Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entsprechend dem vereinbarten Charakter dieser Aussprache ist es nicht möglich, auf alle Einzelheiten des Haushaltsplans einzugehen. Wir behalten uns daher vor, im Rahmen des Haushaltsnachtrages einige Anträge zu stellen, insbesondere was die wissenschaftlichen Forschungsinstitute und die Aufgaben auf dem Gebiet der Siedlung angeht. Es ist heute auch nicht möglich, das ganze Feld der Agrarpolitik abzuschreiten. Der Verzicht, schon durch die sehr abgekürzte Redezeit erzwungen, fällt nicht sehr schwer; denn es würde doch wieder darauf hinauslaufen, hier bedauernd feststellen zu müssen, daß keine ernsthaften Anstrengungen gemacht werden, um dem Landwirt zu helfen, billiger und mehr zu produzieren. Es wird vielmehr immer mit der Politik, mit der schlechtesten Sorte von Politik, fortgefahren, die Preise zu erhöhen, obwohl sich jeder längst ausrechnen kann und ausgerechnet hat, daß für den Landwirt dabei gar nichts anderes herauskommt als eine dauernde Vertiefung der Konflikte in unserem Volk, als eine wesentliche Beeinträchtigung der Lebenshaltung von Millionen Menschen und zum Schluß die Gefährdung des Absatzes gerade der für die Landwirtschaft interessantesten Waren. Durch die gleichzeitigen Preissteigerungen für industrielle Erzeugnisse wird der Landwirtschaft hier sehr viel mehr weggenommen, als ihr durch diese scheinbaren Preiserhöhungen gegeben wird.
Ohne die Debatte wieder auf dieses Thema hinlenken zu wollen, möchte ich bei der Gelegenheit sagen, daß auch die heute von der Mehrheit beschlossene Zollerhöhung — es handelt sich nicht um eine Zollsenkung, sondern es handelt sich hier um eine Zollerhöhung, um die Einführung von Zöllen für Lebensmittel, die früher eben wegen ihrer großen Bedeutung für die Ernährung der breiten Schichten der Bevölkerung zollfrei eingeführt worden sind — nur ein weiterer Schritt auf diesem Wege ist. Dabei ist das zugleich auch ein Beweis für eine außerordentlich schlechte, negative Agrarpolitik. Die Zeit ist, wie wir alle hoffen, sehr kurz bemessen, in der wir uns noch mit solchen Mitteln von den Nachbarländern abschließen können. Sie alle wissen, daß wir nur am Leben bleiben werden, wenn dieses Europa zu funktionieren beginnt und so schnell wie möglich zu funktionieren beginnt; und Zollpolitik ist die allerschlechteste Vorbereitung auf dem Wege zu dieser von uns allen gewünschten Entwicklung. Mit dieser bequemen Politik wird doch nichts anderes getan, als daß man der Landwirtschaft in den Arm fällt und ihr die Möglichkeiten abschneidet, sich auf die Verhältnisse einzustellen, mit. denen sie einmal fertig werden muß. Was heute so leicht gegeben wird, weil es so bequem ist, wird einmal außerordentlich teuer bezahlt werden müssen. Auf diese Weise werden nicht nur das Schmalz und der Speck, sondern es wird noch etwas ganz anderes teurer werden.
Es ist vielleicht eine unerwünschte Folge der zum Teil recht massiv vorgetragenen Klagen und Behauptungen, wenn in der Öffentlichkeit das Interesse an den agrarischen Problemen zunimmt. Ich persönlich begrüße dieses zunehmende Interesse, und die Tatsache, daß die Rentabilität unserer Landwirtschaft für die Volkswirtschaft von außerordentlich großer Bedeutung ist, rechtfertigt das Interesse ja auch. Ich hoffe, daß die agrarischen Probleme und gewisse Forderungen auf eine möglichst nüchterne Weise betrachtet werden, und ich könnte mir denken, daß dabei Maßstäbe angelegt werden, deren Richtigkeit und deren wirtschaftliche Zweckmäßigkeit von niemandem bestritten werden kann, die allerdings bisher unserer Landwirtschaft noch nicht angelegt worden sind, insbesondere von denen nicht, die sich eine recht bequeme Weise der Vertretung agrarischer Interessen zurechtgelegt haben.
Ich möchte den Rest meiner Redezeit dazu benutzen, Sie auf einen Ausschnitt aus dem Gesamtproblem hinzulenken, das heute dringend Ihrer ganzen und ernsten Aufmerksamkeit empfohlen werden muß, auf unsere Versorgungslage. Wir werden zwar auch in diesen Tagen und Wochen immer wieder mit der Versicherung gefüttert, daß der Anschluß gesichert sei und daß irgendwelche Versorgungsschwierigkeiten nicht auftreten würden. Es ist begreiflich, daß diejenigen, die besondere Verantwortung für die Dinge tragen — welche so ungereimt wie unser wirtschaftliches Leben sind — sich gern mit solchen Feststellungen trösten lassen. Es wird dabei leider übersehen, daß immer dann, wenn der Anschluß gerade noch erreicht werden konnte, der Preis dafür außerordentlich hoch war. Sie erinnern sich vielleicht, meine Damen und Herren, daß wir im vergangenen Jahre von dem Herrn Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft auf eine sehr konkrete Frage von mir gehört haben, daß die Verzögerung der Subventionszusage für einzuführenden Zucker — wir müssen nun einmal eine außerordentlich große Menge Zucker aus dem Ausland einführen — uns in Wirklichkeit 6 Millionen DM gekostet hat. Es haben, glaube ich, alle oder mindestens einige von Ihnen das Material der Marktforschungsstelle Zucker erhalten, und hier wird kaum jemand sein, sicherlich nicht auf Ihrer Seite, der die Sachkenntnis dieser Stelle anzweifelt. Sie werden in diesem Material gelesen haben, daß dasselbe Verfahren, d. h. dieselbe Entschlußlosigkeit, uns in diesem Jahre 50 bis 60 Millionen DM und die dazugehörigen Devisen gekostet hat. Das als ein kleiner Wermutstropfen in den Becher der Freude darüber, daß wir den Anschluß erreicht haben.
Es hat auch keinen Sinn, wenn hier gesagt wird: Mit dem Brotgetreide ist es in Ordnung; es fehlt nur an Futtergetreide. Jeder weiß, daß das ein und dasselbe ist und daß es am Schluß eher an Brotgetreide als an Futtergetreide fehlen wird. Unsere Brotversorgung, unsere Fettversorgung und unsere Zuckerversorgung hängen in sehr hohem Maße davon ab, daß die entsprechenden Mengen, die hier nicht erzeugt werden können, aus dem Ausland eingeführt werden. Es ist keine übertriebene Behauptung, wenn ich sage, daß sich heute auch unter den Verantwortlichen niemand auch nur andeutungsweise darüber im klaren ist, mit welchen Mitteln diese Einfuhren denn bezahlt werden sollen.
Das Problem wird um so schwieriger, als bekanntlich die Marshallplanmittel, die dafür bisher zur Verfügung gestanden haben, auch wesentlich gekürzt worden sind. Ich glaube, es ist nicht mehr länger zu ertragen, daß man uns sagt: Wir schaffen's schon, wir kriegen schon das nötige Geld, in Wirklichkeit aber nichts tut. Wir fordern mit allem Nachdruck, daß die Bundesregierung sehr schnell ein Einfuhrprogramm mit den notwendigen Prioritäten vor uns allen hier ausbreitet und daß sie sich auf dieses Einfuhrprogramm so eindeutig festlegt, daß dann auch eine vernünftige Vor-disposition über die zur Verfügung stehenden Devisen möglich wird.
Ich richte meine Vorwürfe in dieser Beziehung keineswegs an die Adresse des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich weiß, daß dafür in Wirklichkeit das verantwortlich ist, was man in diesem Hause „Wirtschaftspolitik der Regierung" zu nennen pflegt. Wir sind jetzt schon wieder mitten in der Periode, in deren Verlauf durch mangelnde Vorbereitung, durch mangelnde Planung, durch Mangel an vernünftiger, weitschauender Disposition der Anschluß schließlich nur durch eine sehr erhebliche Beanspruchung von Steuergeldern und über den Preis zu Lasten des Verbrauchers gefunden wird. Wenn sich diese Auswirkungen auf dem Zuckergebiet allein von einem Jahr auf das andere von 6 Millionen auf 60 Millionen DM steigern, — ich überlasse es Ihrer Phantasie, sich auszumalen, was dann im nächsten Jahre sein wird.