Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich polemisiere hier nicht gegen die Abgeordneten der Kommunistischen Partei, die ein Regime als Fortschritt bezeichnen, das überall in seinem Bereich die Freiheit und den Wohlstand am gründlichsten vernichtet hat.
Aber ich möchte ein paar Worte zu den Ausführungen des Kollegen Wönner sagen, die, wie ich glaube, nicht nur infolge stimmlicher Indisposition wesentlich milder geraten sinti, als damals sein Angriff über Radio München. Er hat hier noch einmal die Ausführungen auf unserem Münchener Parteitag zitiert und sie als besonders maßlos bezeichnet. Er ist wohl gründlich falsch unterrichtet über das, was ich vor dem Münchener Parteitag zum Gewerkschaftsproblem gesagt habe. Ich stelle Ihnen, Kollege Wönner, meine damaligen Ausführungen sehr gern zur Verfügung, damit Sie sehen, daß Sie wohl gründlich falsch darüber orientiert waren.
Wir bejahen die Gewerkschaftsbewegung. Sie gehört unerläßlich zum demokratischen Rechtsstaat. Es gilt sogar der Satz, daß nur im demokratischen Rechtsstaat eine unabhängige Arbeiter-
und Gewerkschaftsbewegung bestehen kann. Je
mehr der Staat — sei es unter welchen Ideologien — ein totalitäres Gepräge annimmt, um so weniger kann sich die Gewerkschaft dem Beherrschungseinfluß des totalitären Staates entziehen. Wenn Sie heute in die sowjetische Zone blicken, dann, Herr Kollege Wönner, können Sie ja nicht bestreiten, daß wir dort wie überall im sowjetischen Bereich genau dieselbe Entwicklung erlebt haben wie im nationalsozialistischen Staat, nämlich die völlige Abhängigkeit der Gewerkschaft, die dort lediglich ein propagandistisches Mittel für die Verwirklichung der Ideen und Praktiken des totalitären Staates ist.
Nicht also gegen die Gewerkschaft richtet sich unsere Kritik, sondern sie richtet sich gegen ganz bestimmte Tatbestände, gegen ganz bestimmt umrissene Verhaltensweisen, die ich wie auch Kollege Dehler in München genau bezeichnet habe. Wir haben auch in einer Pressekonferenz, die später abgehalten wurde, Wert darauf gelegt, der Presse gegenüber völlige Klarheit zu schaffen, um jegliches Mißverständnis auszuschließen. Ich darf diese vier klaren Tatbestände noch einmal vor diesem Hause scharf umreißen.
Es handelt sich erstens um die Androhung eines rechts- und verfassungswidrigen politischen Generalstreiks, wie wir sie Ende Februar dieses Jahres erlebt haben. Wir halten den politischen Generalstreik im demokratischen Rechtsstaat nur dann für erlaubt, wenn er ein Mittel zur Verteidigung dieses Staates gegen einen Staatsstreich ist.
Es gibt einen politischen Generalstreik, der erlaubt ist, dann nämlich, wenn es sich um die Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs von totalitären, zur Macht strebenden Gruppen handelt. Aber der Generalstreik darf in einem demokratischen Rechtsstaat nicht erlaubt sein, wenn er ein Mittel der Ausübung eines erpresserischen Drucks auf die Legislative sein soll.
Dann wird er ein Mittel zur Beengung des Rechtsstaates und darüber hinaus zur Gefährdung des Rechtsstaates. Dies gilt insbesondere deswegen, weil die Gewerkschaftsorganisation heute jedenfalls die machtvollste Zusammenfassung gesellschaftlicher Kräfte in der Demokratie ist.
Dies zum ersten.
Zweitens haben wir den konkreten Tatbestand angesprochen, daß ein Streik der Erntearbeiter proklamiert wurde in einem Augenblick, als in Hessen und Niedersachsen die Ernte auf dem Halm stand. Ein Streik unter derartigen Umständen,
durch den die ganze Ernte eines Jahres gefährdet und somit ein außerordentlicher volkswirtschaftlicher Schaden unmittelbar verursacht wird, ist ein unverhältnismäßiges Mittel, und unverhältnismäßige Mittel sind in einem Rechtsstaat nicht erlaubt.
Wir haben zum dritten auf den ganz konkreten Tatbestand des hessischen Metallarbeiterstreiks abgestellt insofern, als damals die hessische Metallarbeitergewerkschaft erklärte, sie werde nun die Massenabwerbung junger Fachkräfte ins Ausland als neuestes gewerkschaftliches Kampfmittel einsetzen.
Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ich glaube nicht, daß dieses neueste gewerkschaftliche Kampfmittel, das damals proklamiert wurde, von Ihnen als ein Mittel angesehen werden kann, das von einem besonders hohen Stand nationaler und demokratischer Verantwortung zeugt.
Und zum vierten, meine sehr verehrten Damen und Herren: die Streikfreiheit ist Gott sei Dank in unserer Verfassung gewährleistet, aber nicht der Streikzwang, nicht der Streikterror. Es ist ein außerordentlicher Unterschied zwischen solchen Arbeitern, die sich vor den Fabriktoren als einzelne aufstellen, um ihre Arbeitskameraden auf die Solidarität aufmerksam zu machen, und jenen - und das wurde dann ja auch der Gewerkschaftsleitung bald bekannt — kommunistisch durchsetzten Terrorgruppen, denen gar nicht an einer ordnungsmäßigen Streikabwicklung lag, sondern denen daran lag, Streikterror auszuüben, Streikzwang geltend zu machen und überhaupt nach Möglichkeit einen Aufruhr zu erreichen.
Es handelt sich also um ganz konkrete Tatbestände, die wir als Beispiele dafür angeführt haben, daß das Verhalten der heutigen Gewerkschaftsleitung leider nicht immer und ausnahmslos von einer so ausgeprägten demokratischen Verantwortung zeugt, wie man sie sich gerade in dieser schweren Entstehungszeit eines demokratischen Rechtsstaates wünschen muß. Sie werden mir zugeben: dieser demokratische Rechtsstaat ist noch nicht fundiert, er ist noch in der Geburt begriffen. Ich glaube, alle Kräfte, denen daran liegt, daß er entsteht, müssen sich in einer gemeinsamen Verantwortung zusammenfinden, um in fairer Diskussion die Mängel zur Sprache zu bringen, die sich bald hier, bald dort zeigen mögen.
Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Bazille möchte ich das eine sagen. Herr Justizminister Dehler ist von Ihnen gründlich mißverstanden worden,
ohne daß er dazu einen Anlaß gegeben hätte, wenn Sie sagen, daß er denen, die zu Recht Renten in Anspruch nähmen, dieses Recht bestreiten wolle. Es gilt vielmehr, ihr Recht besser zu gestalten dadurch, daß man es gegen den Mißbrauch der objektiv nicht Berechtigten verteidigt!