Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben bei der Besprechung der Haushaltsnachträge immer wieder gehört, daß es sich um „Überrollungsetats" handle. Ich glaube, wir haben heute den Etat desjenigen Ministeriums vor uns, das im wahrsten Sinne des Wortes durch die Entwicklung der letzten Monate wie kein zweites überrollt worden ist. Man muß sogar, glaube ich, noch einen Schritt weitergehen und feststellen, daß die Wirtschaftspolitik und der Mann, der in unserer westdeutschen Bundesrepublik die Wirtschaft verantwortlich leitet, regelrecht unter die Räder gekommen sind.
Es ist bisweilen auch gesagt worden, es handele sich hier um die Halbzeit, die die Regierung Adenauer hinter sich gebracht hat; und wir haben vor gar nicht so langer Zeit hier in diesem Hause von einigen Rednern der Regierungsparteien, sagen wir mal: „Vorträge" anhören müssen, die diese Halbzeit zu einem großen Erfolg der Regierungspolitik stempeln wollten.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich einmal der Mühe unterziehen, sich nicht an äußerliche Tatsachen zu halten, sondern den Dingen etwas ernsthafter auf den Grund zu gehen, dann werden Sie feststellen müssen, daß man eine Charakterisierung des Ergebnisses der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, wenn man sie in einer relativ > kurzen Redezeit geben will, wie es der Fall ist, dahin zusammenfassen muß: sie hat begonnen mit dem Stichwort der „freien Marktwirtschaft" und der „Liberalisierung", — sie hat im Frühjahr dieses Jahres geendet mit dem Einfuhrstop vom 21. Februar, der das Fiasko der ganzen Politik, vor allem auch im Außenhandel, kennzeichnet.
Inzwischen sind, natürlich in gewissem Zusammenhang mit den Vorgängen seit dem KoreaKonflikt, so ziemlich alle Prinzipien und Theorien, die der Bundeswirtschaftsminister hier immer wieder vertreten hat, und sein Dogma völlig zusammengebrochen. Auch Sie haben wahrscheinlich bemerkt, daß seit einiger Zeit von „sozialer" Marktwirtschaft kaum noch gesprochen wird.
Das ist eine Halbzeit-Bilanz, die so eindeutig für sich spricht, daß man nicht viel dazu zu sagen braucht. Die sozialdemokratische Fraktion hat hier in diesem Hause jede Gelegenheit — nicht nur die traditionell-parlamentarische der Verabschiedung der Haushalte — benutzt, um zu sagen, was sie für notwendig hält, wenn die Wirtschaft in einem Lande, das durch Kriegs- und Nachkriegsfolgen in eine so besondere Situation geraten ist, vernünftig und zweckmäßig gestaltet werden soll. Wir haben immer wieder erklärt — und werden auch nicht müde werden, es immer wieder zu sagen —, daß die Wirtschaft in einem so zerrütteten Lande ohne überlegte Lenkung und vorausschauende Planung nicht in Ordnung gebracht werden kann. Es war unsere Forderung, diese Politik durchzuführen, wobei wir zugleich nie müde geworden sind, darauf hinzuweisen, daß nur solche Lenkung und Planung im vernünftigen Umfange die Garantie dafür geben, daß wir nicht wieder in die Zwangswirtschaft der
Jahre vor der Währungsreform zurückfallen. Es wäre in dieser wirtschaftlichen Situation darauf angekommen, vor allem die zu knappen Rohstoffe vernünftig einzusetzen und überhaupt das uns zur Verfügung stehende Potential an Rohstoffen und an Arbeitskräften zum vollen Einsatz zu bringen. Es wäre notwendig gewesen, die Verwendung der zu knappen Rohstoffe zweckmäßig und richtig zu planen. Es war also die beinahe selbstverständliche Aufgabe, durch die Planung einer wenn auch nur relativen Fülle zu verhindern, daß wir wieder zurückfielen in die Bewirtschaftung der Not und des Mangels.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie die wirtschaftliche Entwicklung in dem letzten Jahr beobachten und sich ehrlich darüber Rechenschaft geben, was sich in der Bundesrepublik abgespielt hat, dann werden Sie mir zugeben müssen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister — er wird sich darüber ja auch nicht ganz im unklaren sein —, der ausgezogen war, die Zwangswirtschaft zu beseitigen, jetzt drauf und dran ist und bis zum Halse drinsteckt, wieder eine obendrein noch miserabel funktionierende Bewirtschaftung einzuführen.
Das gilt in erster Linie für den Kohlesektor und nicht zuletzt in ebenso spürbarer und für die Wirtschaft schwieriger Form für Eisen und Stahl.
Wir haben im Bundestag — wenn ich auf die Kohlesituation ein wenig eingehen darf — immer wieder große Versprechungen gehört, und es ist erst drei oder vier Wochen her, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister hier wiederum erklärte, er verbürge sich dafür, daß für den Hausbrand 20 Zentner gegeben werden. Vielleicht hat der Herr Bundeswirtschaftsminister inzwischen die Debatte verfolgt, die der Landtag von Nordrhein-Westfalen — das ist ja immerhin das Land, das sozusagen auf der Kohle sitzt — am Dienstag dieser Woche, glaube ich, gehabt hat. Dort hat sein Parteifreund, der Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, erklären müssen, daß — unmittelbar über der Kohle! — bestenfalls damit gerechnet werden könne, daß für den Hausbrand 14 Zentner zur Verfügung stehen werden.
— Schön, wenn die Zeitungen falsch berichtet haben, — ich lasse mich gern belehren. Wenn es 18,2 Zentner sein sollten,
dann ist offenbar die Berichterstattung aus dem Landtag in der gesamten Presse falsch gewesen. Wahrscheinlich handelt es sich aber bei den 18,2 Zentnern wieder um eine jener Berichtigungen, die man nachträglich macht, nachdem vorher die Sache schiefgegangen oder die Wahrheit herausgekommen ist. Das will ich offen lassen. Aber die Situation ist ja nicht nur in Rheinland-Westfalen so, sondern praktisch in jedem Land so. Wenn ich allein an München denke und mir überlege, was dort an Kohlenvorräten vorhanden ist und wie die Versorgung weiterlaufen soll, dann komme ich zu der Überzeugung oder, richtiger gesagt, zu der starken Befürchtung, daß die Münchner Bevölkerung beispielsweise Glück haben wird, wenn sie 12 Zentner bekommt statt der 20, die einstmals versprochen waren.
Obendrein ist in der Zeit — und ich hoffe, der Herr Bundeswirtschaftsminister weiß es, und wenn er es nicht weiß, würde ich ihm sehr empfehlen, sich darüber zu informieren oder sich informieren zu lassen —, in der die Bundesregierung eine sehr merkwürdige Politik getrieben hat, um in der Ruhrbehörde den Export um eine Million Tonnen zu senken, die Menge der im Ruhrgebiet schwarz auf dem Markt zur Verfügung stehenden und gehandelten Kohle so angewachsen, daß sie auf über eine Million beziffert wird. Dort liegen also die Kohlen, die eigentlich in die Haushalte und vernünftig gelenkt in die Wirtschaft gehören. Sie werden dort schwarz gehandelt, weil aus der ganzen Wirtschaftstheorie und aus dem Dogma unseres Bundeswirtschaftsministers all das wieder erstanden ist, was bei vernünftiger Führung nie wieder hätte zu kommen brauchen, nämlich Schwarzhandel, Schwarzpreise und all die übelsten Erscheinungen, die wir alle kennen.
— Nun, Herr Kollege Preusker, das ist ein sehr schlechter Zwischenruf, daß der Herr Professor Erhard sein Dogma nicht hätte anwenden können. Erstens einmal hat er das in Hunderten von Reden und in Hunderten von Versammlungen laut verkündet, und ich werde Ihnen — und ihm auch — nachher gleich einiges von dem, was unser Herr Bundeswirtschaftsminister am 14. März gesagt hat, in die Erinnerung zurückrufen. Denn ich will ihm ein paar Fragen stellen, von denen ich hoffe, daß er sie beantworten kann.
Wir sind jetzt in der Situation, die der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Arnold, bezüglich des Schumanplans dahin gekennzeichnet hat, daß wir die Suppe auszulöffeln haben, die Bonn uns eingebrockt hat. Wir müssen jetzt alle miteinander die Suppe auslöffeln, die Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard uns eingebrockt hat,
weil selbst die bescheidenen Ansätze von Lenkung oder Bewirtschaftung oder Steuerung, die er versucht hat, miserabel funktionieren, höchstwahrscheinlich und nicht zuletzt auch deshalb, weil sie von Anfang an schon falsch angesetzt waren. Wir haben die Marktspaltung, wir haben gespaltene Preise. Die Folge ist: wir haben Wucher, und ich glaube sogar: wenn man sich einmal an Beispielen überlegt, was den Menschen heute etwa in der Industrie zugemutet wird, um Eisen oder Stahl zu bekommen, dann haben wir sogar Nötigung und Erpressung.
Das alles sind Bestandteile dieser einstmals so feierlich gepriesenen „freien Marktwirtschaft", obendrein noch „sozialen" Charakters.
— Nun, wenn der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, den ich ja aus den von ihm geführten Verhandlungen kenne und schätze, sagt, wir hätten nie eine freie Marktwirtschaft gehabt,
dann hätte ja die Bundesregierung samt ihrem Wirtschaftsminister dies dem Volk gegenüber niemals proklamieren dürfen!
— Aber Sie haben es proklamiert, und jetzt, nachdem die ganze Wirtschaftspolitik schief gegangen ist und der Herr Minister, wie ich sagte, von den wirtschaftlichen Ereignissen überrollt worden ist, wird so getan, als ob alles niemals gewesen sei oder behauptet worden wäre.
Auf alle Fälle steht eines fest: Wenn Sie den kleinen Mann auf der Straße fragen — und er hat ja nicht nur die Kohlensorge, sondern auch noch den Kummer mit Kartoffeln und Brot und Zucker und tausend anderen Dingen —, dann steht eine Tatsache fest.
— Das ist für Sie keine Wirtschaftspolitik? Oh, das betrifft sehr wohl die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, verehrter Herr Etzel. Darauf komme ich auch noch.
— Seien Sie nicht so ungeduldig; ich zitiere gleich
den Herrn Bundeswirtschaftsminister, und dann
haben Sie nichts mehr an Zwischenrufen zu sagen!
Auf alle Fälle steht eines fest: Wenn Sie den kleinen Mann draußen fragen — den Handwerker und auch den Kleinindustriellen und den anständigen Menschen in der Bundesrepublik —, dann gibt es ein einheitliches Urteil, daß nämlich die Wirtschaftspolitik — und damit auch der Herr Bundeswirtschaftsminister — zum größten sozialen Ärgernis in der Bundesrepublik geworden sind.
— Herr Kollege Etzel, Sie haben nachher die Möglichkeit, sich zum Wort zu melden, und ich freue mich darauf. Ich werde mich obendrein bemühen, mir fünf Minuten von meiner Redezeit aufzuheben, um darauf antworten zu können.
Meine Damen und Herren, in dieser Situation haben wir die Tatsache zu verzeichnen, daß wir mit Kohle und Eisen völlig festgelaufen und in unserer Produktion schwerer gehemmt sind denn jemals. Alles das, was dort seit Jahren mit Investitionspolitik hätte gemacht werden müssen, hat die Regierung versäumt; und wir haben heute, wenn wir Berlin dazurechnen, über anderthalb Millionen Arbeitslose. Ich möchte deshalb die Gelegenheit benutzen, um den Herrn Bundeswirtschaftsminister zu fragen — nachdem sich die Bundesregierung in der „Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit" in Paris und auch im Schuman-plan, den die Bundesregierung ratifizieren möchte, zur Vollbeschäftigung verpflichtet hat —, ob er auch heute noch der Auffassung ist, die er mehrmals ausgesprochen hat, daß es sich bei der Vollbeschäftigung um nichts mehr handle, als um eine parteipolitische Phrase, die obendrein noch in der Inflation enden würde. Es würde mich interessieren, ob der Herr Bundeswirtschaftsminister seine Auffassung etwas revidiert hat oder nicht. Auf alle Fälle scheint es mir zweckmäßiger, daß er uns hier diese Erklärung einmal verbindlich abgibt, statt daß er mit den vielen Reden, die er draußen hält, jedesmal demonstriert, daß die Bundesrepublik keine Wirtschaftspolitik hat.
Ich will Ihnen ein letztes Beispiel geben, und Sie werden mir nicht übelnehmen, da ich aus München komme, daß ich mich an das halte, was der Herr Bundeswirtschaftsminister am Montag oder Dienstag in München gesagt hat. Es war
wahrscheinlich einiges Gemurmel in der Versammlung wegen der Aufwandsteuer, die der Herr Bundesfinanzminister plant. Nun ist die Aufwandsteuer zweifellos für den Herrn Bundesfinanzminister eine fiskalische Angelegenheit; aber etwa behaupten zu wollen, daß sie nichts mit Wirtschaftspolitik zu tun hätte, wäre etwas kühn. Außerdem, wenn ich recht unterrichtet bin, hat der Herr Bundeswirtschaftsminister diesen famosen Katalog gemacht, der nachher sehr rasch allgemein abgelehnt und als unmöglich bezeichnet wurde. Immerhin: man will mit der Aufwandsteuer erreichen, daß das jetzt erschreckend knapp gewordene Material vernünftiger gelenkt wird, man will außerdem Kaufkraft abschöpfen oder umlenken, und nebenher möchte der Herr Finanzminister seine Kassen füllen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat gegenüber dem, was Schäffer sich bemüht hat, im Bundesrat und der Öffentlichkeit gegenüber zu vertreten, erklärt: „Meine Damen und Herren, wir haben zu wenig Autos und zu wenig Staubsauger, und ich wünsche, daß die Produktionssteigerung weitergeht und wir möglichst viel verbrauchen können."
— Da hat er auch recht, sagen Sie, Herr Preusker. Aber Sie werden doch hoffentlich wenigstens trotz Ihres kritischen Zwischenrufes zugeben müssen, daß Logik in so einer Art von Wirtschaftspolitik praktisch nicht mehr — von mir jedenfalls nicht mehr — entdeckt werden kann.
—Nun, mit dem Pech ist das halb so wild, Herr Wuermeling. Sie dürfen sich langsam daran gewöhnen, daß Sie vielleicht nicht mehr allzulange auf diesem Stuhl sitzen oder gar nicht mehr da säßen,
wenn nicht nur in Bremen, sondern in der Bundesrepublik gewählt worden wäre.
(Abg. Etzel [Duisburg] : Später werden Sie
weggestellt!)
- Oh nein! — Wenn ich mir die rechte Seite dieses Hauses ansehe mit den vielen Lücken, die da vorhanden sind, dann habe ich das Gefühl, daß das so ungefähr dem wirklichen politischen Kräfteverhältnis außerhalb des Hauses entspricht!
Von der FDP sind auch schon 5 von 12 weg. Bei der CDU — das gilt auch für Sie, Herr Dr. Köhler, das kann man nicht mehr aus der Welt schaffen — sitzen von 24 praktisch bloß noch 9 hier; die anderen sind schon politische Phantome.
Aber nun, meine Damen und Herren, kommen wir zurück zum Etat des Herrn Bundeswirtschaftsministers. Er hat am 14. März hier geglaubt, er könne einen sehr geschickten Schachzug machen. Er hat nämlich vor der Debatte ein ganz fulminantes Programm entwickelt und gedacht, mit diesem glänzenden Programm die Kritik an dem, was er ein Jahr vorher versäumt hatte, aus der Welt zu schaffen. Er hat z. B. gesagt, daß eine Politik, wie er sie sich vorstelle, „klare Verantwortungen und klare Zuständigkeiten" voraussetze. Er hat hier eindringlich erklärt, daß er als Bundeswirtschaftsminister auf Grund des Grundgesetzes die volle Verantwortung für die Wirtschaftspolitik verlange. Ich werde nachher an zwei, drei Beispielen zeigen, was daraus geworden ist.
Das, was er hier vorgetragen hat, fing damit an, daß er sich über die Preise ausließ. Er hat zunächst einmal - und das ist nun wieder interessant im Hinblick auf die Autos und Staubsauger von vor zwei Tagen — am 14. März gesagt, es werde bei allen demokratischen Volkswirtschaften unbedingt notwendig sein, eine Verkürzung der Lebenshaltung und eine Einschränkung des Konsums durchzuführen. Wie das mit den jetzigen Auffassungen in Einklang gebracht werden kann, weiß ich nicht.
Dann kam er auf die „Stabilität der Preise" zu sprechen und sagte: „Die Bundesregierung wird diesem Problemkreis ihre besondere Aufmerksamkeit schenken, und es wird deshalb insbesondere meine Aufgabe sein, in dieser Richtung Vorschläge zu entwickeln, die zu einem Erfolg führen." Das war zur Preispolitik. Wir haben während der ganzen sechs Monate, die abgelaufen sind, nichts von solchen Vorschlägen gemerkt und vor allen Dingen nicht das Gefühl, daß wir zu „stabilen Preisen", geschweige denn zu einer Stabilisierung der Preislage gekommen seien. Ganz im Gegenteil haben sich alle entscheidenden, vor allem Massen-und Verbrauchsgüter, für die Bevölkerung enorm verteuert.
Und dann zur Investition. Da hat Herr Professor Erhard gesagt, daß die Investitionen in den Grundstoffindustrien dringlich notwendig sind. Sie werden sich entsinnen, daß er damals den sehr kuriosen Plan mit dem Markenkleben des Aufbausparens vorbrachte, der nachher wieder abgesetzt worden ist. Zur Geld- und Kreditpolitik hat er gesagt, man brauche eine straffere Koordinierung mit der Bank deutscher Länder. Er hat dann als Forderung neben diesem Aufbauplan oder als Ziel der Preispolitik erklärt, er habe bereits Schritte eingeleitet, um im Sinne einer stärkeren Aufklärung und einer Offenlegung der Kalkulationen die Gewißheit zu geben, daß Industrie und Handel wirklich anständig kalkulieren. Gemerkt haben wir davon nichts; es war nur die Zusage, es zu tun. Er hat erklärt: „Ich werde weitere Vorschläge in der Richtung einer Verschärfung des Wirtschaftsstrafrechts dem Kabinett zuleiten." Er hat zur Preisüberwachung etwas sehr Kühnes gesagt; er hat erklärt: „Ich werde die Preisüberwachung aktivieren", und wörtlich darf ich Ihnen zitieren:
Ich möchte mit aller Deutlichkeit hier sagen, daß die Zeit der Steuersünder und der Preissünder zu Ende gehen muß.
Das war vor sechs Monaten. — Das „Sehr richtig!" ist sehr wichtig.
Wenn es aber auch nur ein einziges Beispiel gäbe, wären wir schon ganz zufrieden. Wir erwarten vom Herrn Bundeswirtschaftsminister nicht, daß er das, was in zwei Jahren schlecht gelaufen ist, in zwei Tagen oder zwei Monaten in Ordnung bringen kann. Ich wollte deshalb den Herrn Bundeswirtschaftsminister fragen, ob er hier einige Beispiele bekanntgeben kann. Wenn er das hier
nicht kann, möchte ich ihm einen andern Vorschlag machen: Dann möchte ich das sehr ehrenwerte Mitglied dieses Hauses aus dem Wahlkreis Ulm einmal auffordern, vor der Wählerschaft in Ulm auseinanderzusetzen, wieweit die Versprechungen des Bundeswirtschaftsministers nach dieser Richtung hin durchgeführt worden sind. Man wird sich dort sehr dafür interessieren, was gemacht worden ist.
Nun, meine Damen und Herren, mit der Schärfe, mit der man entschlossen war, durchzugreifen, ist es nichts gewesen, und mit der „Politik der tendenziell sinkenden Preise", die Professor Erhard ebenfalls verkündet hat, war es auch nichts.
Und die Politik der „stabilen Preise"? Sind Sie der Meinung, es herrscht wirklich sinkende Tendenz? Nein; es ist besser, Sie führen es nachher aus, damit wir es genau wissen.
Erhard hat dann erklärt, er würde Luxussteuern einführen; er hat erklärt, eine Wettsteuer, eine Reklamesteuer werde geschaffen. Nichts haben wir jemals davon erfahren. Er hat gesagt: Wir werden die Kapitalflucht verhindern und die Preiskontrolle beim Außenhandel einführen, und der Herr Vorsitzende der CDU-Fraktion, Dr. von Brentano, hat dazu den Zwischenruf gemacht „Sehr gut!". Nachdem nichts geschehen ist, würde ich gern erfahren, welchen Zwischenruf er heute machen würde.
Das Entscheidende aber ist, daß der Bundeswirtschaftsminister behauptet hat, daß er das alles verantwortlich mache und er die Wirtschaftspolitik trage.
Was wir nun in der ganzen Situation als typisch feststellen müssen, ist noch folgendes. In der Zollpolitik ist die Führung einwandfrei vom Bundeswirtschaftsminister auf den Finanzminister übergegangen, und der Herr Finanzminister hat — mit dem ihm gar nicht einmal übelzunehmenden „Kassenbewußtsein" — die Dinge durchgesetzt, die sich jetzt wirtschaftspolitisch denkbar schlecht und sehr stark zuungunsten der Bevölkerung auswirken. Das „Klassenbewußtsein" hatten dabei die Agrarier nach dem schönen Motto: „Bauern aller Bundesländer, vereinigt euch!", — mit dem Ergebnis, daß selbst bescheidene Zollsenkungsforderungen meiner Fraktion abgelehnt worden sind, aber acht oder vierzehn Tage danach die Bundesregierung den Schweinezoll aufheben mußte, um ein schlimmes Chaos zu verhindern.
Ich möchte Ihnen zum Schluß eines noch sagen: Glauben Sie bitte nicht, daß es der Opposition Zufriedenheit bereitet oder uns irgendwie mit Befriedigung erfüllt, wenn wir hier jedesmal, ganz gleich, wie lang die Zeitabstände sind, kommen müssen, um an der Bundesregierung und an der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung Kritik zu üben.
W i r sind ja diejenigen, die, wenn wir die Regierung übernehmen, das alles auszubaden haben und in Ordnung bringen müssen,
und es wäre uns tausendmal lieber — lachen Sie
ruhig, meine Herren —, es wäre uns im Interesse
der deutschen Bevölkerung wesentlich lieber, der
Bundeswirtschaftsminister würde seine Arbeit
wenigstens ein bißchen besser machen. Denn die
Bevölkerung ist der leidtragende Teil, und es hat
keinen Zweck, daß ein Großteil von Ihnen der Meinung ist, es werde alles vorzüglich gemacht, wenn alles schief geht. Wir haben — ich habe das vorhin erwähnt — augenblicklich 1 500 000 Arbeitslose. Wir stecken in den schwersten Rohstoff- und Versorgungskrisen. Die Kurzarbeit nimmt jeden Tag zu. Ich bin daher der Meinung: wenn wir schon 1 500 000 Arbeitslose zuviel haben, haben wir immerhin einen Arbeitslosen zu wenig: das ist der Bundeswirtschaftsminister,
und es wäre sehr gut, wenn er Herrn Adenauer darüber aufklären könnte.