Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Ich hatte bei der Beratung des vorangegangenen Haushalts die Möglichkeit, zwei Feststellungen zu treffen: erstens daß die Politik des Herrn Finanzministers maßgebend durch die Politik der gesamten Regierung bestimmt wird, die in der Linie der Remilitarisierung und Aufrüstung liegt,
— jawohl, Feststellungen, die nicht zu umgehen sind und denen Sie sich werden beugen müssen — und zweitens, daß diese Finanzpolitik darauf abgestellt ist, in Sonderheit die Massen unseres Volkes zu belasten. Ich hatte dabei nachgewiesen, daß 82 % der gesamten Einnahmen des Bundes und der Länder, sei es durch die Lohnsteuer, sei es durch die indirekten und Massensteuern, vom Volk aufgebracht werden müssen.
Die Auswirkungen dieser Finanzpolitik zeigen sich bei diesem Haushalt in noch erschreckenderem Umfange, und zwar in der gleichen Richtung. Ich darf nur darauf hinweisen, daß gegenüber dem Ansatz des vergangenen Jahres die Umsatzsteuer um 825 Millionen erhöht worden ist, die Umsatzausgleichsteuer um 75 Millionen, die Kaffeesteuer um 70 Millionen, die Zündwarensteuer um 12 Millionen, die Salzsteuer um 5 Millionen, während die Zölle um weitere 200 Millionen erhöht worden sind, und dazu kommt der große Posten der Mineralölsteuer, der ebenfalls um 430 Millionen DM höher eingesetzt worden ist. Insgesamt ist also bei den Massensteuern ein Betrag von 1397 Millionen mehr eingesetzt worden, und die breiten Massen werden sie tragen müssen.
Nun wird der Herr Finanzminister Äußerungen abstreiten, die hinsichtlich weiterer Maßnahmen und weiterer Absichten bezüglich der Steuerpolitik aus den Regierungsparteien und aus der Regierung selbst bekanntgeworden sind. Ich spreche im Augenblick nicht von der Aufwandsteuer und nicht von der Autobahnsteuer; dazu werden wir Stellung nehmen, sobald die Vorlagen da sind. Aber wenn auch der Finanzminister Pläne bezüglich neuer Steuern abstreiten will, — über eine Frage dürfte wohl Klarheit bestehen: Wenn die von dem kommenden Kriegsministerium Blank vorgeschlagene, von Herrn Dr. Adenauer dem Peters-berg unterbreitete und zugesagte Aufstellung von 12 Divisionen durchgeführt wird, dann werden die Summen, die von der Stelle Blank genannt worden sind, nämlich 2 Milliarden für die Aufstellung einer Division, also für 12 Divisionen ein Gesamtbetrag von 24 Milliarden, aufgebracht werden müssen. Diese Absichten wegen neuer Steuern werden dann zweifellos in die Tat umgesetzt werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur die beabsichtigte Erhöhung des Benzinpreises, die Einführung eines Besatzungskostenzuschlages, die Erhöhung der Altbaumieten und das Notopfer Berlin erwähnen.
Die Feststellung, die ich vorhin hinsichtlich der Tatsache getroffen habe, daß das Volk die gesamte Last zu tragen hat, wird durch eine Darstellung in dem „Generalanzeiger für Bonn und Umgegend" vom 2. Oktober dieses Jahres erhärtet, in der darauf hingewiesen wird, daß der Anteil der Steuern am Kaufpreis zum Beispiel bei Bier 21 %, bei Zucker 38 %, bei Salz 40 %, bei Branntwein 43 %, bei Kaffee und Tee 46 %, bei Zündwaren 57 %, bei Zigaretten 72 % beträgt. Die Zeitung kommt zu der Feststellung, daß der Anteil der Steuern an den Lebensmittelpreisen 50 % und mehr beträgt. Hier wird also bewiesen, daß die Finanzpolitik der Herren der Adenauer-Regierung ausschließlich auf eine Belastung des Volkes, der breiten Massen, hinausläuft. Die genannte Zeitung stellt fest, daß die steuerliche Belastung pro Haushalt vor dem Kriege 108 Mark betrug, während sie sich jetzt auf 250 Mark beläuft, d. h. also um etwa 150 % höher ist.
Meine Damen und Herren, Sie werden angesichts dieser Feststellungen nicht leugnen können, daß im Volk gegenüber dieser Politik der Regierung der Herren Dr. Adenauer und Schäffer, der Politik, die Mittel für die Remilitarisierung und für die Besatzungskosten aus dem Volk aufzubringen, immer größerer Widerstand erwächst. Der Herr Finanzminister ist nicht verlegen in seinen Methoden, das Geld beizutreiben. Im Vermittlungsausschuß ist hinsichtlich der Wegnahme eines bestimmten Anteils der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die den Ländern .zufließen, eine Einigung erzielt worden. Es kann aber nicht geleugnet werden, daß mit dieser Methode der Wegnahme der den Ländern zustehenden Mittel die Konsequenz verbunden ist, daß die Länder nun ihrerseits den Ausfall der Einnahmen auf dem Wege über weitere Erhöhungen insbesondere auf die Kreise und Gemeinden abwälzen. Es ist eine Tatsache, daß die Umlagen, seien es die Verkehrstarife, seien es die Tarife für Gas, Wasser oder Strom, beinahe überall schon erhöht worden sind. Die Stadt Frankfurt hat jetzt die Straßenbahntarife erhöht. Das heißt, die Politik von Bonn wirkt sich in ihrer letzten Konsequenz auch auf die Kommunalpolitik aus, und auf dem Wege über die Länder- und Kommunalpolitik werden wiederum die Massen unseres Volkes belastet.
Dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen. Ich denke, daß es einen Weg gibt, diese unerhörte, auch Teile unserer Wirtschaft belastende, zum Teil ihre Existenz unterminierende Finanz- und Steuerpolitik, insbesondere aber soweit sie sich in ihren Auswirkungen auf die Massen des Volkes erstreckt, zu überwinden. Das kann geschehen, wenn nicht eine Politik betrieben wird, die zum Kriege führt,
nämlich auf dem Wege über die Aufrüstung, sondern eine Politik, die den Frieden sichert, eine Politik, die nur darin bestehen kann — und ich möchte Sie bitten, das auch in Ihrer Eigenverantwortlichkeit gegenüber Ihren Wählern zu berücksichtigen —, dem Frieden zu dienen, indem wir zur deutschen Einheit und zum Abzug der Besatzungstruppen kommen. Dann wird unserem Volk diese unerhörte Belastung genommen werden, und die Mittel können dann für soziale und kulturelle, also für friedliche Zwecke verwendet werden.