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ID0117301300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 173. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1951 7109 173. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. November 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 7109C, 7123A, 7129C, 7130D Bericht des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Vorbereitungen zu einem Gesetzentwurf zur Neubildung von Landwirtschaftskammern (Nr. 2766 der Drucksachen) 7109D Bericht des Bundesministers für Arbeit über die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (Nr. 2777 der Drucksachen) 7109D Anfrage Nr. 222 der Fraktion der SPD betr. Privatmobiliar in den von den Besatzungsmächten beschlagnahmten Wohnungen (Nrn. 2720, 2750 der Drucksachen) . . . . 7109D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den Entwurf eines Bundesbahngesetzes (Nr. 2730 der Drucksachen, Umdruck Nr. 350) 7109D Renner, Innenminister des Landes Württemberg-Hohenzollern, Berichterstatter 7110A Meyer (Bremen) (SPD) 7111D Dr. Wellhausen (FDP) (zur Geschäftsordnung) 7112D Beschlußfassung 7113B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Aufwandsteuer (Aufwandsteuergesetz) (Nr. 2701 der Drucksachen) 7113C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 7113C Scharnberg (CDU) 7117D Dr. Bertram (Z): zur Sache 7118A zur Geschäftsordnung 7131A Dr. Wellhausen (FDP) 7120A Dr. Koch (SPD) 7122D Leonhard (CDU) 7126C Dr. Besold (BP) 7128B, Dr. Mühlenfeld (DP) 7128D Müller (Frankfurt) (KPD) 7129C Schuster (WAV) 7130D Dr. Horlacher (CSU) (zur Geschäfts- ordnung) 7131C Schoettle (SPD) (zur Abstimmung) 7131D Anteilnahme des Bundestages an dem Eisenbahnunglück bei Walpertskirchen . . . 7128A Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Landrückgabe an die Bauern der Gemeinde Schweigen (Nr. 2696 der Drucksachen) 7132A Niebergall (KPD), Antragsteller 7132A, .7134B Odenthal (SPD) 7132D Becker (Pirmasens) (CDU) 7133C Frau Hütter (FDP) 7134A Ausschußüberweisung '7134D Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 347) 7134D Beschlußfassung 7134D Beratung der Übersicht Nr. 41 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 348) 7134D Beschlußfassung 7134D Nächste Sitzung 7134D Die Sitzung wird um 13 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Helmut Bertram


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion stelle ich den Antrag, das vorliegende Gesetz heute hier in erster Lesung abzulehnen, die zweite und dritte Lesung anzuschließen und sofort in der zweiten und dritten Lesung endgültig über dieses Gesetz Beschluß zu fassen.

    (Abg. Dr. Horlacher: Geschäftsordnungswidrig! So kann es nicht gemacht werden!)

    — Nach § 36 der Geschäftsordnung ist es ohne weiteres zulässig, daß der Gesetzentwurf in erster Lesung hier sofort abgelehnt wird. Bitte, überzeugen Sie sich!

    (Abg. Dr. Horlacher: Nein; kann nur dem Ausschuß überwiesen werden!)

    — Das ist ein Irrtum.
    Die Gründe für diesen unseren Antrag sind, glaube ich, zwingend. Der Bundesfinanzminister ist ein außerordentlich hartnäckiger Mann, der uns diese Gesetzesmaterie nunmehr zum viertenmal vorlegt. Sie ist jedesmal etwas umfrisiert worden, aber die Sache ist doch immer dieselbe geblieben. Es ist allmählich an der Zeit, daß die ständige Beunruhigung in der Öffentlichkeit aufhört. Es ist allmählich an der Zeit, daß die Plakate aus den Schaufenstern verschwinden: „Die Aufwandsteuer kommt! Kauft jetzt!". Alle diese Dinge, die durch die wiederholten Ankündigungen schon jetzt eine Verzerrung des ganzen volkswirtschaftlichen Gefüges mit sich gebracht haben, müssen jetzt definitiv erledigt werden. Sie alle, die nicht für diesen Gesetzentwurf sind, würden tatsächlich bei einer derartigen Abstimmung dem Volksganzen einen erheblichen Dienst leisten.
    Daß es sich um eine sehr schwierige Materie handelt, ergibt sich daraus, daß der Bundesfinanzminister uns diese Dinge immer wieder in anderer Form nahezubringen versucht. Steuerpflichtiger und Steuerträger fallen hier auseinander. Der Bundesfinanzminister versucht, mit dem Begriff Luxus oder mit dem Begriff des besonderen Aufwandes indirekt, über den Weg der Belastung des Herstellers, letzten Endes doch den Einkommensbezieher zu belasten. Das ist aus grundsätzlichen Erwägungen nicht möglich, wie Sie schnell erkennen werden. Wenn beispielsweise ein Gewerbebetrieb einen Kraftwagen zu einem um 10 % höheren Preis ersteht, so können Sie bei dem Gewerbebetrieb ja nicht von einem besonderen Aufwand sprechen. Der Begriff des Luxus würde in diesem Zusammenhang ganz sinnlos sein. Die erhöhten Aufwendungen für diese Waren gehen in den Preis über und erhöhen das gesamte Preisniveau; sie wirken
    nicht anders als eine allgemeine Umsatzsteuererhöhung auch. Sie können gar nicht anders wirken, weil das spezifische Luxuseinkommen, das man treffen will, beim Gewerbe gar nicht getroffen werden kann. Auch bei Bezügen, die unmittelbar vom Hersteller an den Endverbraucher gehen, ist die Erfassung der. Einkommensteile, die man eigentlich treffen will, nicht möglich. Umsatz an sich ist völlig neutral. Der Umsatz sagt nichts darüber aus, ob er aus Einkommensteilen bestritten wird, die über den notwendigen Einkommensgrenzen und über dem Existenzminimum liegen. Das ergibt sich ja ohne weiteres aus der Art der Warengattung. In unseren Breiten sind gewisse Dinge wesentlich, die in anderen Breitengraden als nicht wesentlich angesehen werden. Eine Waschmaschine wird man als ein wesentliches Gut für die Bedürfnisbefriedigung auch einfacher und nicht gehobener Lebensführung ohne weiteres anerkennen müssen. Trotzdem stehen derartige Dinge in dem Katalog drin. An Hand von Warengattungen kann man, den Begriff des gehobenen Aufwandes eben nicht festlegen.
    Es kommt hinzu, daß die Steuerbelastung nach langjähriger Steuerfreiheit in einem Zeitpunkt eintreten soll, in dem sich zahlreiche Kreise unseres Volkes, die über ein besseres Einkommen verfügzten, mit den Gütern, die in der Liste aufgeführt sind, bereits eindecken konnten. Jetzt, wo langsam auch andere Kreise etwas zum Zuge kommen, wird eine Steuerbelastung eingeführt, die gerade die Ärmeren besonders hart treffen muß.
    Eine entscheidende nachteilige Wirkung ist für den Kapitalmarkt vorauszusehen. Die Sonderumsatzsteuer trifft eine ganze Reihe von Gütern, die für den Preisspiegel absolut repräsentativ sind. Wenn diese Güter teurer werden, wird man vielfach annehmen, daß der Geldwert sich verringert habe, und man wird sich ferner sagen, daß das Sparen, das Geld-auf-die-hohe-Kante-Legen mal wieder verkehrt gewesen ist, daß dagegen diejenigen, die auf Pump gekauft und Schulden gemacht haben, die Klugen gewesen sind; denn diese haben ihre Waren billig bekommen. Diejenigen dagegen, die ihr Geld gespart haben, sehen, daß ihre Ersparnisse durch eine solche Steuer einen geringeren Wert haben, als man ihn bei einem stabilen Preisniveau hätte erwarten können. Die Bundesregierung hat uns immer wieder versprochen, daß sie den Preisspiegel stabil halten werde. Hier werden für den Preisspiegel ganz repräsentative Güter verteuert, und damit wird der langsam beginnende Sparprozeß empfindlich, entscheidend gestört. Diese Störung des Sparprozesses, die vorauszusehen ist, wiegt viel schwerer als der Vorteil, der durch das Stopfen etwaiger Löcher entstehen könnte.
    Auf der anderen Seite kann man gewisse Warengattungen ohne weiteres als Luxus ansprechen, Warengattungen, die unmittelbar dem Schmuckbedürfnis dienen. Es ist aber in dem Gesetz keineswegs vorgesehen, daß nunmehr sämtliche Schmucksachen besteuert werden sollen, sondern es sind dort nur Schmucksachen aus Edelmetall genannt; die übrigen Schmucksachen werden nicht besteuert, obwohl man gerade bei ihnen den Luxussteuergedanken ohne weiteres bejahen könnte. Es ist so, daß — mit Ausnahme von ganz wenigen Warengattungen — die Luxusbesteuerung nur beim Einkommensbezieher möglich ist. Eine Luxusbesteuerung durch Erfassung von bestimmten Umsatzvorgängen ist auch theoretisch undenkbar. Beim Einkommensbezieher kann man feststellen, ob das Einkommen so hoch ist, daß es ausreicht, daß es neben der Befriedigung des lebensnotwendigen


    (Dr. Bertram)

    Bedarfs und des echten Sparbedarfs noch einen Spielraum freiläßt, in dessen Bereich ein besonderer Aufwand besteuerungsfähig ist. Hier hätte der Hebel angesetzt werden können, und einem solchen Gedanken würden auch wir uns nicht verschließen. Statt dessen wird man mit diesem Gesetz gerade wieder die Kleinen treffen, die sich einige Pfennige erspart haben.
    Neben diesen finanztechnischen Widersprüchen und begrifflichen Ungereimtheiten des Gesetzentwurfes ist eine zweite Frage die, ob die Steuer überhaupt notwendig ist. Der Herr Bundesfinanzminister operiert bei den Schätzungen, die er uns eben vorgetragen hat, mit großen Zahlen über Mehrausgaben, Mehreinnahmen, Minderausgaben in den einzelnen Posten, die schon höher sind als das gesamte vorauszusehende Steueraufkommen. Der gesamte Bundesetat bewegt sich in einer Größenordnung von 20 Milliarden DM. Diese Steuer soll mit der Autobahnsteuer zusammen 300 Millionen DM erbringen, eine Summe, die zwischen 1 und 2 % des gesamten Steueraufkommens liegt. Ich möchte den verantwortlichen Finanzpolitiker sehen, der sich anheischig macht, einen solchen Riesenetat mit einer Differenz von 2 % genau vorauszuschätzen. Das kann niemand, und das wird ja auch dadurch bewiesen, daß uns bereits in der Abrechnung des Bundesfinanzministers für das letzte halbe Jahr Mehreinnahmen bei einigen Steuerarten in Höhe von 600 Millionen DM angegeben worden sind. Gibt es aber solche Differenzmöglichkeiten, dann ist nicht dargetan und nicht nachgewiesen, daß diese Steuer zur Zeit überhaupt notwendig ist.
    Der Bundesfinanzminister hat eben von seiner Kassenlage gesprochen. Es ist ganz richtig: die Kassenlage und die Haushaltslage haben nicht viel miteinander zu tun. Erfahrungsgemäß sind die Sommermonate immer die schlechtesten Monate für die Kassenlage. Der Bundesfinanzminister war aber in der Lage, die Schwierigkeit der Kassenlage ohne weiteres durch die Begebung von Bundesschätzen zu überbrücken. Die hier vorgesehene Größenordnung läßt sich ebenso mit Sicherheit durch die Begebung von Bundesschätzen oder die Beschreitung eines anderen Anleiheweges ohne weiteres überbrücken.
    Endlich weist der Bundesfinanzminister darauf hin, man müsse doch berücksichtigen, daß auch das Ausland derartige Steuerquellen ausschöpfe. Dies ist unzutreffend. Wenn wir in Deutschland 2 % Luxussteuer, Vergnügungssteuer usw. haben und rechnen hinzu die Belastung durch die Allphasenumsatzsteuer in Höhe von 12 %, so liegen wir mit 14 % Belastung all dieser Güter, die jetzt noch zusätzlich mit 10 % besteuert werden sollen, bereits an der Spitze aller vergleichbaren Nationen.

    (Zuruf von der Mitte: Das ist doch nicht wahr!)

    — Natürlich ist das wahr. Das ist wahr nach den eigenen Zahlen des Bundesfinanzministers. 2 % ist die allgemeine Belastung des besonderen Aufwandes; dazu kommt die Belastung durch die Allphasenumsatzsteuer mit 12 %. Das sind zusammen also 14 %. Demgegenüber schöpfen die USA die entsprechenden Steuerquellen nur mit 13,1 % aus. Wenn wir also noch 10 % dazulegen würden, würden wir weit über dem liegen, was alle anderen Länder haben.
    Man darf eben nicht nur bestimmte Steuerarten miteinander vergleichen, sondern muß die ganzen Steuersysteme miteinander vergleichen. Man muß insbesondere einmal berücksichtigen, ob in den einzelnen Ländern das Existenzminimum steuerfrei ist. Wenn wir einen solchen internationalen Steuervergleich durchführen würden — —

    (Schluß-Rufe)

    — Ich bitte noch um eine Minute. — Wenn wir einen internationalen Steuervergleich auf der Basis durchführen würden, daß wir nicht die Steuerbelastung pro Kopf der Bevölkerung berechnen würden, sondern die Steuerbelastung pro Kopf der Bevölkerung nach vorherigem Abzug des Existenzminimums, dann würde sich ergeben, daß die Steuerbelastung in Deutschland wesentlich höher ist als in allen vergleichbaren europäischen Ländern. Das ist eine Erfahrung, die der Bundesfinanzminister beim internationalen Steuervergleich schon gemacht haben wird und die bisher nur noch nicht genügend in die Öffentlichkeit hinausgedrungen ist.
    Unter Zugrundelegung der Freistellung des Existenzminimums ist die Belastung des dann übrigbleibenden Einkommenteils wesentlich höher als in allen anderen Ländern der Welt. Und das ist das Entscheidende bei einem solchen internationalen Steuervergleich. Wenn wir schon auf das Ausland sehen wollen, dann sollten wir den Steuervergleich auch richtig durchführen und überzeugende Zahlen bringen. Ich bin der Überzeugung, daß wir uns dann auch bezüglich der Verhandlungen über den Verteidigungsbeitrag leichter tun würden.
    Ein anderer Gesichtspunkt ist aber vom Bundesfinanzminister nicht erwähnt worden, ein Gesichtspunkt, den vor einigen Tagen Staatssekretär Hartmann angedeutet hat. Staatssekretär Hartmann hat erklärt, daß wir in Deutschland noch Steueroasen hätten, die beseitigt werden müßten, und darauf hingewiesen, daß diese Steueroasen nicht in der Zuständigkeit des Bundesfinanzministeriums, sondern in der der Länderfinanzverwaltung lägen. Immerhin werden Sie mir zugeben müssen, daß dieser Gesichtspunkt für den Steuerzahler wenig überzeugend ist, wenn ihm klargemacht werden soll, daß er neue Steuern nur deshalb zahlen muß, weil in der gesamten Behördenorganisation Lücken sind, die solche Steueroasen haben entstehen lassen.
    Wenn wir deshalb hier erst einmal eingreifen und dafür sorgen würden, daß der Anteil des Bundes beispielsweise an Einkommen- und Körperschaftsteuer die vom Finanzminister selbst für notwendig erachtete Höhe erreicht, würden wir in diese Kalamität gar nicht hineinkommen. Wie Sie sich erinnern werden, habe ich damals bei der Beratung des Gesetzes über den Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer der Länder ausgeführt, daß dieses Gesetz erst dann verabschiedet werden dürfe, wenn man sich zuvor mit den Ländern einig sei. Der Bundesfinanzminister hat damals erklärt, mit den Ländern sei er einig oder so gut wie einig. Jetzt aber stellt sich heraus, daß er statt 31,3 % nur 27 % bekommt, und das alles soll nun der Steuerzahler ausbaden.
    Sie werden mir zugeben, daß diese Art von Finanzpolitik keineswegs überzeugend ist.

    (Zurufe von der Mitte.)

    —Bitte? Ich habe nicht verstanden!

    (Abg. Dr. Orth: Wir haben schon genug Zeit zugegeben!)

    Ich glaube jedenfalls, man darf mit Recht sagen, daß nach dem, was der Bundesfinanzminister uns hier vorträgt, eine Notlage keineswegs nachgewie-


    (Dr. Bertram)

    sen ist, und zweitens, daß er, soweit er in einer Klemme sein sollte, in den wesentlichsten Punkten selber daran schuld ist.

    (Beifall beim Zentrum.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Dr. Bertram, Sie haben beantragt, den Gesetzentwurf in der ersten Beratung abzulehnen. Ich bitte Sie, Ihre Lektüre der Geschäftsordnung bis zum § 43 Abs. 2 fortzusetzen. Dann wird sich ergeben, daß das nicht möglich ist.

(Sehr gut! und Heiterkeit.)

Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen, bitte!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Wellhausen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ausmaß der Unruhe, die seit Monaten in der Angelegenheit, zu der ich spreche, das deutsche Volk durchzieht, die Quantität und die Qualität der bisherigen Diskussion — nicht in diesem Hause — machen es mir nicht möglich, mich so kurz zu fassen wie bisher meine Freunde von der CDU. — Ich glaube nicht, daß die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers diesem Hause etwas Neues gebracht haben. Eine Etatrede haben wir ja schon bei der Beratung des Haushalts gehört. Ich glaube aber, daß ich doch versuchen müßte, einen positiven Beitrag zu dieser Diskussion zu leisten, womit mich meine Freunde beauftragt haben, und erlaube mir daher, einige allgemeine Ausführungen vorauszuschicken.
    Die Diskussion hat in oft erschreckender Weise gezeigt, daß die Einstellung des deutschen Volkes zu der unumgänglichen Notwendigkeit, Steuern zu zahlen, schlecht ist und vielleicht noch immer schlechter wird. Woraus ist das zu erklären? Es gibt eine Fülle von Gründen. Auch wenn ich nicht bis zu den seligen Zeiten der preußischen Einkommensteuer zurückgehe — und das will ich nicht —, so muß ich doch mindestens bei 1933 anfangen und Sie daran erinnern, welche Erfahrungen jeder Steuerzahler in Deutschland, vom kleinsten bis zum größten, mit dem ebenso grandiosen wie verbrecherischen Mißbrauch der Steuereinnahmen gemacht hat. Als wir am Ende des „tausendjährigen" Reiches darüber hinweggekommen waren, kamen die Alliierten mit ihrem Kontrollratsgesetz und verschlechterten, wie wir uns alle erinnern werden, das Bild noch mehr. Diese Methode der Alliierten, die leider zu einigen anderen damaligen Methoden der Alliierten paßte, haben wir in übelster Erinnerung.
    Von der Zeit an, als das heutige Gebiet der Bundesrepublik zum erstenmal im Wirtschaftsrat ein wenig zu Worte kam, insbesondere aber vom Tage der Währungsreform an ist es unsere erste Pflicht gewesen, hier zu bessern. Aber Sie werden mich fragen: Was hat denn dies der erwähnten Einstellung des Deutschen zum Steuerzahlen geholfen? Ich muß Ihnen offen bekennen: es hat sehr wenig geholfen. Ich glaube nicht, daß solche Gefühle, wie sie das Dritte Reich mit seinem unerhörten Mißbrauch erzeugt hat, so schnell aus den Tapeten wieder verschwinden. Wir haben zudem seit dem Zusammentritt dieses Bundestages sehr häufig Überraschungen durch die Alliierten erlebt, die ebenfalls nicht dazu angetan waren, die Steuermoral — ein etwas abgegriffenes Schlagwort — zu heben. Das gehört auch in das Gespräch mit den Alliierten über die Notwendigkeit, die Stärke dieses Staates zu erhöhen.
    Von den Einflüssen des Weltmarktes und vieler weltpolitischer Ereignisse will ich in diesem Zusammenhang gar nicht sprechen. Aber ich möchte, daß wir uns an die eigene Brust schlagen und uns daran erinnern — und zwar nicht nur in dieser Stunde —, daß wir selbst in unserer Interessentenpolitik viel zu weit gehen.

    (Hört! Hört! in der Mitte und links.)

    Sehen Sie, in Gegenwart des höchsten Repräsentanten dieser Republik . hat vor wenigen Tagen
    in einer Nachbarstadt eine Feierstunde eines
    Berufsverbandes stattgefunden, eines sehr ehrenwerten und in seinen Zielen von mir durchaus bejahten Berufsverbandes. Der Vorstand hatte das
    Wagnis unternommen, einen Professor des Steuerrechts als zweiten Redner — das war schon vorsichtig — sprechen zu lassen. Dieser Redner hat darauf hingewiesen, daß nicht alle Wünsche eines solchen Fachverbandes in Erfüllung gehen könnten, und sehr bald hat in Gegenwart des höchsten Repräsentanten dieser Republik ein erhebliches Scharren angefangen. Ich möchte glauben, daß dies zumindest ein schlechter Stil ist; es ist aber doch wohl mehr als das: es ist der Ausfluß der übertriebenen Interessentenpolitik. Wenn wir diese Überinteressenten also in geeigneter Form und bei geeigneter Gelegenheit an die Hammelbeine kriegen könnten, so wäre ich damit durchaus einverstanden.

    (Abg. Renner: Legen Sie die Steuerlisten auf!) — Das ist zu einfach, Herr Renner.

    Was können wir aber sonst tun, um die Steuermoral

    (Abg. Renner: Dann käme die Moral von selber!)

    zu heben? Zunächst einmal hat ja nun dieser Bundestag mehr getan, als meistens der breiten Öffentlichkeit mitgeteilt oder bekannt wird. Er hat doch durch wesentliche Gesetzgebung die Zahl der Verneiner dieses Staates nicht unwesentlich verringert. Denken Sie an die Kriegsopferversorgung, denken Sie an das Gesetz zu Art. 131. Ich gehöre zu den Optimisten, die annehmen, daß sich das auch einmal in den Dingen auswirkt, von denen ich jetzt spreche, nämlich in der Steuermoral, nicht nur im Steuerertrag.
    Dann haben meine Freunde, um in das Steuerwesen eine Ordnung, eine einheitliche Linie zu bringen, einen Vorschlag gemacht, den man als Föderalist nun nicht so einfach — das ist wirklich zu einfach — als hoffnungslosen Fall ansehen kann. Ich meine unseren Antrag zur Bundesfinanzverwaltung. Besonders wenig passend finde ich es, wenn jemand neulich diesen als eine politische Sonntagsjägerei bezeichnet hat.

    (Hört! Hört! bei der FDP.) Steuermoral ist ja nicht einseitig, sondern es ist nötig, daß auch der Staat in seinen Gesetzen moralischen Begriffen zum Durchbruch verhilft.


    (Sehr richtig! rechts.)

    Nicht nur in der Gesetzgebung, sondern auch in der Steuereintreibung fehlt es hieran, glaube ich, nicht selten. Ich könnte darüber sehr ausführlich sprechen, aber Sie würden dann wahrscheinlich sagen, er kommt nicht zum Thema.
    Wir haben mit unserem Vorschlag über die Bundesfinanzverwaltung Wege aufgezeigt und werden sie in der Ausschußberatung weiter aufzeigen, die zu einer besseren Verwaltung, zu einer besseren Erfassung, zu einer einheitlicheren Handhabung des ganzen Steuerwesens führen. Auch die Wirtschaft braucht, wenn sie steuerehrlich ist, vor einer besseren Überprüfung der Steuern nicht zu erschrecken.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)



    (Dr. Wellhausen)

    Denn in dieser Beziehung fehlt es absolut. Es fehlt aus einem Sondergrund, meine Damen und Herren, der, glaube ich, in diesem Hause noch nicht hervorgehoben worden ist: die Fachleute dieser Buch- und Betriebsprüfer haben fast alle — wie nennt man das? — ein anderes Hemd angezogen. Sie sind nämlich nicht mehr beim Staate. Herr Reinhardt hatte sie in irgendwelchen Kursen, z. T: auf Ordensburgen geschult; infolgedessen flogen sie beim Zusammenbruch hinaus. Sie sind heute bei den Steuerpflichtigen tätig. Es ist ein miserables Geschäft, das der Staat in dieser Beziehung gemacht hat.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Unser Finanzminister war, glaube ich, nicht beteiligt. Den hatten inzwischen die Amerikaner als bayerischen Ministerpräsidenten schon wieder nach Hause geschickt.

    (Heiterkeit.)

    Er ist also davon nicht betroffen. Es ist aber ein miserables Geschäft, und ich empfehle Ihnen, solche Schulungskurse — nicht auf Ordensburgen, wenn es irgend geht — so schnell und so gut wie möglich wieder einzuführen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ich bitte Sie, es mir zu erlassen, diese Dinge noch weiter auszuführen, denn ich habe mich erst vor kurzem in einer Rede zum Etat über das, was uns, generell gesprochen, an dem Herrn Finanzminister nicht gefällt, sehr ausführlich geäußert. Seine Reaktion war schwach, sagen wir mal höflich. Er hat sich auf die Unvollkommenheit des Menschen zurückgezogen und dann gesagt: Je unvollkommener ich bin, desto vollkommener muß dieses Haus sein. Das war, glaube ich, eine Retourkutsche, wenn ich mich so ausdrücken darf.
    Statt nun auf dem Wege, den ich versucht habe, wieder ein wenig anzutönen, voranzuschreiten, wird uns heute die Aufwandsteuer vorgelegt, keineswegs zum erstenmal, wie Herr Bertram auch schon sagte.
    Der selige Wirtschaftsrat hat am 3. Februar 1949 — wir nähern uns also dem dreijährigen Jubiläum der ganzen Angelegenheit — ein Gesetz zur Besteuerung besonderen Aufwands vorgelegt, das an der Zusammenstellung eines Katalogs gescheitert ist. Nach eineinhalb Jahren hat der Bundesrat von der Bundesregierung im Juli 1950 ein Gesetz zur Besteuerung besonderen Aufwands — also wörtlich genau so — bekommen. Das hat der Bundesrat angenommen. Die Bundesregierung hat es mit Änderungen hier eingebracht, und hier fand am 5. Oktober 1950 eine erste Lesung statt. Ich könnte fast wörtlich jetzt im weiteren das hier erzählen, was mein Freund Hoepker-Aschoff — nachzulesen im Protokoll — damals gesagt hat. Das will ich aber nicht tun, damit es Ihnen nicht langweilig wird.
    Am 12. Oktober 1950 hat sich dann der Finanzausschuß mit der Sache beschäftigt. Er hat die Aufwandsteuer kurzerhand abgelehnt. Von der berühmten und berüchtigten Spesenabgabe — das war der zweite Teil des damaligen Gesetzes — hat er gesagt, sie solle in das Einkommensteuergesetz eingearbeitet werden. Gott hat es leider gefügt, daß es inzwischen in einer schildbürgerlichen Weise auch dazu gekommen ist. Sie kennen das ja alles. Die Witzblätter, leider auch diese komischen Conférenciers, werden sicherlich Gelegenheit nehmen, sich ausführlich damit zu beschäftigen. Das können wir ja abwarten.
    Damit aber nicht genug. Im Februar 1951 hat dann die Bundesregierung ein Gesetz verabschiedet, das nunmehr hieß: Sonderumsatzsteuer auf
    Süßwaren und andere Gegenstände des entbehr- lichen Verbrauchs. Das ist aber dem Bundesrat schon gar nicht mehr vorgelegt worden. Ich weiß nicht, ob die massiven Bedarfsträger der Süßwaren das verhindert haben oder wie das damals gekommen ist.
    Die Bundesregierung hat dann im Mai 1951 dem Bundesrat ein Sonderumsatzsteuergesetz vorgelegt, und das hat der Bundesrat am 8. Juni 1951 wieder abgelehnt. Schließlich hat sich die Bundesregierung am" 28. Juni 1951— Sie sehen, es ist schon eine ziemliche Leidensgeschichte — noch einmal auf diesen Entwurf zurückgezogen und hat versucht, den Finanzausschuß dafür zu gewinnen. Der Finanzausschuß hat aber die Beratung abgelehnt.

    (Glocke des Präsidenten.)