Rede von
Dr.
Hermann
Etzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Art. 74 Ziffer 1 des Grundgesetzes ist das Notariat Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung. Ein bebonderer Vorbehalt ist in Art. 138 für das Notariat in den Ländern Baden, Bayern, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern gemacht.
Die am 6. September 1949 im Gesetz- und Verordnungsblatt der Landesregierung Rheinland-Pfalz verkündete Notarordnung vom 3. September 1949 ist nach Art. 125 des Grundgesetzes partikulares, d. h. nur in einem Teil des Bundesgebiets, nämlich in dem Lande Rheinland-Pfalz geltendes Bundesrecht geworden. Im Rahmen des partikularen Bundesrechtes ist die Bundesgesetzgebung ausschließlich. Die in dem Antrag der Fraktion des Zentrums Drucksache Nr. 2171 in Anspruch genommene Zuständigkeit des Bundestags ist also verfassungsrechtlich gegeben.
Die Notarordnung hat die linksrheinisch geltende Trennung zwischen Notariat und Rechtsanwaltschaft im rechtsrheinischen Gebiet des Landes Rheinland-Pfalz eingeführt, gleichzeitig aber in § 8 eine Übergangsregelung getroffen. Er bestimmt:
Soweit Notare bisher schon als Rechtsanwälte bei einem bestimmten Amtsgericht zugelassen waren oder soweit Rechtsanwälte für die Dauer ihrer Zulassung bei einem bestimmten Gericht als Notare zu nebenberuflicher Amtsausübung bestellt worden sind (Anwaltsnotare), behält es dabei sein
Bewenden. Eine Neubestellung von Notaranwälten oder Anwaltsnotaren findet nicht statt.
Hiernach sollen die bestehenden Verbindungen zwischen Notariat und Anwaltschaft auch weiterhin aufrechterhalten, künftighin aber Zulassungen von Notaren als Rechtsanwälte und Neubestellungen von Rechtsanwälten zu Notaren nicht mehr erfolgen können.
Der Antrag der Zentrumsfraktion will, daß die in dem rechtsrheinischen Teil von Rheinland-Pfalz vor dem Inkrafttreten der Notarordnung vorhanden gewesene Rechtslage wiederhergestellt wird. Der zweite Satz des § 8 soll gestrichen und durch folgende Vorschrift ersetzt werden:
In den rechtsrheinischen Amtsgerichtsbezirken des Landes Rheinland-Pfalz, in denen bisher Rechtsanwälte zu Notaren bestellt wurden, behält es dabei sein Bewenden.
Der Antrag stand am 9. Mai in der 141. Sitzung des Bundestages zur Beratung. Die Antragsteller führten zur Begründung die rechtsrheinisch bestehenden Verhältnisse an und bezogen sich auf Beschwerden aus Wirtschaftskreisen. Die berechtigten Interessen der Rechtspflege, der Notare und der Anwälte sowie der Bevölkerung vor allem der auf den armen Höhengebieten des Westerwaldes und des Taunus wohnenden, erforderten nach ihrer Ansicht die Beibehaltung des bisherigen Zustandes.
Der Bundestag überwies den Antrag an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Dieser befaßte sich in zwei Sitzungen, am 5. und am 19. September, mit der Angelegenheit. Referent und Korreferent äußerten grundsätzliche Bedenken dagegen, daß der Bundesgesetzgeber eine einzelne Bestimmung eines zum partikularen Bundesrecht gewordenen Landesgesetzes ändert, statt die ganze Materie im Rahmen seiner Zuständigkeit in Angriff zu nehmen und kodifizierend zu regeln. Der Referent sprach sich für die Ablehnung, der Korreferent für die Zurückstellung des Antrags aus. Einige Mitglieder des Ausschusses würdigten durchaus die sachlichen Beweggründe und die Absicht des Antrags. Jedoch wurde von einer Seite auch darauf hingewiesen, daß das Argument der kleinen Amtsgerichtsbezirke auch für weite andere Teile des Bundesgebiets gelte. Der Vertreter des Bundesjustizministeriums teilte mit, daß die Absicht bestehe, nach Abschluß der Arbeiten über die Bundesrechtsanwaltsordnung das Notarrecht einer Revision zu unterziehen. Bei dieser Gelegenheit werde auch die von dem vorliegenden Antrag aufgeworfene Frage geprüft. Daher sei es zweckmäßig, sie bis dahin zurückzustellen. Die Vertreter des Justizministeriums von Rheinland-Pfalz schlossen sich dieser Auffassung an und verneinten weiterhin unter Bekanntgabe des einschlägigen Zahlenmaterials bis zur bundesrechtlichen Regelung das Bedürfnis nach neuen Ausnahmebestimmungen für einen verhältnismäßig kleinen Bezirk.
Die Mehrheit des Ausschusses entschied sich für die Ablehnung des Antrags der Zentrumsfraktion, ohne damit zu dem Problem der Trennung von Notariat und Anwaltschaft oder der Zulassung ihrer Verbindung grundsätzlich Stellung nehmen zu wollen. Der Rechtsausschuß empfiehlt die Ablehnung des Antrags auf Drucksache Nr. 2171.