Meine Damen und Herren! Die mehr oder weniger humorvolle, satirisch aufgemachte Kritik einiger Mitglieder der Koalition an der Finanzpolitik des Bundesfinanzministers ist bewußt an der Tatsache vorbeigegangen, die der Herr Bundesfinanzminister bei der Begründung dieser Vorlage hier dem Hause dargelegt hat, an den eigentlichen Hintergründen seiner gesamten Finanz- und Steuerpolitik. Auch der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion ist auf diese Frage nicht eingegangen. Aber ich glaube, es ist notwendig, davon auszugehen, uni überhaupt zu verstehen, warum der Herr Bundesfinanzminister mit dieser Vorlage an das Haus kommt, uni weitere 100 Millionen DM hereinzuholen, die er für die Abdeckung seines Etats benötigt. Ich möchte in diesem Zusammenhang zunächst nicht auf seine optimistische Einschätzung der Steuereingänge ein- gehen. Es ist klar, daß die Höhe der Steuereingänge zum Teil von der Entwicklung der Wirtschaft abhängt. Man wird aber wohl kaum der Meinung sein können, daß die optimistischen Schätzungen, die der Herr Bundesfinanzminister gegeben hat, der Realität entsprechen.
Wesentlich ist, daß die Vorlage betreffend die Aufwandsteuer, entgegen den Interessen der deutschen Steuerzahler, durch diejenige Stelle bestimmt worden ist, die den Herrn Bundesfinanzminister nicht nur berät, sondern ihm die entsprechenden Weisungen erteilt. Der Herr Bundesfinanzminister hat doch bei jeder Steuervorlage, die er eingebracht hat, zur Begründung der von ihm vorgeschlagenen Steuererhöhungen erklärt, daß die geforderten Mittel im Interesse der Leistung eines Verteidigungsbeitrages von der Bevölkerung aufgebracht werden müßten. Auch heute hat der Herr Bundesfinanzminister wieder dieselbe Begründung gebracht. Entgegen der historischen Tatsache glaubte er noch einmal die wahrheitswidrige Behauptung auftischen zu müssen,
daß dieser sogenannte Verteidigungsbeitrag aufgebracht werden müsse, weil eine Gefahr aus dem Osten drohe. Es hat sich allmählich herumgesprochen, daß eine solche Bedrohung aus dem Osten nicht vorhanden ist. Man will mit dieser Behauptung die tatsächlichen Aggressionsabsichten der amerikanischen Milliardäre verdecken und unser Volk für Aufrüstungsleistungen bereit machen. Wäre die Annahme des Herrn Bundesfinanzministers richtig, dann dürfte doch der Herr Bundesfinanzminister heute nicht mehr hier sitzen, genau so wie wahrscheinlich auch dieses Haus nicht bestehen würde.
Daß wir hier sind, haben wir allein dem Friedenswillen der Sowjetunion zu verdanken.
Wenn der Herr Bundesfinanzminister, im Gegensatz zum Bundesrat, auf dieser Aufwandsteuer beharrt, tut er es ja nicht deswegen, weil er die anderen Steuervorschläge nicht auch durchbringen möchte. Ihre Taktik, Herr Bundesfinanzminister, ist doch vielmehr die, daß Sie die Aufwandsteuer jetzt durchbringen wollen, weil Sie in dem nächsten Jahre, wenn entsprechend den Washingtoner Beschlüssen die Aufstellung der deutschen Divisionen akut geworden ist, die anderen Steuervorschläge,
die im Bundesrat auch erwogen werden, aufgreifen wollen, um die erforderlichen neuen Milliarden für die deutschen Divisionen in der sogenannten Europa-Armee für Ihren Angriffskrieg gegen den Osten aufbringen zu können.
Deswegen beharren Sie auf dieser Steuervorlage.
Ich brauche auf Einzelheiten dieser Aufwandsteuer nicht einzugehen. Ob es sich um Fotoapparate, um Filme oder Rundfunkapparate, um Beleuchtungskörper aus Metall, Drehbleistifte, Feuerzeuge oder Motorräder über 100 ccm handelt, ob es sich weiter um Decken und Schläuche, um Aktentaschen, um Kakaoerzeugnisse oder Süßwaren handelt, - gleichgültig, was in diesem Katalog steht: Sie werden nicht begründen und beweisen können, Herr Finanzminister, daß die hier aufgeführten und in Ihrem Katalog enthaltenen Erzeugnisse als Gegenstände des gehobenen Bedarfs zu bezeichnen sind.
Wir lehnen diese Aufwandsteuer in ihrer Gesamtheit ab, und zwar vor allen Dingen deswegen, weil diese 100 Millionen dazu dienen sollen, dieses Loch, das insbesondere durch die wahnsinnigen Besatzungskosten in Ihrem Haushalt entstanden ist, zu stopfen.
Es wurde von der Frage der Steuermoral gesprochen. Nun, Herr Kollege Dr. Wellhausen, warum stimmen Sie nicht der alten Forderung auf Offenlegung der Steuerlisten zu? Das ist der beste Weg, um zur Hebung der Steuermoral einen positiven Beitrag zu leisten.
Aber gestatten Sie mir, aus der Fülle der Zuschriften von den in Frage kommenden Kreisen ganz kurz auf einige einzugehen. Der Herr Bundeskanzler hat auf dem Parteitag der CDU davon gesprochen, daß er die Interessen des Mittelstandes mehr berücksichtigen und besser wahrnehmen wolle. Diese Vorlage ist aber ein ausgesprochener Schlag gegen den Mittelstand. Ich glaube, man braucht aus der Erklärung der Zentralarbeitsgemeinschaft für das Verkehrsgewerbe nur eine Stelle herauszugreifen. Es heißt dort in der Entschließung:
Die Vernichtung Zehntausender von Existenzen des Mittelstandes und eine Vermehrung der Arbeitslosigkeit würden die Folgen solch einer Besteuerung sein.
Das trifft absolut zu. Ich führe weiter die Stellungnahme des Betriebsrates der Agfa-Kamera-Werke in München an, der sich mit aller Entschiedenheit gegen diese Aufwandsteuer wendet und darauf hinweist, daß die Folgen für das Werk die Einschränkung des Absatzes und eine daraus resultierende Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit sein würden. Ferner hat die Gewerkschaft Leder in einem Schreiben zum Ausdruck gebracht:
Die Krisenlage in der Schuh- und Lederindustrie ist nach unserer Auffassung in erster Linie dem Mangel 4n Kaufkraft bei der werktätigen Bevölkerung zuzuschreiben, und die von Ihnen geplante Steuer beschneidet diesen Kaufkraftmangel in einer unseres Erachtens nicht zu verantwortenden Weise.
Ich glaube, man braucht diesen Worten nichts hinzuzufügen. Diese Steuervorlage würde, wenn sie Wirklichkeit würde, zu einer weiteren Verschärfung der Lage des Mittelstandes und aller Verbraucher führen. Sie werden mir bestätigen müssen, daß die Umsätze im Einzelhandel seit März dieses Jahres ständig sinken. Die Folge dieser Entwicklung werden zunehmende Kurzarbeit und
Arbeitslosigkeit vor allen Dingen in diesen Konsumgüterindustrien sein.
Ich glaube, meine Damen und Herren, die Frage, wie dieser Politik und ihren Auswirkungen allein eine Wendung gegeben werden könnte, hat die Fachgruppe Rundfunk der Elektro-Innung Bremerhaven in einem Telegramm an alle Fraktionen beantwortet, in dem sie sich nicht nur gegen diese Aufwandsteuer wendet, sondern zugleich auch sagt und zeigt, wie ihr entgegengetreten werden kann, wie diese Belastung unseres Volkes verhindert und eine Politik durchgeführt werden kann,
die den Interessen unseres Volkes wirklich dient.