Rede von
Dr.
Franz-Josef
Wuermeling
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich darf namens meiner Fraktion zu der vorliegenden Fassung des § 5 — jetzt 5 und 5 a — folgendes erklären:
Zunächst müssen wir sagen: En d l i c h, endlich ist nun heute der Zeitpunkt da, in dem wir in die Lage versetzt sind, diese Besoldungsaufbesserung auch für die Beamten des öffentlichen Dienstes entsprechend dem Vorschlage des Ausschusses zu beschließen. Dieses „Endlich!" möchte ich mit ganz wenigen Ziffern motivieren.
Der Lebenshaltungsindex beträgt heute 167 % desjenigen von 1938; die Beamtenbesoldung betrug im Jahre 1950 94 %, und nicht von 1938, sondern von 1927; sie wurde 1950 auf 100 %, im Frühjahr 1951 für die aktiven Beamten auf 115 % erhöht und soll jetzt durch diese Vorlage auf 120 %, wohlgemerkt aber nur der Grundgehälter von 1927, ohne Berücksichtigung des Wohnungsgeldes und der Kinderzulagen, erhöht werden. Praktisch bedeutet das also, daß, wenn dieses Gesetz angenommen wird, die Beamten des Bundes 116 % ihrer Bezüge des Jahres 1927 erhalten, und das bei einem Lebenshaltungsindex von 167 %.
Wenn wir uns demgegenüber die Entwicklung ansehen, die erfreulicherweise dank dem Aufschwung unserer Wirtschaft die Löhne der Industriearbeiter nehmen konnten, so ergeben sich folgende Vergleichszahlen. Die Wochenverdienste der Industriearbeiter — und zwar ohne den Bergbau, wo die Steigerung noch stärker war — betrugen im Juni 1948 100,7 % von 1938, im Juni 1949 137 % von 1938, im Juni 1950 150 % von 1938 und im Juni 1951, wie das gestern verteilte Heft des Statistischen Amtes beweist, 181 % des Jahres 1938. Bei den Stundenverdiensten ist die Erhöhung sogar noch größer; da ist eine Steigerung auf 186 % bis Juni 1951 erfolgt.
Übrigens, meine Damen und Herren von der SPD, auch eine Erläuterung zu dem in der vergangenen Woche hier behandelten Zustand des angeblichen „sozialen Ärgernisses",
— des sozialen Ärgernisses, bei dem die Löhne der Industriearbeiterschaft über den Lebenshaltungsindex von 167 hinaus im Verlauf dieser Zeit auf 181 bzw. 186 % — und zwar aus dem erhöhten Arbeitsprodukt — heraufgebracht werden konnten. Aber das ist im Moment nicht das Thema, sondern nur ein Vergleich.
Die Entwicklung der Bezüge der öffentlichen Bediensteten, wie ich sie soeben dargelegt habe, zeigt eine geradezu unmögliche Relation zu diesen Bezügen der Arbeitnehmerschaft. Die öffentlichen Bediensteten sind mit ihren Realbezügen in einem Ausmaß zurückgeblieben, daß man versucht ist, geradezu von einer Gefährdung des Staatsapparates zu sprechen, und daß man sich weiter fragen muß, ob die lange Aufrechterhaltung dieses Zustandes mit der Treupflicht, die ja nicht nur der Beamte, sondern auch der Staat hat, überhaupt noch zu vereinbaren gewesen ist.
Diese Dinge haben schon dazu geführt, daß eine Abwanderung von Spitzenkräften, von den tüchtigsten Kräften aus der Beamtenschaft in die freien Berufe eingesetzt hat. Wenn wir hier nicht endlich durch Besserungsmaßnahmen einen Damm setzen, laufen wir Gefahr, daß sich im öffentlichen Dienst nachher nur noch die minder leistungsfähigen Kräfte halten oder anziehen lassen.
Das zum Grundsätzlichen, zur Begründung der unbedingten Notwendigkeit, daß nun endlich eine Erhöhung erfolgt. Wir geben ohne weiteres zu, daß die Erhöhung um 20 % auf die Grundbezüge und um 16 % auf die vollen Bezüge noch nicht das ist, was den öffentlichen Bediensteten von Rechts wegen heute zugestanden werden müßte. Aber wir stehen leider vor einer finanzpolitischen Situation, in der wir nur diese Maßnahme ermöglichen können. Auch das erfolgt nur mit allergrößten Schwierigkeiten und nach vielen Rechenkunststücken, die wir im Ausschuß haben machen müssen. Schließlich sind wir dazu gekommen, diese Erhöhung gleichmäßig für die aktiven Beamten und die Pensionäre ab 1. Oktober 1951 in Kraft treten zu lassen, um auf diese Weise sicherzustellen, daß die Pensionäre im Rahmen der haushaltsmäßigen Mittel in gleicher Weise mitziehen können. Die Einbeziehung der Pensionäre ist seitens der Regierungsparteien bereits bei der ersten Lesung als
eine unerläßliche Notwendigkeit bezeichnet worden. Wir waren damals schon der Auffassung, daß es das kleinere Übel gewesen wäre, für alle nur 15 % zu geben, statt nur den aktiven Beamten 20 % und den Pensionären gar nichts. Wir freuen uns, daß es jetzt durch unsere Rechenkunststücke möglich geworden ist, auch die Ruhegehaltsempfänger und vor allem die Hinterbliebenen, die Witwen und Waisen auf der Basis von 20 % an dieser Zulage zu beteiligen. Denn schließlich haben auch die Pensionäre und die Hinterbliebenen die gleiche Teuerung wie alle anderen zu tragen.
Wir haben allerdings im Ausschuß davon abgesehen, für den Bund eine Maßnahme zu treffen, die man im Lande Hessen getroffen hat. Dort hat man nämlich alle Pensionen über 250 DM mönatlich bis zu 50 % gekürzt.
Das scheint uns mit den Grundsätzen des Berufsbeamtenrechts nicht vereinbar zu sein und auf eine gefährliche Gleichmacherei hinauszulaufen.
Ich habe soeben gesagt, daß die 20 %ige Erhöhung der Grundgehälter, d. h. die 16 % ige Erhöhung der Gesamtgehälter nicht der Teuerung entspricht und an sich hätte größer sein müssen. Hierzu darf ich darauf hinweisen, daß wir wenigstens in den unteren Einkommensgruppen bis zu 230 DM monatlich die bereits früher gewährten Zulagen in bestimmtem Umfange, in Höhe von monatlich 6 bis 24 DM aufrechterhalten haben. Wir bedauern allerdings besonders, daß es in den Beratungen des Ausschusses nicht möglich gewesen ist, auch die Kinderzulagen in diese 20 % ige Erhöhung einzubeziehen. Diese Möglichkeit war uns deswegen nicht gegeben, weil die Tarifvertragspartner, die die Gehälter der öffentlichen Angestellten regeln, uns mit einer Regelung zuvorgekommen waren, die eine 20 % ige Erhöhung in sich birgt und die Kinderzulagen leider ausgeschlossen hat. Wir hatten jetzt bei der Durchrechnung der finanziellen Möglichkeiten zu unserem schmerzlichen Bedauern nicht mehr die Möglichkeit, zusätzlich auch die Kinderzulagen zu erhöhen, weil diese Erhöhung sich auch auf die sämtlichen Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst hätte ausdehnen müssen. Dafür waren die Mittel im Augenblick einfach nicht aufzubringen. Wir bemerken aber ausdrücklich, daß wir mit besonderem Nachdruck der Entschließung des Ausschusses zustimmen, nach der bei der endgültigen Besoldungsreform gerade auf dem Gebiete der Kinderzulagen unbedingt etwas geschehen muß. Man braucht nicht des längeren auszuführen, daß in einer Familie mit mehreren Köpfen eben jedes Paar Schuhe, jeder Anzug, jede Nahrung mehrfach gekauft und bezahlt werden muß. Wenn wir das Alimentationsprinzip beim Berufsbeamtentum haben, das einen angemessenen Lebensstandard der Familien gewährleisten soll, dann dürfen wir uns einer Erhöhung auf die Dauer gerade auf diesem Gebiete am allerwenigsten entziehen.
Im übrigen vertrauen wir insgesamt darauf, daß es uns möglich sein wird, bei der endgültigen Besoldungsreform, die im nächsten Jahre erfolgen soll, dieser vorläufigen Lösung eine bessere folgen zu lassen. Jedenfalls kann mit dieser Lösung noch nicht das letzte Wort gesprochen sein.
Nun aber noch ein Wort zum Personenkreis des Art. 131 des Grundgesetzes, über den ja bei der Geschäftsordnungsdebatte vorher schon eine ziemlich eingehende Sachdebatte stattgefunden hat. Meine Damen und Herren, wir haben es zunächst unter Zusetzung eines Ausgabenbetrages von 10 Millionen DM ermöglicht, daß wenigstens die ja außerordentlich geringfügigen Übergangsgehälter der 131er — hier einschließlich des Wohnungsgeldzuschusses, der ja bisher nur teilweise gezahlt wird — in diese Teuerungszulagen einbezogen werden. Damit helfen wir wenigstens dem Personenkreis aus Art. 131, der bei der Regelung durch das Gesetz zweifellos am allerungünstigsten behandelt worden ist und für den im Gesetz selber ja ausdrücklich schon eine baldmöglichste Aufbesserung vorgesehen wurde. Wenn wir die übrigen Pensionäre nach Art. 131 jetzt in diese Regelung noch nicht einbeziehen können, meine Damen und Herren, so sind wir uns dabei dessen bewußt, daß wir uns mit dieser Regelung in Widerspruch zu einem Bundestagsbeschluß setzen, der bereits am 2. Dezember 1949 in diesem Hause einmütig gefaßt worden ist. Aber wir können auf diesem Gebiete nur im Rahmen der effektiv gegebenen Möglichkeiten handeln, so berechtigt auch die Beschwerden und Beanstandungen aus dem Personenkreis des Art. 131 sind.
Ich habe hier eine Zuschrift des Allgemeinen Beamtenschutzbundes vor mir liegen, in der folgende Worte stehen, die ich mit wenigen Zeilen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten kurz vortragen darf: