Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Im Vorwort zum Haushalt des Bundeskanzleramtes findet sich ein Hinweis auf das Grundgesetz, und zwar auf den Artikel, in dem es heißt, daß der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik der Bundesregierung bestimmt. Nun weiß der Herr Bundeskanzler selbst — und wir alle wissen es —, daß es sich in Wirklichkeit ganz anders verhält. Die Richtlinien der Politik der Bundesregierung bestimmt hier der Petersberg,
während alle Sorgfalt und die ganze Tätigkeit der
vielseitigen Persönlichkeit des Herrn Bundeskanzlers darauf gerichtet sind, die Wünsche und
die Absichten der amerikanischen Vertreter auf
dem Petersberg in Westdeutschland zu realisieren.
Für diese Einschränkung seiner Souveränität hält sich allerdings der Herr Bundeskanzler auf andere Weise schadlos. Die Bestimmung des Grundgesetzes, daß er persönlich die Richtlinien der Politik der Bundesregierung zu bestimmen hat, legt er sehr weitgehend aus. Er schlägt einen autoritären Kurs ein,
mittels dessen er alle gesetzmäßigen Vorschriften über die Mitsprache des Parlaments beiseite schiebt und mit dem er vor allem erreichen will, daß das Volk über die entscheidenden Lebensfragen im unklaren gelassen wird.
Wir haben vor wenigen Minuten einen drastischen Anschauungsunterricht dafür erlebt, wie der Bundeskanzler die Bestimmung des Grundgesetzes auslegt, nach der er die Richtlinien der Politik zu bestimmen hat. Nicht nur, daß er in Lebensfragen der Nation ohne das Volk und gegen das Volk Entscheidungen trifft, nein, er maßt sich an, selbst ohne und gegen das Parlament entscheidende Fragen durch selbstherrliche Vorentscheidungen zu regeln, und zwar in einer gefährlichen und verhängnisvollen Richtung zu regeln.
Der Herr Bundeskanzler tut das in einer Art, daß selbst seine eigenen Koalitionspartner mit Besorgnis die Resultate dieser ungeschickten und autoritären Politik verfolgen. Seine eigenen Koalitionspartner sind in immer steigendem Maße darüber entrüstet, wie wenig Rücksicht der Bundeskanzler nimmt auf ihre Bedürfnisse nach einer populären Agitation,
und auf die Sonderinteressen, die sie zu vertreten haben. Ja selbst die eigenen Kabinettskollegen sind des öfteren vor vollendete Tatsachen gestellt worden, und ich denke, daß das ehemalige Mitglied
der Bundesregierung Dr. Heinemann uns hier sehr viel darüber aussagen könnte.
Diese autoritären und selbstherrlichen Regierungsmethoden kommen auch darin zum Ausdruck, daß der Bundeskanzler in seiner Person bzw. in seinem Amt mehrere Ministerien vereinigt. Er maßt sich noch immer an, nicht nur Bundeskanzler, sondern auch Außenminister zu spielen
und außerdem Kriegsminister zu spielen, wenn auch die betreffende Behörde, die in seinem Etat figuriert, noch nicht offiziell diesen Titel führt, sondern sich vorläufig noch mit dem etwas anspruchsloseren Namen „Dienststelle Blank" zufrieden gibt. Er stellt in seiner Person bzw. in seinem Amt auch das Wirtschaftsministerium, das er durch seine Kommissarwirtschaft repräsentiert. Und schließlich ist auch die Leitung des Propagandaministeriums in seinen Händen, des Ministeriums, das heute noch unter dem Namen des Bundespresse- und Informationsamts figuriert.
Nun, die gelegentliche Kritik, die sich in den letzten Monaten selbst aus den Reihen der Koalition des Herrn Bundeskanzlers erhoben hat, ist in den letzten Tagen und Wochen immer stärker geworden. Oberflächlich betrachtet erscheint diese Kritik aus den eigenen Reihen der Regierungskoalition als eine Kritik an gewissen Charaktereigenschaften des Herrn Bundeskanzlers, an gewissen herrischen Umgangsformen. Ich denke, daß der Herr Minister Kaiser zu dieser Frage ein besonderes Liedlein singen könnte. Man kritisiert gewisse Dinge und entschuldigt sie gelegentlich mit der Überbelastung dieses armen, einsamen Mannes.
In Wirklichkeit aber liegen die Dinge doch sehr viel tiefer. In Wirklichkeit sammelt sich die Kritik in immer stärkerem Maße um politische Probleme. In Wirklichkeit handelt es sich immer mehr um eine politische Kritik an einem Verhalten, das geradewegs zur Katastrophe steuert. Es handelt sich um eine Kritik, die entsteht aus der Besorgnis der Koalitionsfreunde über das Ende dieser hundertfünfzigprozentig amerikanisierten Politik. Es handelt sich um eine Kritik, die resultiert aus den Besorgnissen, die selbst aus der eigenen Partei kommen; und ich denke, daß das Wahlergebnis von Bremen auch manche Parteistellen der CDU zu der Überlegung veranlaßt hat, ob man diesem Bundeskanzler und Parteivorsitzenden denn so weiterwirtschaften lassen darf, wenn man nicht riskieren will, schließlich noch die letzten Anhänger im Lande zu verlieren.
Die Kritik aber kommt vor allem aus den Massen der Bevölkerung, die empört sind über den Kurs der Remilitarisierung, über das selbständige Betreiben des Schumanplans und seine Realisierung auch auf westdeutschem Boden, die empört sind über die reaktionäre Steuer- und Sozialpolitik der Bundesregierung, die empört sind schließlich über die offene Sabotage aller Verständigungsversuche, die gegenwärtig über die künstlichen Zonengrenzen hinweg von Deutschen beiderseits dieser Grenzen unternommen werden. Wenn der Herr Bundeskanzler etwa weitere Beweise wünscht für die Unbeliebtheit seiner Politik unter den Massen der Bevölkerung und in immer steigendem Maße selbst in seinen eigenen Reihen, — nun gut, er kann solche zusätzlichen Beweise haben und er wird sie haben! Darauf kann er sich verlassen.
Ich möchte nun einige Worte zu den Sonderministerien sagen,
die im Etat des Herrn Bundeskanzlers aufgezählt sind. Zunächst zum Bundespresse- und Informationsamt. Seine Aufgaben sind in der Einleitung mit der Formulierung umschrieben, es diene der Erforschung der öffentlichen Meinung. Wenn das Tatsache wäre, dann hätte diese Forschungstätigkeit des Bundespresse- und Informationsamts schon einige nützliche Resultate erzielen können. Sie hätte z. B. feststellen können, daß 90 % der Bevölkerung Westdeutschlands entschieden gegen die Remilitarisierung und gegen die Politik Adenauers für einen sogenannten Wehrbeitrag sind
und ganz entschieden gegen den amerikanischen Kurs, den Herr Adenauer steuert. Aber offensichtlich stimmt diese Funktion, wie sie in Wirklichkeit ist, doch nicht überein mit den Formulierungen im offiziellen Text des Haushaltsplans. Der Wirklichkeit kommt die Feststellung viel näher, daß die Aufgabe des Bundespresseamts darin besteht, die öffentliche Meinung zu täuschen. Es heißt, es sei dazu da, die deutsche Bevölkerung aufzuklären. In Wirklichkeit dient es dazu, die deutsche Bevölkerung irrezuführen und ihr die wichtigsten Informationen über die Tätigkeit der Bundesregierung und insbesondere des Bundeskanzlers vorzuenthalten.
Ich könnte dafür eine ganze Serie von Beispielen anführen, ich beschränke mich auf einige wenige ganz krasse. Wie war es denn, Herr Bundeskanzler, im Januar, als auf Ihr Geheiß die ehemaligen Nazigenerale Speidel und Heusinger die Geheimgespräche auf dem Petersberg über den westdeutschen Wehrbeitrag begonnen haben? Haben Sie damals nicht Ihrem Pressechef die Anweisung gegeben, er möge der Presse nahelegen, über den Inhalt dieser Beratungen zu schweigen? Oder wie war es seinerzeit, als Tschiangkaischek-Piraten ein deutsches Handelsschiff kaperten? Waren Sie es nicht, der dem Bundespressechef die Anweisung gegeben hat, er möge der Presse nahelegen, über diesen Fall zu schweigen, weil man sonst die Amerikaner verschnupfen könnte? Oder, Herr Bundeskanzler, wie war es nach dem ersten Angebot der Volkskammer vom 15. September? Waren Sie es nicht, der das Bundespresseamt beauftragt hat, eine' Antwort an die Volkskammer vorweg zu erteilen — obwohl Sie gar nicht gefragt worden waren —, noch ehe der Bundestag, an den der Appell der Volkskammer gerichtet war, Gelegenheit hatte, sich dazu zu äußern? Haben Sie nicht dem Bundespresseamt die Weisung gegeben, zu sagen, das sei alles Propaganda und die Frage der Einheit Deutschlands sei ausschließlich eine Angelegenheit der Besatzungsmächte? Und schließlich, waren Sie es nicht, Herr Bundeskanzler, der dem Bundespresseamt aufgetragen hat, am 2. Oktober der hier im Bundeshaus zugelassenen Presse nahezulegen, auch über den Stand der Verhandlungen auf den verschiedenen Schlössern der Hohen Kommissare zu schweigen? Haben Sie nicht erklären lassen, es sei nicht opportun, in diesem Augenblick über den Stand der Verhandlungen etwas zu sagen?
Nun, Herr. Bundeskanzler, äußern Sie sich hierzu, über diese sonderbare Pressepolitik, über diese sonderbare Methode, mit einem Amt, das die Steuerzahler bezahlen, die öffentliche Meinung irrezuführen und die Menschen, die Bevölkerung über Fragen von wahrhaft nationaler Bedeutung zu täuschen!
Es gibt in Ihrem Etat einen besonders interessanten Punkt. Während in den Titeln 11 bis 30 der Sachausgaben des Presseamts insgesamt Ausgaben in Höhe von 580 000 DM ausgewiesen werden, gibt es den Titel 31 mit der Ausstattung von allein 3,8 Millionen Mark. Dieser eine Titel wird so kommentiert, daß die Mittel daraus allein zur Verfügung des Bundeskanzlers zur Förderung des Nachrichtenwesens stehen. Die Mittel sind übertragbar und die Ausgabenkontrolle unterliegt nicht Organen des Bundestags, sondern ausschließlich der Prüfung des Präsidenten des Bundesrechnungshofs, der auch die Entlastung zu erteilen hat. Mit anderen Worten: es handelt sich bei diesem Posten ausgesprochenermaßen um einen Geheimfonds. Es ist interessant, daß dieser Geheimfonds gegenüber dem Vorjahre auf das Achteinhalbfache angewachsen ist und daß er 87 °/o der gesamten Sachausgaben des Bundespresse- und Informationsamts ausmacht. Meine Damen und Herren, in diesem Geheimfonds haben wir die Lösung des Rätsels, woher diese Schmutztraktätchenproduktion stammt, die in gemeinsamer Arbeit mit dem Ministerium Kaiser draußen auf das Land geworfen wird. Hier ist die Antwort auf die Frage, woher diese unsaubere, unflätige Goebbelspropaganda finanziert wird, die heute von dem alten Spezialisten aus dem Goebbelsministerium, Dr. Taubert, nunmehr im Dienste des Herrn Bundeskanzlers, neuaufgelegt wird.