Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ausmaß der Unruhe, die seit Monaten in der Angelegenheit, zu der ich spreche, das deutsche Volk durchzieht, die Quantität und die Qualität der bisherigen Diskussion — nicht in diesem Hause — machen es mir nicht möglich, mich so kurz zu fassen wie bisher meine Freunde von der CDU. — Ich glaube nicht, daß die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers diesem Hause etwas Neues gebracht haben. Eine Etatrede haben wir ja schon bei der Beratung des Haushalts gehört. Ich glaube aber, daß ich doch versuchen müßte, einen positiven Beitrag zu dieser Diskussion zu leisten, womit mich meine Freunde beauftragt haben, und erlaube mir daher, einige allgemeine Ausführungen vorauszuschicken.
Die Diskussion hat in oft erschreckender Weise gezeigt, daß die Einstellung des deutschen Volkes zu der unumgänglichen Notwendigkeit, Steuern zu zahlen, schlecht ist und vielleicht noch immer schlechter wird. Woraus ist das zu erklären? Es gibt eine Fülle von Gründen. Auch wenn ich nicht bis zu den seligen Zeiten der preußischen Einkommensteuer zurückgehe — und das will ich nicht —, so muß ich doch mindestens bei 1933 anfangen und Sie daran erinnern, welche Erfahrungen jeder Steuerzahler in Deutschland, vom kleinsten bis zum größten, mit dem ebenso grandiosen wie verbrecherischen Mißbrauch der Steuereinnahmen gemacht hat. Als wir am Ende des „tausendjährigen" Reiches darüber hinweggekommen waren, kamen die Alliierten mit ihrem Kontrollratsgesetz und verschlechterten, wie wir uns alle erinnern werden, das Bild noch mehr. Diese Methode der Alliierten, die leider zu einigen anderen damaligen Methoden der Alliierten paßte, haben wir in übelster Erinnerung.
Von der Zeit an, als das heutige Gebiet der Bundesrepublik zum erstenmal im Wirtschaftsrat ein wenig zu Worte kam, insbesondere aber vom Tage der Währungsreform an ist es unsere erste Pflicht gewesen, hier zu bessern. Aber Sie werden mich fragen: Was hat denn dies der erwähnten Einstellung des Deutschen zum Steuerzahlen geholfen? Ich muß Ihnen offen bekennen: es hat sehr wenig geholfen. Ich glaube nicht, daß solche Gefühle, wie sie das Dritte Reich mit seinem unerhörten Mißbrauch erzeugt hat, so schnell aus den Tapeten wieder verschwinden. Wir haben zudem seit dem Zusammentritt dieses Bundestages sehr häufig Überraschungen durch die Alliierten erlebt, die ebenfalls nicht dazu angetan waren, die Steuermoral — ein etwas abgegriffenes Schlagwort — zu heben. Das gehört auch in das Gespräch mit den Alliierten über die Notwendigkeit, die Stärke dieses Staates zu erhöhen.
Von den Einflüssen des Weltmarktes und vieler weltpolitischer Ereignisse will ich in diesem Zusammenhang gar nicht sprechen. Aber ich möchte, daß wir uns an die eigene Brust schlagen und uns daran erinnern — und zwar nicht nur in dieser Stunde —, daß wir selbst in unserer Interessentenpolitik viel zu weit gehen.
Sehen Sie, in Gegenwart des höchsten Repräsentanten dieser Republik . hat vor wenigen Tagen
in einer Nachbarstadt eine Feierstunde eines
Berufsverbandes stattgefunden, eines sehr ehrenwerten und in seinen Zielen von mir durchaus bejahten Berufsverbandes. Der Vorstand hatte das
Wagnis unternommen, einen Professor des Steuerrechts als zweiten Redner — das war schon vorsichtig — sprechen zu lassen. Dieser Redner hat darauf hingewiesen, daß nicht alle Wünsche eines solchen Fachverbandes in Erfüllung gehen könnten, und sehr bald hat in Gegenwart des höchsten Repräsentanten dieser Republik ein erhebliches Scharren angefangen. Ich möchte glauben, daß dies zumindest ein schlechter Stil ist; es ist aber doch wohl mehr als das: es ist der Ausfluß der übertriebenen Interessentenpolitik. Wenn wir diese Überinteressenten also in geeigneter Form und bei geeigneter Gelegenheit an die Hammelbeine kriegen könnten, so wäre ich damit durchaus einverstanden.
— Das ist zu einfach, Herr Renner.
Was können wir aber sonst tun, um die Steuermoral
zu heben? Zunächst einmal hat ja nun dieser Bundestag mehr getan, als meistens der breiten Öffentlichkeit mitgeteilt oder bekannt wird. Er hat doch durch wesentliche Gesetzgebung die Zahl der Verneiner dieses Staates nicht unwesentlich verringert. Denken Sie an die Kriegsopferversorgung, denken Sie an das Gesetz zu Art. 131. Ich gehöre zu den Optimisten, die annehmen, daß sich das auch einmal in den Dingen auswirkt, von denen ich jetzt spreche, nämlich in der Steuermoral, nicht nur im Steuerertrag.
Dann haben meine Freunde, um in das Steuerwesen eine Ordnung, eine einheitliche Linie zu bringen, einen Vorschlag gemacht, den man als Föderalist nun nicht so einfach — das ist wirklich zu einfach — als hoffnungslosen Fall ansehen kann. Ich meine unseren Antrag zur Bundesfinanzverwaltung. Besonders wenig passend finde ich es, wenn jemand neulich diesen als eine politische Sonntagsjägerei bezeichnet hat.
Steuermoral ist ja nicht einseitig, sondern es ist nötig, daß auch der Staat in seinen Gesetzen moralischen Begriffen zum Durchbruch verhilft.
Nicht nur in der Gesetzgebung, sondern auch in der Steuereintreibung fehlt es hieran, glaube ich, nicht selten. Ich könnte darüber sehr ausführlich sprechen, aber Sie würden dann wahrscheinlich sagen, er kommt nicht zum Thema.
Wir haben mit unserem Vorschlag über die Bundesfinanzverwaltung Wege aufgezeigt und werden sie in der Ausschußberatung weiter aufzeigen, die zu einer besseren Verwaltung, zu einer besseren Erfassung, zu einer einheitlicheren Handhabung des ganzen Steuerwesens führen. Auch die Wirtschaft braucht, wenn sie steuerehrlich ist, vor einer besseren Überprüfung der Steuern nicht zu erschrecken.
Denn in dieser Beziehung fehlt es absolut. Es fehlt aus einem Sondergrund, meine Damen und Herren, der, glaube ich, in diesem Hause noch nicht hervorgehoben worden ist: die Fachleute dieser Buch- und Betriebsprüfer haben fast alle — wie nennt man das? — ein anderes Hemd angezogen. Sie sind nämlich nicht mehr beim Staate. Herr Reinhardt hatte sie in irgendwelchen Kursen, z. T: auf Ordensburgen geschult; infolgedessen flogen sie beim Zusammenbruch hinaus. Sie sind heute bei den Steuerpflichtigen tätig. Es ist ein miserables Geschäft, das der Staat in dieser Beziehung gemacht hat.
Unser Finanzminister war, glaube ich, nicht beteiligt. Den hatten inzwischen die Amerikaner als bayerischen Ministerpräsidenten schon wieder nach Hause geschickt.
Er ist also davon nicht betroffen. Es ist aber ein miserables Geschäft, und ich empfehle Ihnen, solche Schulungskurse — nicht auf Ordensburgen, wenn es irgend geht — so schnell und so gut wie möglich wieder einzuführen.
Ich bitte Sie, es mir zu erlassen, diese Dinge noch weiter auszuführen, denn ich habe mich erst vor kurzem in einer Rede zum Etat über das, was uns, generell gesprochen, an dem Herrn Finanzminister nicht gefällt, sehr ausführlich geäußert. Seine Reaktion war schwach, sagen wir mal höflich. Er hat sich auf die Unvollkommenheit des Menschen zurückgezogen und dann gesagt: Je unvollkommener ich bin, desto vollkommener muß dieses Haus sein. Das war, glaube ich, eine Retourkutsche, wenn ich mich so ausdrücken darf.
Statt nun auf dem Wege, den ich versucht habe, wieder ein wenig anzutönen, voranzuschreiten, wird uns heute die Aufwandsteuer vorgelegt, keineswegs zum erstenmal, wie Herr Bertram auch schon sagte.
Der selige Wirtschaftsrat hat am 3. Februar 1949 — wir nähern uns also dem dreijährigen Jubiläum der ganzen Angelegenheit — ein Gesetz zur Besteuerung besonderen Aufwands vorgelegt, das an der Zusammenstellung eines Katalogs gescheitert ist. Nach eineinhalb Jahren hat der Bundesrat von der Bundesregierung im Juli 1950 ein Gesetz zur Besteuerung besonderen Aufwands — also wörtlich genau so — bekommen. Das hat der Bundesrat angenommen. Die Bundesregierung hat es mit Änderungen hier eingebracht, und hier fand am 5. Oktober 1950 eine erste Lesung statt. Ich könnte fast wörtlich jetzt im weiteren das hier erzählen, was mein Freund Hoepker-Aschoff — nachzulesen im Protokoll — damals gesagt hat. Das will ich aber nicht tun, damit es Ihnen nicht langweilig wird.
Am 12. Oktober 1950 hat sich dann der Finanzausschuß mit der Sache beschäftigt. Er hat die Aufwandsteuer kurzerhand abgelehnt. Von der berühmten und berüchtigten Spesenabgabe — das war der zweite Teil des damaligen Gesetzes — hat er gesagt, sie solle in das Einkommensteuergesetz eingearbeitet werden. Gott hat es leider gefügt, daß es inzwischen in einer schildbürgerlichen Weise auch dazu gekommen ist. Sie kennen das ja alles. Die Witzblätter, leider auch diese komischen Conférenciers, werden sicherlich Gelegenheit nehmen, sich ausführlich damit zu beschäftigen. Das können wir ja abwarten.
Damit aber nicht genug. Im Februar 1951 hat dann die Bundesregierung ein Gesetz verabschiedet, das nunmehr hieß: Sonderumsatzsteuer auf
Süßwaren und andere Gegenstände des entbehr- lichen Verbrauchs. Das ist aber dem Bundesrat schon gar nicht mehr vorgelegt worden. Ich weiß nicht, ob die massiven Bedarfsträger der Süßwaren das verhindert haben oder wie das damals gekommen ist.
Die Bundesregierung hat dann im Mai 1951 dem Bundesrat ein Sonderumsatzsteuergesetz vorgelegt, und das hat der Bundesrat am 8. Juni 1951 wieder abgelehnt. Schließlich hat sich die Bundesregierung am" 28. Juni 1951— Sie sehen, es ist schon eine ziemliche Leidensgeschichte — noch einmal auf diesen Entwurf zurückgezogen und hat versucht, den Finanzausschuß dafür zu gewinnen. Der Finanzausschuß hat aber die Beratung abgelehnt.