Rede von
Dr.
Otto
Kneipp
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Ich darf an die letzten Ausführungen des Herrn Berichterstatters anschließen, in denen er klar und eindeutig herausgestellt hat, daß sich der Ausschuß ernsthaft bemüht hat, das Gesetz auf die Fälle zu beschränken, in denen es seiner Ansicht nach eine Conditio sine qua non ist, in denen es eben nach Auffassung der großen Mehrheit des Ausschusses angewendet werden muß. Meine politischen Freunde möchten noch eine weitere Einengung dahingehend vornehmen, daß da, wo überhaupt die Möglichkeit des Abschlusses von Tarifverträgen besteht, diese Möglichkeit restlos ausgeschöpft werden muß und, wenn solche Möglichkeiten bestehen, praktisch kein Raum für die Anwendung des Gesetzes ist.
Aus diesem Grunde beantragen wir, in § 1 Abs. 2 Buchstabe a) die Worte „oder nur eine Minderheit der Arbeitnehmer oder der Arbeit-
geber umfassen" zu streichen. Es gibt ja heute noch eine außerordentlich große Anzahl von Berufen, von Arbeiterschichten, von Arbeitgeberschichten, bei denen die Organisation nicht so 100%ig geschlossen ist, bei denen eine Minderheit der Beteiligten — wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen darf — wirklich an dem ganzen Organisationsleben teilnimmt. Dies ist nicht allein die Landwirtschaft, sondern es sind auch z. B. die Gewerkschaften Bau, Steine und Erden, Holz, Leder, Nahrung, Genuß und Gaststätten, Textil und Bekleidung, bei denen eben auch unter 50 % der in Frage kommenden Arbeitnehmer organisiert sind.
Nun bestehen aber bei all den genannten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberschichten entsprechende Verbände, die tariffähig sind und jederzeit in die Lage versetzt werden können, Tarifabschlüsse zu tätigen. Wo also eine solche Möglichkeit auch nur im entferntesten besteht, sollten wir unter allen Umständen den Verbänden diese Möglichkeit, sich zu entwickeln, geben. Wir sollten uns also in einem solchen Fall nicht einschalten.
Das Prinzip des Abschlusses von Tarifverträgen ist ja noch verhältnismäßig jung. Die Sache läuft erst seit 1949. Es ist klar, daß nicht in 2 Jahren all die Wünsche, die damals an die Ausarbeitung des Tarifvertragsgesetzes vom Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes geknüpft worden sind, in Erfüllung gehen konnten. Ich darf Sie deshalb bitten, diesem Antrag in Ziffer 1 des Umdruckes Nr. 351 zuzustimmen.
Herr Präsident, vielleicht darf ich auch gleich meine Darlegungen zu den Ziffern 2 und 3 machen, weil diese sich ebenfalls mit dem § 1 beschäftigen?