Rede von
Josef
Becker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das in dem Antrag der KPD angesprochene Problem ist nicht ein Problem der Gemeinde Schweigen allein,
sondern es handelt sich hier um ein echtes Grenzlandproblem.
Obwohl die Gemeinde Schweigen hier mit am stärksten beteiligt ist, ist diese Angelegenheit besonders akut in den südpfälzischen Grenzkreisen Bergzabern, Germersheim, Pirmasens und Zweibrücken, darüber hinaus insbesondere noch in einigen Kreisen an der luxemburgischen Grenze.
Nach einer Aufstellung der Landwirtschaftskammer Pfalz gibt es in den vorhin genannten vier Grenzkreisen in 23 Grenzgemeinden 452 Betriebe, die insgesamt etwa 522 ha Eigentum, unterteilt in Ackerland, Rebland und Wald, hart jenseits der Landesgrenze in Elsaß-Lothringen besitzen. Es war nach 1945, wie schon gesagt, nicht möglich, dieses Eigentum zu bewirtschaften. Noch in diesem Sommer waren etwa 247 ha der Nutzung durch deutsche Eigentümer entzogen und standen unter Sequester-Verwaltung, die diese Grundstücke und Ländereien anderweitig verpachtet hat. Eine starke Unsicherheit und Unruhe entstand bei unseren Grenzbauern durch die Bekanntmachung der Alliierten, das deutsche Auslandsvermögen zu liquidieren. Es ist bekannt, daß auch das jenseits der Grenze gelegene bäuerliche Eigentum als deutsches Eigentum im Auslande gilt. Dieses Eigentum ist nach dem von den Alliierten beschlossenen Potsdamer Abkommen und nach dem Reparationsabkommen vom 14. Januar 1946 zu liquidieren. Wenn ich mich nicht ganz täusche, war bei diesen Abkommen auch die Sowjetrepublik mit tätig, und ich glaube, sie hat von diesen Abkommen wohl schon recht deutlich und merklich Gebrauch gemacht.
Soweit die Rechtslage, die uns eindeutig erkennen läßt, wie wenig Einfluß deutsche Stellen in dieser Frage haben. Und doch kann man hier sagen, daß sowohl die Landesregierung von RheinlandPfalz als auch die Provinzialregierung der Pfalz und die unteren Verwaltungsbehörden seit Jahren mit gutem Erfolg mit den französischen Behörden verhandelt haben. Diese Verhandlungen sind noch im Fluß, und sie versprechen meines Erachtens viel mehr Erfolg als große öffentliche Aktionen, die eher störend als fördernd wirken.
Von großer Bedeutung sind bei der Lösung dieser Probleme die gutnachbarlichen Beziehungen der Grenzbevölkerung von diesseits und jenseits der Grenze, die seit Generationen recht eng und zum Teil sogar verwandtschaftlicher Natur sind. Nur ein Beispiel! Die erste Landversteigerung, die vor einiger Zeit auf Grund des vorhin genannten Reparationsabkommens vorgenommen wurde, fand in der Gemeinde Schweigen statt. Bei 22 von 28 ausgebotenen Losen verlief die Versteigerung ergebnislos; die 6 versteigerten Lose gehörten Leuten, die nicht bzw. nicht mehr im Grenzgebiet wohnen. Es besteht auf Grund entsprechender Zusagen die begründete Hoffnung, daß keinerlei Grundbesitz mehr versteigert wird, dessen Eigentümer innerhalb der 10-km-Grenzzone wohnen.
Der Verlauf der bisherigen Verhandlungen :und ihre Ergebnisse lassen erkennen, wie durch friedliche Vereinbarungen, gestützt auf den beiderseitigen guten Willen der Grenzbevölkerung, auch schwierige Probleme gemeistert werden können.
Meine Damen und Herren! Das Weintor in Schweigen liegt hart an der Grenze zwischen Deutschland und Frankreich, und vom Weintor aus beginnt die deutsche Weinstraße, die quer durch die Pfalz zieht. Vom Weintor aus sehen Sie die Umrisse des Straßburger Münsters, und in den Räumen des Weintors trifft sich die Bevölkerung von diesseits und jenseits der Grenze zu ernsten Gesprächen. Auch amtliche Beratungen und Besprechungen haben hier schon stattgefunden, und wir hegen deshalb die Hoffnung, daß die im Augenblick noch in Gang befindlichen und in Sichtweite des Straßburger Münsters stattfindenden Verhandlungen über diese Grenzlandprobleme in europäischem Geiste verlaufen und zu engerer Zusammenarbeit auch auf der großen europäischen Ebene beitragen.