Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion stelle ich den Antrag, das vorliegende Gesetz heute hier in erster Lesung abzulehnen, die zweite und dritte Lesung anzuschließen und sofort in der zweiten und dritten Lesung endgültig über dieses Gesetz Beschluß zu fassen.
— Nach § 36 der Geschäftsordnung ist es ohne weiteres zulässig, daß der Gesetzentwurf in erster Lesung hier sofort abgelehnt wird. Bitte, überzeugen Sie sich!
— Das ist ein Irrtum.
Die Gründe für diesen unseren Antrag sind, glaube ich, zwingend. Der Bundesfinanzminister ist ein außerordentlich hartnäckiger Mann, der uns diese Gesetzesmaterie nunmehr zum viertenmal vorlegt. Sie ist jedesmal etwas umfrisiert worden, aber die Sache ist doch immer dieselbe geblieben. Es ist allmählich an der Zeit, daß die ständige Beunruhigung in der Öffentlichkeit aufhört. Es ist allmählich an der Zeit, daß die Plakate aus den Schaufenstern verschwinden: „Die Aufwandsteuer kommt! Kauft jetzt!". Alle diese Dinge, die durch die wiederholten Ankündigungen schon jetzt eine Verzerrung des ganzen volkswirtschaftlichen Gefüges mit sich gebracht haben, müssen jetzt definitiv erledigt werden. Sie alle, die nicht für diesen Gesetzentwurf sind, würden tatsächlich bei einer derartigen Abstimmung dem Volksganzen einen erheblichen Dienst leisten.
Daß es sich um eine sehr schwierige Materie handelt, ergibt sich daraus, daß der Bundesfinanzminister uns diese Dinge immer wieder in anderer Form nahezubringen versucht. Steuerpflichtiger und Steuerträger fallen hier auseinander. Der Bundesfinanzminister versucht, mit dem Begriff Luxus oder mit dem Begriff des besonderen Aufwandes indirekt, über den Weg der Belastung des Herstellers, letzten Endes doch den Einkommensbezieher zu belasten. Das ist aus grundsätzlichen Erwägungen nicht möglich, wie Sie schnell erkennen werden. Wenn beispielsweise ein Gewerbebetrieb einen Kraftwagen zu einem um 10 % höheren Preis ersteht, so können Sie bei dem Gewerbebetrieb ja nicht von einem besonderen Aufwand sprechen. Der Begriff des Luxus würde in diesem Zusammenhang ganz sinnlos sein. Die erhöhten Aufwendungen für diese Waren gehen in den Preis über und erhöhen das gesamte Preisniveau; sie wirken
nicht anders als eine allgemeine Umsatzsteuererhöhung auch. Sie können gar nicht anders wirken, weil das spezifische Luxuseinkommen, das man treffen will, beim Gewerbe gar nicht getroffen werden kann. Auch bei Bezügen, die unmittelbar vom Hersteller an den Endverbraucher gehen, ist die Erfassung der. Einkommensteile, die man eigentlich treffen will, nicht möglich. Umsatz an sich ist völlig neutral. Der Umsatz sagt nichts darüber aus, ob er aus Einkommensteilen bestritten wird, die über den notwendigen Einkommensgrenzen und über dem Existenzminimum liegen. Das ergibt sich ja ohne weiteres aus der Art der Warengattung. In unseren Breiten sind gewisse Dinge wesentlich, die in anderen Breitengraden als nicht wesentlich angesehen werden. Eine Waschmaschine wird man als ein wesentliches Gut für die Bedürfnisbefriedigung auch einfacher und nicht gehobener Lebensführung ohne weiteres anerkennen müssen. Trotzdem stehen derartige Dinge in dem Katalog drin. An Hand von Warengattungen kann man, den Begriff des gehobenen Aufwandes eben nicht festlegen.
Es kommt hinzu, daß die Steuerbelastung nach langjähriger Steuerfreiheit in einem Zeitpunkt eintreten soll, in dem sich zahlreiche Kreise unseres Volkes, die über ein besseres Einkommen verfügzten, mit den Gütern, die in der Liste aufgeführt sind, bereits eindecken konnten. Jetzt, wo langsam auch andere Kreise etwas zum Zuge kommen, wird eine Steuerbelastung eingeführt, die gerade die Ärmeren besonders hart treffen muß.
Eine entscheidende nachteilige Wirkung ist für den Kapitalmarkt vorauszusehen. Die Sonderumsatzsteuer trifft eine ganze Reihe von Gütern, die für den Preisspiegel absolut repräsentativ sind. Wenn diese Güter teurer werden, wird man vielfach annehmen, daß der Geldwert sich verringert habe, und man wird sich ferner sagen, daß das Sparen, das Geld-auf-die-hohe-Kante-Legen mal wieder verkehrt gewesen ist, daß dagegen diejenigen, die auf Pump gekauft und Schulden gemacht haben, die Klugen gewesen sind; denn diese haben ihre Waren billig bekommen. Diejenigen dagegen, die ihr Geld gespart haben, sehen, daß ihre Ersparnisse durch eine solche Steuer einen geringeren Wert haben, als man ihn bei einem stabilen Preisniveau hätte erwarten können. Die Bundesregierung hat uns immer wieder versprochen, daß sie den Preisspiegel stabil halten werde. Hier werden für den Preisspiegel ganz repräsentative Güter verteuert, und damit wird der langsam beginnende Sparprozeß empfindlich, entscheidend gestört. Diese Störung des Sparprozesses, die vorauszusehen ist, wiegt viel schwerer als der Vorteil, der durch das Stopfen etwaiger Löcher entstehen könnte.
Auf der anderen Seite kann man gewisse Warengattungen ohne weiteres als Luxus ansprechen, Warengattungen, die unmittelbar dem Schmuckbedürfnis dienen. Es ist aber in dem Gesetz keineswegs vorgesehen, daß nunmehr sämtliche Schmucksachen besteuert werden sollen, sondern es sind dort nur Schmucksachen aus Edelmetall genannt; die übrigen Schmucksachen werden nicht besteuert, obwohl man gerade bei ihnen den Luxussteuergedanken ohne weiteres bejahen könnte. Es ist so, daß — mit Ausnahme von ganz wenigen Warengattungen — die Luxusbesteuerung nur beim Einkommensbezieher möglich ist. Eine Luxusbesteuerung durch Erfassung von bestimmten Umsatzvorgängen ist auch theoretisch undenkbar. Beim Einkommensbezieher kann man feststellen, ob das Einkommen so hoch ist, daß es ausreicht, daß es neben der Befriedigung des lebensnotwendigen
Bedarfs und des echten Sparbedarfs noch einen Spielraum freiläßt, in dessen Bereich ein besonderer Aufwand besteuerungsfähig ist. Hier hätte der Hebel angesetzt werden können, und einem solchen Gedanken würden auch wir uns nicht verschließen. Statt dessen wird man mit diesem Gesetz gerade wieder die Kleinen treffen, die sich einige Pfennige erspart haben.
Neben diesen finanztechnischen Widersprüchen und begrifflichen Ungereimtheiten des Gesetzentwurfes ist eine zweite Frage die, ob die Steuer überhaupt notwendig ist. Der Herr Bundesfinanzminister operiert bei den Schätzungen, die er uns eben vorgetragen hat, mit großen Zahlen über Mehrausgaben, Mehreinnahmen, Minderausgaben in den einzelnen Posten, die schon höher sind als das gesamte vorauszusehende Steueraufkommen. Der gesamte Bundesetat bewegt sich in einer Größenordnung von 20 Milliarden DM. Diese Steuer soll mit der Autobahnsteuer zusammen 300 Millionen DM erbringen, eine Summe, die zwischen 1 und 2 % des gesamten Steueraufkommens liegt. Ich möchte den verantwortlichen Finanzpolitiker sehen, der sich anheischig macht, einen solchen Riesenetat mit einer Differenz von 2 % genau vorauszuschätzen. Das kann niemand, und das wird ja auch dadurch bewiesen, daß uns bereits in der Abrechnung des Bundesfinanzministers für das letzte halbe Jahr Mehreinnahmen bei einigen Steuerarten in Höhe von 600 Millionen DM angegeben worden sind. Gibt es aber solche Differenzmöglichkeiten, dann ist nicht dargetan und nicht nachgewiesen, daß diese Steuer zur Zeit überhaupt notwendig ist.
Der Bundesfinanzminister hat eben von seiner Kassenlage gesprochen. Es ist ganz richtig: die Kassenlage und die Haushaltslage haben nicht viel miteinander zu tun. Erfahrungsgemäß sind die Sommermonate immer die schlechtesten Monate für die Kassenlage. Der Bundesfinanzminister war aber in der Lage, die Schwierigkeit der Kassenlage ohne weiteres durch die Begebung von Bundesschätzen zu überbrücken. Die hier vorgesehene Größenordnung läßt sich ebenso mit Sicherheit durch die Begebung von Bundesschätzen oder die Beschreitung eines anderen Anleiheweges ohne weiteres überbrücken.
Endlich weist der Bundesfinanzminister darauf hin, man müsse doch berücksichtigen, daß auch das Ausland derartige Steuerquellen ausschöpfe. Dies ist unzutreffend. Wenn wir in Deutschland 2 % Luxussteuer, Vergnügungssteuer usw. haben und rechnen hinzu die Belastung durch die Allphasenumsatzsteuer in Höhe von 12 %, so liegen wir mit 14 % Belastung all dieser Güter, die jetzt noch zusätzlich mit 10 % besteuert werden sollen, bereits an der Spitze aller vergleichbaren Nationen.
— Natürlich ist das wahr. Das ist wahr nach den eigenen Zahlen des Bundesfinanzministers. 2 % ist die allgemeine Belastung des besonderen Aufwandes; dazu kommt die Belastung durch die Allphasenumsatzsteuer mit 12 %. Das sind zusammen also 14 %. Demgegenüber schöpfen die USA die entsprechenden Steuerquellen nur mit 13,1 % aus. Wenn wir also noch 10 % dazulegen würden, würden wir weit über dem liegen, was alle anderen Länder haben.
Man darf eben nicht nur bestimmte Steuerarten miteinander vergleichen, sondern muß die ganzen Steuersysteme miteinander vergleichen. Man muß insbesondere einmal berücksichtigen, ob in den einzelnen Ländern das Existenzminimum steuerfrei ist. Wenn wir einen solchen internationalen Steuervergleich durchführen würden — —
— Ich bitte noch um eine Minute. — Wenn wir einen internationalen Steuervergleich auf der Basis durchführen würden, daß wir nicht die Steuerbelastung pro Kopf der Bevölkerung berechnen würden, sondern die Steuerbelastung pro Kopf der Bevölkerung nach vorherigem Abzug des Existenzminimums, dann würde sich ergeben, daß die Steuerbelastung in Deutschland wesentlich höher ist als in allen vergleichbaren europäischen Ländern. Das ist eine Erfahrung, die der Bundesfinanzminister beim internationalen Steuervergleich schon gemacht haben wird und die bisher nur noch nicht genügend in die Öffentlichkeit hinausgedrungen ist.
Unter Zugrundelegung der Freistellung des Existenzminimums ist die Belastung des dann übrigbleibenden Einkommenteils wesentlich höher als in allen anderen Ländern der Welt. Und das ist das Entscheidende bei einem solchen internationalen Steuervergleich. Wenn wir schon auf das Ausland sehen wollen, dann sollten wir den Steuervergleich auch richtig durchführen und überzeugende Zahlen bringen. Ich bin der Überzeugung, daß wir uns dann auch bezüglich der Verhandlungen über den Verteidigungsbeitrag leichter tun würden.
Ein anderer Gesichtspunkt ist aber vom Bundesfinanzminister nicht erwähnt worden, ein Gesichtspunkt, den vor einigen Tagen Staatssekretär Hartmann angedeutet hat. Staatssekretär Hartmann hat erklärt, daß wir in Deutschland noch Steueroasen hätten, die beseitigt werden müßten, und darauf hingewiesen, daß diese Steueroasen nicht in der Zuständigkeit des Bundesfinanzministeriums, sondern in der der Länderfinanzverwaltung lägen. Immerhin werden Sie mir zugeben müssen, daß dieser Gesichtspunkt für den Steuerzahler wenig überzeugend ist, wenn ihm klargemacht werden soll, daß er neue Steuern nur deshalb zahlen muß, weil in der gesamten Behördenorganisation Lücken sind, die solche Steueroasen haben entstehen lassen.
Wenn wir deshalb hier erst einmal eingreifen und dafür sorgen würden, daß der Anteil des Bundes beispielsweise an Einkommen- und Körperschaftsteuer die vom Finanzminister selbst für notwendig erachtete Höhe erreicht, würden wir in diese Kalamität gar nicht hineinkommen. Wie Sie sich erinnern werden, habe ich damals bei der Beratung des Gesetzes über den Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer der Länder ausgeführt, daß dieses Gesetz erst dann verabschiedet werden dürfe, wenn man sich zuvor mit den Ländern einig sei. Der Bundesfinanzminister hat damals erklärt, mit den Ländern sei er einig oder so gut wie einig. Jetzt aber stellt sich heraus, daß er statt 31,3 % nur 27 % bekommt, und das alles soll nun der Steuerzahler ausbaden.
Sie werden mir zugeben, daß diese Art von Finanzpolitik keineswegs überzeugend ist.
—Bitte? Ich habe nicht verstanden!
Ich glaube jedenfalls, man darf mit Recht sagen, daß nach dem, was der Bundesfinanzminister uns hier vorträgt, eine Notlage keineswegs nachgewie-
sen ist, und zweitens, daß er, soweit er in einer Klemme sein sollte, in den wesentlichsten Punkten selber daran schuld ist.