Rede von
Dr.
Walter
Zawadil
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich bemühe mich, frei zu sprechen, und ich habe es auch bis jetzt getan.
Eine besondere Sache ist die Tätigkeit der Kommissionen. Ich glaube, dort liegt einer der Hauptgründe für den bisherigen Mißerfolg in der Durchführung des Gesetzes. Die Kommissionen wählen nach wie vor nur arbeitsfähige, möglichst ledige Menschen aus. Die Kommissionen reißen sogar Menschen, die in Arbeit stehen, heraus. Ich weiß, daß Agenten in den Abgabeländern ihr Unwesen treiben — ich muß schon sagen: ihr Unwesen treiben! Sie gehen hin und sagen Leuten, die in Arbeit stehen: „Ich bin Vertreter des und des Betriebes in Rheinland-Pfalz oder in NordrheinWestfalen; wir brauchen Sie als Facharbeiter. Wieviel Lohn bekommen Sie denn hier?" Und wenn der Betreffende die Höhe seines Lohnes angibt, sagt der Werber: „Bei uns können Sie in der Woche 20 bis 30 Mark mehr verdienen, und außerdem geben wir Ihnen eine Wohnung!" So wird gearbeitet! Das soziale Gepäck bleibt in dem gerade so höchst gefährdeten Grenzland zurück. Ich glaube, daß wir allen Grund hätten, gerade in der Nähe des Eisernen Vorhangs die stärksten und widerstandsfähigsten Menschengruppen zu konzentrieren.
Wir tun das nicht; im Gegenteil, wir entblößen das Grenzland und gefährden dadurch auch den Westen, der dann keinen Schutzschild mehr gegenüber dem Osten besitzt.
Die Aufnahmeländer gehen immer von dem Standpunkt aus: „Wir haben euch ja nicht gerufen!" So sagen weite Kreise in den Aufnahmeländern, besonders in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen. Ich verweise auf die Ausführungen in einem Artikel des „Wegweisers", Frankfurt, vom 16. November dieses Jahres.
Ich könnte noch etwas über das Schulwesen im Zusammenhang mit der Umsiedlung sagen und bedaure, daß die Frage von keinem Vorredner angeschnitten worden ist. Mir selbst fehlt die Zeit dazu. Tatsache ist, daß eines der größten Hindernisse für die Umsiedlung das außerordentlich und schon anomal differenzierte Schulwesen in unserer Bundesrepublik ist. Man spricht von 88 Schularten, und was sich in Wirklichkeit darstellt, ist sicher nicht weit davon entfernt. Wir kennen zur Genüge den vergeblichen Kampf, den der Kulturpolitische Ausschuß dieses Hauses mit der Kultusministerkonferenz geführt hat und das vergebliche Bemühen unseres verehrten Kollegen Dr. Edert, das zwei Jahre gedauert hat, endlich auch in den Aufnahmeländern einen fremdsprachlichen Zug zu schaffen, der geeignet ist, die Umsiedlung von den norddeutschen nach den süddeutschen Ländern zu erleichtern.
Es bestehen zwei Möglichkeiten, die in Gefahr befindliche Umsiedlung doch noch zu retten.
Ich meine einerseits die Möglichkeit, das Problem mit finanziellen Mitteln zu lösen. Dabei denke ich an die in Aussicht genommene Regelung, die die Hergabe der gesamten Wohnungsbaumittel des Bundes an eine Umsiedlungsverpflichtung bindet. Meine Fraktion begrüßt diese geplante Regelung. Wir glauben andererseits, daß gerade im Hinblick auf die bisherige Tätigkeit der Kommissionen wie auch im Hinblick auf die wirkliche Verwendung der zur Verfügung gestellten Geldmittel unser vorliegender Antrag sehr dienlich sein kann. Dieser Antrag will, lediglich zweckgebunden für die Umsiedlung, bundeseigene Mittel- und Unterbehörden schaffen. Haben Sie keine Sorge, es handelt sich nicht um die Schaffung neuer Behörden. Die Flüchtlingsbehörden existieren bereits. Sie sollen jedoch mit den nötigen Vollmachten ausgestattet werden, die es ihnen erlauben, erstens die Tätigkeit der Kommissionen etwas ins Auge zu fassen und zweitens auch die zweckgebundene Verwendung der Mittel zu beaufsichtigen. Die Herren von der Bayernpartei brauchen keine Sorge zu haben, daß damit vielleicht ein Präzedenzfall geschaffen wird und ein Eingriff in den Föderalismus erfolgt. Ich glaube, wenn wir den Antrag annehmen, dienen wir dem föderativen Gedanken mehr als durch irgend etwas anderes; denn der föderative Gedanke würde sich dann so auswirken, daß das Gemeinschaftliche in allen Ländern zum Durchbruch kommt. Wer wirklich dem föderativen Gedanken dienen will, muß einen solchen Antrag bejahen. Im übrigen brauchen die Aufnahmeländer vor einem solchen Gesetz, das der Antrag herbeiführen will, keine Angst zu haben; ich nehme an, daß diese Länder in Sachen Umsiedlung ein recht gutes Gewissen haben.
Mir scheint, es ist nicht zweckmäßig, den Antrag erst einem Ausschuß oder irgendwelchen Ausschüssen zu überweisen. Wir könnten daraus auch nicht mehr machen, als im Augenblick schon an Hand des Art. 87 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes konkret gesagt ist. Eher sollten wir, um die Dinge zu beschleunigen — und darum bitte ich Sie —, jetzt sofort darüber abstimmen und den Antrag der Bundesregierung überweisen. Es könnte dann auf Grund der Gesetzesvorlage der Regierung in den zuständigen Ausschüssen näher darüber beraten werden.