Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen.
Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 7. Dezember 1951 beschlossen, den nachfolgenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
Gesetz über das Paßwesen;
Viertes Gesetz zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes;
Gesetz über gesetzliche Handelsklassen für Erzeugnisse der Landwirtschaft und Fischerei;
Gesetz über die Außenhandelsstelle für Erzeugnisse der Ernährung und Landwirtschaft;
Gesetz über die Erhebung von Gebühren durch die Außenhandelsstelle des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten;
Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll und drei Zusatzvereinbarungen;
Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der/Republik Österreich über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll;
Gesetz über das Inkrafttreten von Vorschriften des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande;
Gesetz über die Feststellung von Mindestarbeitsbedingungen;
Gesetz zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes.
Hinsichtlich des Gesetzes zur Anpassung der Facharztordnung für die deutschen Ärzte an die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft und Praxis hat er die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat die Anfrage Nr. 234 der Abgeordneten Strauß, Dr. Jaeger und Genossen betreffend Einstellungsbedingungen für den öffentlichen Dienst — Drucksache Nr. 2855 — am 1. Dezember 1951 beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2930 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 30. November 1951 die Anfrage Nr. 232 der Abgeordneten Hoffmann , Frau Wessel und Fraktion betreffend Auszahlung für Wildschäden in den von den BeSatzungsmächten beschlagnahmten Jagdrevieren — Drucksache Nr. 2827 — beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2931 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat am 28. November 1951 gemäß dem in der 175. Sitzung des Deutschen Bundestages gefaßten Beschluß über die Regelung der Winterbeihilfe berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 2929 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Arbeit hat am 28. November 1951 gemäß dem in der 155. Sitzung des Deutschen Bundestages gefaßten Beschluß über die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 2928 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich die Ehre, die Delegation der Türkischen Großen Nationalversammlung in unserem Kreise zu begrüßen.*)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren! Ich habe die Ehre, Sie namens des Deutschen Bundestages in diesem Hause willkommen zu heißen. Wir sind sehr erfreut, daß Sie unserer
*) Die Ausführungen werden abschnittsweise durch den Dolmetscher ins Türkische übersetzt.
Einladung zu einem Besuche Deutschlands und seines Parlaments Folge geleistet haben. Der unmittelbare Anlaß zu dieser unserer Bitte, eine Anzahl türkischer Volksvertreter nach Deutschland zu entsenden, war die Teilnahme einer Delegation des Deutschen Bundestages an der Tagung der Interparlamentarischen Union in Istanbul. Wir sind dort von den offiziellen Stellen Ihres Staates, insbesondere von dem Herrn Staatspräsidenten und Ihrer Regierung, aber auch von allen anderen Gliedern Ihres Volkes mit einer Herzlichkeit aufgenommen worden, die uns tief bewegt hat. Wir haben dabei empfunden, daß die alten Bande der Freundschaft zwischen der Türkei und Deutschland durch alle politischen Katastrophen hindurch unverändert geblieben sind.
Wir verstehen diesen Ihren Besuch als eine erneute Bestätigung dieser uns beglückenden Tatsache.
Bei unserem Aufenthalt in der Türkei sind wir auf tiefste beeindruckt worden von der ungeheuren Aufbauleistung, die Ihr Volk in wenigen Jahrzehnten vollbracht hat. Ihre Nation ist dadurch in einer erstaunlich kurzen Zeit in die Gemeinschaft europäischer Nationen als ein bedeutsames Glied dieser Gemeinschaft hineingewachsen. Darf ich bei dieser Gelegenheit Ihnen meinen besonderen Respekt bezeugen für die eindrucksvollen Leistungen der Soldaten Ihres Volkes, die im Rahmen der Kämpfer der Vereinten Nationen in Korea in der Verteidigung der Freiheit eingesetzt worden sind.
Sie haben bei Ihrem Besuch in Deutschland nicht nur die parlamentarischen Einrichtungen unseres Staates kennengelernt, sondern auch Stätten der Arbeit, der Wirtschaft und des Handels und werden sie weiter besuchen. Dabei haben Sie gesehen, daß unser Volk auch heute noch große Sorgen bedrücken, die durch alle Erfolge unseres wirtschaftlichen und politischen Aufbaus noch nicht völlig ausgeräumt werden konnten. Wir verstehen unsere politische Aufgabe in diesem Hause und in unserem Volk überhaupt dahin,
daß wir die Voraussetzungen dafür zu schaffen haben, daß immer mehr die verderblichen Ergebnisse der Vergangenheit überwunden werden und die Bahn freigemacht wird für einen weiteren wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg. Die ganz überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes ist der Überzeugung, daß dieses Ziel nur erreicht werden kann, wenn wir eine entschlossene und dauernde Abkehr von den zerstörerischen Ideologien vollziehen, die die Herrschaft in Deutschland an sich gerissen hatten und in den Zusammenbruch unseres ganzen Volkes geführt haben.
Zu einer solchen Überwindung falscher politischer Zielsetzungen gehört für uns, daß wir in eine echte Gremeinschaft der europäischen Völker hineinwachsen, die auf einer gegenseitigen Achtung und Gleichberechtigung beruht. Wir haben immer wieder mit Freude feststellen können, daß die Vertreter Ihrer Nation und unseres Volkes in der Beratenden Versammlung in Straßburg von den gleichen Überzeugungen geleitet werden. Wir hoffen, daß Ihr Besuch dazu beiträgt, unsere gemeinsame Verantwortung in dieser Frage zu fördern. Wir wünschen, mit Ihrem Volk in einer Überwindung überständiger nationaler Abgrenzungen
und in der Schaffung einer echten Föderation der
freien europäischen Völker zusammenzuarbeiten.
Eine solche Zusammenarbeit beruht nicht nur auf Ideen, sondern auch auf nüchternen wirtschaftlichen und politischen Tatsachen. Sie haben auf Ihrer Reise manche Werke der deutschen Wirtschaft besucht und werden das auch noch weiter tun. Bei unserem Besuch in der Türkei haben wir mit Freude festgestellt, wie hoch dort die Achtung vor deutscher Arbeit ist. Wir hoffen darum, daß Ihre Eindrücke dazu dienen werden, den gegenseitigen Austausch unserer Erzeugnisse zu fördern, so daß Deutschland und die Türkei wie einst in einem engen und beide Länder fördernden Austausch ihrer wirtschaftlichen Leistungen stehen. Daß unsererseits alle Anstrengungen gemacht werden, um allen Ansprüchen gerecht werdende Leistungen auf wirtschaftlichem Gebiet zu erreichen, haben Sie bei Ihrem Besuch hoffentlich gespürt.
Ich bitte Sie, der Türkischen Großen Nationalversammlung und ihrem Präsidenten, dem ich für sein Grußwort, das er an mich gerichtet hat, herzlich danke, die Grüße des Deutschen Bundestages zu überbringen, verbunden mit aufrichtigen und herzlichen Wünschen für die weitere erfolgreiche Aufwärtsentwicklung Ihres Volkes und Staates.
Es spricht jetzt der Erste Vizepräsident der Türkischen Großen Nationalversammlung, Landgerichtspräsident von Izmir, Herr Muhlis Tumay.
Muhlis Tumay, Erster Vizepräsident der Türkischen Großen Nationalversammlung *): Herr Präsident! Verehrte Vertreter der deutchen Bundesrepublik! Ich empfinde es als eine ganz besondere Freude, mich zusammen mit meinen Kollegen, die Ihnen die Grüße der Türkischen Großen Nationalversammlung überbracht haben, unter Ihnen zu befinden. Wir wurden in Ihrem Namen von Ihrem geschätzten Präsidenten, der anläßlich der Tagung der Interparlamentarischen Union die Türkei besucht hat, lieb enswürdigerweise eingeladen. Ich schätze den Sinn und die Bedeutung dieses Besuches und möchte meinen besonderen Dank dafür aussprechen, daß Sie mir die Ehre erwiesen haben, in Ihrem Hause das Wort ergreifen zu können.
Ich möchte Ihnen versichern, daß wir uns heute noch unter dem angenehmen Eindruck dieser Fühlungnahme befinden, die vor einer Woche begonnen hat. Wir sind überzeugt, daß sie weiter zu der Fortentwicklung der kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen beitragen wird, die seit sehr langen Zeiten zwischen unseren beiden Ländern bestehen.
Es drängt mich besonders, vor Ihnen zum Ausdruck zu bringen, daß wir von dem Wiederaufbau sowohl auf rein baulichem als auch auf wirtschaftlichem Gebiet überrascht und erfreut sind. Wir freuen uns darüber um so mehr, als das deutsche Volk dies in einer so kurzen Zeit zustande gebracht hat. Das deutsche Volk, das in diesem Maße dazu beigetragen hat, daß das zerstörte Europa nach dem zweiten Weltkrieg wieder langsam ein zivilisiertes Antlitz bekommt, wird auch — davon bin ich überzeugt — bei der Bewahrung
*) Übersetzung der in türkischer Sprache vorgetragenen Ausführungen durch den Dolmetscher.
des Friedens und bei der Schaffung einer internationalen Zusammenarbeit ein wertvolles Element sein.
Daher hoffen wir, daß die Bestrebungen des fleißigen und korrekten deutschen Volkes, die das Ziel haben, den Weltfrieden zu sichern, in Bälde ein glückliches Ergebnis zeitigen werden.
Die aufrichtigen und von innen kommenden Beziehungen, die zwischen der türkischen und der deutschen Nation bestehen, übertreffen noch die Beziehungen, die sich aus den gleichgearteten materiellen und ökonomischen Interessen ergeben. Wir glauben, diese Interessen werden in Zukunft dazu dienen, unseren beiden Völkern mehr Glück zu schenken und die moralischen und kulturellen Beziehungen zu verstärken.
Da wir der Meinung sind, daß die offizielle Fühlungnahme unserer Regierungen allein nicht genügen wird, um die raschere Entwicklung dieser Beziehungen zu sichern, halten wir es für notwendig, daß unsere Völker in jeder Schicht und in jedem Beruf jede Gelegenheit ausnützen, diese Fühlungnahme untereinander herbeizuführen.
Als Delegierte der Türkischen Großen Nationalversammlung, die das türkische Volk repräsentiert, dürfen wir unsere Reise nach Deutschland und unseren Aufenthalt unter Ihnen auch von diesem Standpunkt aus betrachten. Aus diesem Anlaß begrüße ich das Hohe Haus als Vertreter des gesamten deutschen Volkes.