Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schweigen — zur Klarstellung im Sinne der Drucksache Nr. 2696 — ist nicht das Schweigen der Opposition gegenüber einer Staatsgewalt, die von außen gestützt wird und sich gegen das eigene Volk wendet. Schweigen, meine Damen und Herren,
ist nicht das Schweigen jenseits einer Grenze, die wir nicht anerkennen, Schweigen ist in diesem Falle ein Dorf — das ist schon gesagt worden — an der deutsch-französischen Grenze, an einer echten Grenze, die zwar nicht natürlich ist, die aber zwischen den beiden Völkern vertraglich festgelegt wurde, an einer Grenze, die wir anerkennen.
Aber dieses Schweigen liegt auf dem Wege nach Straßburg, dieses Schweigen liegt am Wege nach Europa. Die Bauern dieses kriegszerstörten Dorfes
sehen, daß die Delegierten durch Schweigen nach Straßburg fahren. Sie machen sich wohl Gedanken über dieses kommende Europa, an das sie nicht mehr zu glauben vermögen nach all dem, was sie als Beispiel erlebt und seit sechs Jahren durchgemacht haben. Sie wissen, daß die Nation, die so laut von der europäischen Gemeinschaft spricht, in Wirklichkeit an der eigenen Grenze bisher so wenig tat, um diesen Weg wenigstens im kleinsten Raume zu gehen.
Die Grenze bei Schweigen ist nicht natürlich. Hüben und drüben sprechen die Menschen die gleiche Sprache. Der Besitz verteilt sich diesseits und jenseits der Grenze, bedingt durch Erbschaften, durch Heiraten und Verwandtschaften. Der französische Bauer hat immer seinen Besitz diesseits der Grenze bestellt, wie auch der deutsche Bauer seinen Besitz jenseits der Grenze beackert hat und wie er dort geerntet hat. Das war immer so; aber seit 1945 hat sich das gewandelt. Der französische Bauer bewirtschaftet zwar seinen Besitz diesseits der Grenze auf deutschem Boden nach wie vor, aber er beackert auch noch den deutschen Besitz jenseits der Grenze.
Meine Damen und Herren! Das ist ja nicht nur in Schweigen so. Es ist in unzähligen Orten an anderen Grenzen genau so. Wir haben auch an der luxemburgisch-deutschen Grenze erlebt, daß deutscher Boden, deutscher Privatbesitz beschlagnahmt wurde. Man hat aber kein Recht, deutschen Privatbesitz zu beschlagnahmen, um ihn zu veräußern. Man kann auch nicht den Erlös aus dem Verkauf oder den Ertrag aus der Benutzung dieses Bodens gegen deutsche Auslandsschulden aufrechnen, wie das nun geschehen soll.
Wie es hier ist, so ist es an anderen Stellen der deutschen Grenze auch. Der Antrag der Kommunisten rennt insoweit offene Türen ein, als er verwaltungsmäßige Bemühungen fordert, die bereits seit vier Jahren laufen. Seit vier Jahren sind auf Veranlassung des Regierungspräsidenten der Pfalz Bemühungen der beiden Regierungen im Gange.
Allein bei der Gemeinde Schweigen liegen 265 ha jenseits der Grenze. Von diesen 265 ha sind bisher den Schweigener Bauern 50 ha zur Nutzung zurückgegeben worden. 2 1/2 ha sind aber versteigert, sind verkauft worden, und der Erlös ist in die französische Kasse geflossen. Es ist vorgesehen — das ist beachtlich —, in den nächsten Wochen weitere 6 ha zu versteigern. Nach Rückgabe von 50 ha bleiben noch etwa 215 ha, von denen man sagt, daß sie nach Beendigung des Kriegszustandes den Schweigener Bauern zurückgegeben werden sollen. Der kleine Grenzverkehr ist zwar wiederhergestellt, aber die Möglichkeit, den eigenen Besitz zu bewirtschaften, ist deshalb noch nicht gegeben, weil für viele Familien der volle Besitz jenseits der Grenze liegt.
Nun glaube ich nicht, daß man mit der Annahme des Antrages den Leuten dienen kann, weil wir ja über Schweigen hinaus an die Orte und Grenzen denken müssen, die unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen leiden. Wir beantragen deshalb, den Antrag auf Drucksache Nr. 2696 dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu überweisen. Dort soll er eingehend bearbeitet werden. Dann könnte sich die Bundesregierung in Verhandlungen mit den anderen Ländern beweisen lassen, daß sie bereit sind, einen Weg mitzugehen, den zu gehen in der europäischen Gemeinschaft notwendig ist. Sonst müßten wir befürchten, daß der Weg nach Europa bereits in Schweigen endet.