gewerkschaften mit ihren überspitzten Forderungen, die sie in der Zeit vor der Währungsreform stellten, an dem damaligen Elend und der mangelhaften Versorgung der Bevölkerung schuld gewesen seien. Der Abgeordnete Euler hat heute genau dasselbe behauptet. Das gleiche
wurde auch auf dem FDP-Parteitag in München dargelegt. Jeder Arbeiter weiß aber, wie die Situation war. Während die Arbeiter für lumpige Groschen arbeiten mußten und die Werktätigen mit einem trockenen Stück Brot in die Grube und in die Stahlwerke gingen, häuften die Großkapitalisten ungeheure Warenmengen an. Das wurde von den damaligen Regierungen gedeckt und von jenen Leuten gutgeheißen, die in der Koalition sitzen, die hinter der Adenauer-Regierung steht. Die Arbeiterschaft wurde um den Gegenwert ihrer Arbeitskraft gebracht. Ich frage: Wo kamen denn die 58 Milliarden DM her, die seit der Währungsreform in der Industrie investiert wurden? Sie kamen aus den Währungsgewinnen der Großkapitalisten, der Schieber, die heute von der Regierungskoalition verteidigt werden, indem man die Gewerkschaften beleidigt, angreift und verdächtigt.
In der Rede des Herrn Bundesjustizministers wird weiter gesagt, daß die Bauarbeiter im vergangenen Sommer gestreikt hätten, während für Tausende von Menschen keine Wohnungen da seien. Jeder Arbeiter weiß aber — und vor allen Dingen wissen es die Bauarbeiter —, daß sie wochenlang eine Erhöhung ihrer Löhne vergeblich gefordert haben. Sie haben es wegen der Preispolitik tun müssen, die die Bundesregierung getrieben hat. Und war es bei der Lohnbewegung der Landarbeiter, bei dem Landarbeiterstreik nicht so, daß diese in Niedersachsen mit den Unternehmern, mit den Großgrundbesitzern um die Erhöhung ihrer erbärmlichen Löhne und Deputate schon monatelang rangen. Waren es nicht die Großgrundbesitzer in Niedersachsen, die immer und immer wieder die berechtigten Lohnforderungen der Landarbeiter abgelehnt haben? Jetzt aber kommt so ein Justizminister her und versucht, die Landarbeiter des Abweichens von dem Wege des Rechts zu zeihen, oder er kommt auf die Kämpfe der hessischen Metallarbeiter zurück und sagt: „Der Kampf der hessischen Metallarbeiter war eine machtpolitische Demonstration". In Wirklichkeit war es so, daß die hessischen Metallarbeiter seit Wochen eine Lohnerhöhung forderten, die der Preisentwicklung entsprach. Wenn die Arbeiter infolge der provokatorischen Haltung des Großunternehmertums nun zu dem Mittel der Arbeitsniederlegung greifen, dann wagt man es, die Bauarbeiter und die Metallarbeiter zu bezichtigen, sie wollten die Wirtschaft stören.
Die Angriffe des Herrn Dehler auf die Sozialleistungen, auf die Renten der Witwen und Waisen, der Kriegsbeschädigten, der Altersrentner, der alten Leute, sind nicht irgendwie ein theoretischer Streit, sondern ihnen liegt die Absicht zugrunde, die auch der Bundesfinanzminister Schäffer gegenüber einem Vertreter des „Fränkischen Tag" äußerte: er werde jetzt als Sparkommissar auftreten und dafür sorgen, daß die zu Unrecht bezogenen Renten abgeschafft würden, damit er seinen sogenannten Verteidigungsbeitrag, d. h. die militärisch-kriegerischen Vorbereitungen, bezahlen könne. Das erklärte der Bundesfinanzminister gegenüber einem Reporter des „Fränkischen Tag" noch im vergangenen Monat.
Das hängt eng mit der Preispolitik der Regierung zusammen; das hängt zusammen mit den Angriffen auf die bestehenden Mieten, mit der beabsichtigten Freigabe der Mieten und mit der Lockerung des sogenannten Mieterschutzes. Alle diese Maßnahmen sind Glieder in der Kette einer volksfeindlichen Politik, einer Politik, die nichts
anderes will, als die ganzen Lasten der verfehlten Politik dieser Regierung auf die Schultern der Werktätigen abzuwälzen, die zum Ziele hat, Geld einzutreiben, aber nicht für soziale Zwecke, nicht für den Wohnungsbau, nicht für die Hebung der Löhne, sondern für die Finanzierung jener Aufträge, die jetzt Herr Adenauer in Paris von seinem amerikanischen Auftraggeber erhalten hat.
Ich sage Ihnen mit aller Deutlichkeit: Die Arbeiterschaft wird sich diese Politik nicht länger gefallen lassen. Die Herren Adenauer und Dehler haben gesagt, man wolle jetzt die Straße gegen sie mobil machen. Die Regierung kann und wird keine Vernunft annehmen. Infolgedessen muß jetzt die Arbeiterschaft — und sie wird das! — in den Betrieben, auf den Baustellen, in den Kohlengruben ihre berechtigten Forderungen anmelden und den Kampf dafür aufnehmen.
Die gesamte Bevölkerung — sie bringt es Tag für Tag mehr zum Ausdruck — wird der Politik der Remilitarisierung und der Ausplünderung Widerstand leisten. Sie wird den Kampf gegen diese volksfeindliche Regierung, die die Remilitarisierung betreibt, verstärken, und sie wird erzwingen, daß eine Regierung kommt, die wirklich Verständnis für die breiten Massen aufbringt. Wir brauchen eine Regierung, die die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes vorantreibt und damit unserem Volke die Kosten der Remilitarisierung, neue Blutopfer, neue Leiden erspart. Wir brauchen eine Regierung, die die Wiedervereinigung Deutschlands anstrebt, damit in Europa und in der Welt den Kriegstreibern das Handwerk gelegt wird und den Völkern der Friede erhalten bleibt.