Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Herren Abgeordneten Tichi und Stech ist der schwere Vorwurf gegen die Bundesregierung er-
hoben worden, sie sei am Zusammenbruch der Umsiedlung schuld. Das entspricht nicht der Wahrheit. Wie sieht denn die Wirklichkeit aus? Der Bund besteht seit dem September 1949. Im November 1949 hat der Herr Bundesminister für Vertriebene eine Verordnung erlassen, die die Umsiedlung von 300 000 Vertriebenen im Jahre 1950 vorsah. Bis zum Ende des Jahres 1950 waren 236 187 Personen umgesiedelt,
bis zum 31. Oktober 1951 waren 281 000 umgesiedelt; der Rest von 18 900, rund 19 000, wird noch herankommen.
Woran liegt es, daß sich eine solche Aktion über Jahr und Tag hinzieht? Das liegt allein an der Technik der Durchführung des Wohnungsbaues. Sie können im großen und ganzen — das mag im Jahre 1950 noch etwas leichter gewesen sein; da war vielleicht da und dort noch brauchbarer Altbauwohnraum vorhanden — nur ebenso viele Leute umsiedeln, wie Sie Wohnungen für sie bauen.
Nun müssen Sie, um Wohnungen bauen zu können, die Mittel bereitstellen. Die Mittel, die wir aus den verschiedenen Fonds bereitstellen können — und wir haben im Jahre 1950 zugunsten der Umsiedler sehr tief in die Bundesfonds hineingegriffen —, sind nur ein Teil der Finanzierungsmittel; die anderen Mittel müssen beschafft werden. Sie müssen damit rechnen, daß von der Verteilung der Mittel an die Länder bis zum Bewilligungsbescheid drei bis fünf Monate vergehen. Man mag diese Zeit zu lang finden, man mag es verbessern können; wir müssen zunächst mit der Tatsache rechnen. Der Bau dauert unter günstigen Umständen neun Monate. Das heißt, daß von der Bewilligung der Mittel bis zum fertigen Bau ein Jahr vergeht, und wenn Schwierigkeiten auftauchen, mag gelegentlich noch etwas mehr Zeit vergehen.
Wie sieht es mit der Umsiedlung im Jahr 1951 aus? Das Gesetz, das alle Parteien des Hohen Hauses einstimmig beschlossen haben, stammt vom Mai dieses Jahres. Leider enthält das Gesetz keine Bestimmung über die Finanzierung der Umsiedlung. Das hat die Bundesregierung, und zwar die beteiligten Ressorts, meinen Herrn Kollegen Lukaschek und mich, keineswegs gehindert, schon vor Erlaß des Gesetzes Mittel bereitzustellen. Wir haben im Januar aus Bundeshaushaltsmitteln 50 Millionen bereitgestellt, aus Soforthilfemitteln einschließlich der Reserven aus den Umstellungsgrundschulden im Februar 95 Millionen, aus Soforthilfemitteln im Juni wieder 51 Millionen, im Oktober 43 Millionen DM. Dazu kommen noch Mittel, die dieses Jahr nötig waren als Eigenkapitalersatz und als erste Hypotheken in Höhe von 47 Millionen DM. Für die Binnenumsiedlung innerhalb der Flüchtlingsländer kommen noch einmal 43 Millionen DM hinzu. Mit dem Aufwand dieser Mittel — Sie brauchen sich nur die Bewilligungsdaten auszurechnen und die Zeiten hinzuzuschlagen — werden von den vorgesehenen 300 000 Umsiedlern 200 000 bis Spätsommer nächsten Jahres umgesiedelt sein.
Das sind die Tatsachen. Von einem Zusammenbruch der Siedlung und von einer Verhinderung der Umsiedlung durch die Bundesregierung kann mit gutem Gewissen kein Mensch sprechen. Ich würde den Kollegen Stech doch bitten, sich einmal
bei seinen Freunden in Hamburg, Mannheim oder Wiesbaden zu erkundigen, wie die Dinge in Wirklichkeit aussehen.
Ich glaube, es würde Ihnen, wie man in Hamburg sagt, dort „Bescheid gestoßen" werden, so daß Sie hier etwas zurückhaltender in Ihren Reden sein würden.
Meine Herren, das Wohnungselend ist fürchterlich. Es trifft sicherlich die Flüchtlinge am meisten. Ich habe gar nichts mehr hinzuzufügen zu der Feststellung, daß man die Flüchtlinge nur umsiedeln kann, wenn man sie in Arbeit bringt. Das ist bei all den Leuten, die bisher umgesiedelt worden sind, gelungen, und das war ein großer Erfolg. Aber ich muß hier als Wohnungsbauminister aussprechen: Es gibt auch noch andere Leute, die in fürchterlichem Wohnungselend wohnen: Nur zwei Zahlen zum Vergleich. Wir haben noch 350 000 Flüchtlinge in Barackenlagern; aber wir haben im ganzen Bundesgebiet 500 000 als Notwohnungen bezeichnete Unterkünfte, d. h. 2 Millionen Menschen, die in Baracken, Bunkern, Kellern oder in anderen menschenunwürdigen Wohnungen leben und an die wir auch denken müssen.
Deswegen richte ich die Bitte an das Hohe Haus, nicht unberechtigte Vorwürfe gegen die Bundesregierung, die Länder oder gegen irgend jemand zu erheben und nicht jemanden die Schuld zuzuschieben, der keine Schuld hat, sondern gemeinsam den Weg zu suchen, wie wir diesen Menschen helfen können. Helfen können wir ihnen nicht mit Reden, aber mit Wohnungsbau.