Meine Damen und Herren! Der Vorschlag des Ausschusses, der uns jetzt vorliegt, bringt keine Gleichstellung der Ruhestandsbeamten, die unter das Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes fallen, mit den übrigen Beamten. Ich bin der Meinung, daß eine Schlechterstellung dieser Gruppe- aus rechtlichen, sozialen und politischen Gründen nicht tragbar ist. Es ist schon vom Herrn Berichterstatter erwähnt worden, daß der Bundestag am 2. Dezember 1949 einstimmig einen Beschluß gefaßt hat, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, einen Gesetzentwurf zur vollen Gleichstellung dieser Gruppen mit den übrigen Beamten und Pensionären vorzulegen. Ich erinnere an die Debatte anläßlich der dritten Beratung des Gesetzes zum Art. 131. Damals ist von den Rednern der verschiedenen Fraktionen ausdrücklich erklärt worden, daß mit diesem Gesetz dem bisherigen Unrecht ein Ende bereitet und damit die gesetzliche Gleichstellung dieser Gruppen verankert sein sollte. Ich darf weiter daran erinnern, daß hinterher von den verschiedensten Seiten erklärt worden ist: Wenn das Gesetz zum Art. 131 noch Wünsche offengelassen hat, wenn noch nicht die volle Gleichberechtigung wiederhergestellt worden ist, dann wird die künftige Gesetzgebung Gelegenheit geben, diese Unebenheiten auszubügeln.
Und nun, meine Damen und Herren, stehen wir vor dieser künftigen Gesetzgebung. Wir stehen damit vor der Tatsache, daß erneut nur diese eine Gruppe von der Erhöhung der Beamtengehälter und Pensionen ausgenommen werden soll. Nach allem, was ich ausgeführt habe, bin ich der festen Überzeugung, daß dieses Gesetz, wenn es so verabschiedet wird, vor dem Bundesverfassungsgericht nicht bestehen kann.
Man sagt uns: Das Geld reicht nicht für alle, und deshalb haben wir uns eine gewisse Selbstdisziplin auferlegen müssen und können diese eine Gruppe nicht in die übrigen einschließen. Meine Damen und Herren, wenn das Geld nicht für alle reicht, dann bleibt die einzige Konsequenz, die mit dem Gesetz in Einklang steht, mit dem Gesetz, das die Gleichheit aller verlangt, daß man eben allen weniger gibt.
Man kann niemals mit irgendwelchen finanziellen Erwägungen ein Abweichen vom Rechtsstandpunkt rechtfertigen.
Ich bitte — und ich trage das sehr leidenschaftslos vor —, in aller Ruhe zu erwägen, ob wir mit dieser Begründung vor unserem Volke bestehen können. Ich bin der Meinung, daß wir es nicht können.
Der Herr Kollege Mellies hat mir gesagt, ich hätte lieber entsprechende Anträge stellen und nicht eine Rückverweisung beantragen sollen. Ich bin der Meinung, daß man die Frage hier im Plenum nicht einer befriedigenden Lösung zuführen kann. Man nennt uns die Zahl von 100 Millionen DM, die erforderlich sein sollen. Ich habe es im Laufe der letzten zwei Jahre gelernt, gegenüber Zahlen eine gewisse Vorsicht zu üben. Wir haben j a auch beim Gesetz zum Art. 131 Zahlen gehört, die nachher einer Nachprüfung nicht standgehalten haben. Aber wenn es tatsächlich so ist — und um größere Beträge wird es sich ja handeln —, dann hätte man im Ausschuß vielleicht doch nach anderen Lösungen suchen müssen. Ich könnte mir eine Regelung z. B. in der Weise denken, daß man vielleicht nur die kleineren Pensionen an dieser Erhöhung teilnehmen läßt. Das würde mit der Gleichheit aller vor dem Gesetz durchaus im Einklang stehen.
— Nein, das ist durchaus logisch! Es ist schon immer so gewesen, daß der Mann mit dem größeren Vermögen auch höher besteuert wird. Mein lieber Wuermeling, so ist die Gleichheit vor dem Gesetz nicht aufzufassen! Es ist nur nicht möglich, zu sagen: Ich gebe dir weniger Pension, weil du Vertriebener warst oder weil du irgendeiner andern Gruppe angehörst. Das halte ich nicht für möglich.
Meine Damen und Herren, wir würden es vom Standpunkt der Vertriebenen aus eher in Kauf nehmen, wenn man uns sagte: Jetzt können wir die Pensionen nicht erhöhen; wir müssen das auf einen späteren Zeitpunkt zurückstellen. Was wir aber nicht in Kauf nehmen können, ist, daß man erneut mit zweierlei Maß mißt und sagt: die Vertriebenen und die anderen Gruppen können an dieser Erhöhung nicht teilnehmen, weil es nicht ausreicht.
Und nun die soziale Seite. Wenn man überhaupt schon einen Unterschied machen wollte und könnte, dann müßte man doch auf die soziale Situation sehen. Und die soziale Situation ist doch jedenfalls bei den Vertriebenen so, daß diese seit fünf Jahren entweder eine geminderte oder gar keine Pension bekommen haben und daß sie darüber hinaus auch noch ihr sonstiges Vermögen verloren haben. Aus diesen Gründen kann die Regelung, die hier vorgeschlagen worden ist, von uns nicht vertreten werden. Ich glaube auch nicht, daß die Entschließungen, die uns vorgelegt worden sind, daran irgend etwas ändern. Wir haben ja solch eine Entschließung vom 2. Dezember 1949, und wir wissen alle, daß sie die Regierung nicht bindet. Wenn die Regierung sagt: ich habe das Geld nicht, dann geht es eben nicht.
Man wird mir entgegenhalten: Das Gesetz ist nicht länger hinauszuschieben, das geht nicht; wir können die Sache auch nicht um zwei oder um drei Wochen zurückstellen. Ich bin der Meinung: wenn es sich wie hier um die Grundsätze des Rechts handelt, sollte es auf zwei Wochen nicht ankommen!
Und ich kann das, glaube ich, mit um so größerem Nachdruck vertreten, als ja auch schon bei der Berichterstattung hervorgehoben worden ist, daß an die aktiven Beamten seit dem 1. April eine 15prozentige Erhöhung gezahlt worden ist. Ich glaube daher, daß der Antrag, den meine Freunde und ich gestellt haben, der Situation entspricht, und ich bitte, ihn anzunehmen.