Meine Damen und Herren! Die Erklärung, die der Herr Abgeordnete Renner ab-
gegeben hat, gibt mir die Möglichkeit, einmal den Widerspruch der kommunistischen Meinungen ganz kurz vorzutragen. Bekanntlich ist am 30. November 1948 die Spaltung der Stadt Berlin durch die Kommunisten vorgenommen worden,
und ein neuer demokratischer Magistrat ist von den Stadt- und Bezirksverordneten gewählt worden, Herr Renner. Nach der von den vier Alliierten erlassenen Verfassung ist die Stadtverordnetenversammlung dann beschlußfähig, wenn die Hälfte der Abgeordneten anwesend ist. Damals hatten wir von 130 Abgeordneten 26 Abgeordnete der SED, und diese 26 Abgeordneten haben dann den neuen „demokratischen" Magistrat am 30. November im Berliner Admiralspalast gewählt. Es war sehr interessant, daß bereits am 2. Dezember 1948 die sowjetische Besatzungsmacht, die die damalige provisorische Verfassung mit unterschrieben hat, den neuen, undemokratisch gebildeten Magistrat anerkannte. Herr Renner, Sie sind in Berliner Fragen nicht so bewandert, darf ich deshalb zitieren, was Herr Friedrich Ebert am 30. November 1948 vor der Berliner Universität gesagt hat:
Um alle Unklarheiten zu vermeiden, erkläre ich hiermit unmißverständlich, daß der neue Magistrat nur ein Provisorium darstellt. Wir werden unverzüglich darangehen, eine neue Verfassung und eine neue Wahlordnung auszuarbeiten. Danach werden wir wahrhaft demokratische Wahlen durchführen lassen und abtreten sowie dem neu gewählten demokratischen Magistrat die Amtsgeschäfte übergeben.
Das ist nun drei Jahre her, und wir haben überhaupt nichts von dem gesehen, was sie damals versprochen haben.
— „Sie", das sind die Kommunisten.
Was Herr Ebert sagt, mag für Sie vielleicht nicht verbindlich sein, deswegen möchte ich den Mann sprechen lassen, der ja wohl Ihr erster Chef ist, den Generalsekretär der SED und stellvertretenden Ministerpräsidenten der — wie Sie es nennen — Deutschen Demokratischen Republik. Damit werden Sie gleich sehen, wie schief Sie mit Ihrer Auffassung liegen. Herr Walter Ulbricht hat auf dem Parteiaktiv der Berliner Organisation der SED am 3. August 1950 gesagt:
Bei den Wahlen am 20. Oktober 1946 in Berlin gelang es den anglo-amerikanischen Kriegstreibern mit ihrer Hetze gegen die Oder-Neiße- Linie, gegen das volksdemokratische Polen und gegen die Sowjetunion einen Teil der Bevölkerung irrezuführen. Die Führung der SED
— Herr Renner, das sagte Herr Ulbricht am 3. August 1950 —
hat vor längerer Zeit die Frage Neuwahlen gestellt. Wir sind der Meinung, daß die Lage in Berlin sich so weit entwickelt hat, daß die Bevölkerung auf Grund der Erfahrung der letzten Jahre ein richtiges Urteil abgeben wird, wer Freund und wer Feind des Volkes ist. Wir sind für Gesamtberliner Wahlen, und zwar auf der Grundlage der Wahlordnung, die gemeinsam mit den jetzigen Westberliner Vertretern vor der Spaltung Berlins vereinbart wurde.
Das ist das, was Herr Ulbricht am 3. August 1950 erklärt hat.
Ich habe am Sonnabend im Berliner Abgeordnetenhaus namens der sozialdemokratischen Fraktion — und die andern Fraktionen haben diesen Standpunkt unterstützt — erklärt: Bitte, wenn Herr Ulbricht dieser Meinung ist, wir sind ja bereit, das Volk in Berlin auf dieser Grundlage zu befragen. Wir haben keine Angst gezeigt vor demokratischen Wahlen. Wir haben uns am 20. Oktober 1946, am 5. Dezember 1948 und am 3. Dezember 1950 zur Wahl gestellt, und ich stelle fest, daß es die Kommunisten waren, die bisher nicht den Mut hatten, in ihrem Sektor freie demokratische Wahlen auszuschreiben. In Berlin haben wir die Möglichkeit, auf Grund der von allen vier Alliierten zur Oktoberwahl 1946 ausgeschriebenen Wahlordnung und auf Grund der Verfassung, die von allen vier Alliierten geschaffen worden ist, ohne jede Einschränkung sofort das Exempel zu machen, und, Herr Renner, wir, die demokratischen Parteien, haben am Sonnabend einmütig erklärt, daß wir bereit sind, auf dieser Grundlage zu wählen.
Nun zu Ihrer Äußerung, daß 600 Millionen DM wieder herausgeschmissen werden und daß der arme Steuerzahler in Westdeutschland das tragen muß.
— Ja, Herr Renner, wir in Berlin sind von der ersten Besatzungsmacht, die zuerst ab 22. April 45 die ganze Stadt übernahm, zu 85 % ausgeplündert worden.
Wir sind von der Besatzungsmacht, die Sie so lieben, ein Jahr blockiert worden; unsere Wirtschaft ist dadurch in unendliche Schwierigkeiten gekommen. Wir sind dann mit Hilfe dieser Besatzungsmacht am 30. November 1948 gespalten worden, und auch daraus ergeben sich wirtschaftliche Schwierigkeiten für diese Stadt. 180 Grenzsperren hat die Partei, die Sie vertreten, mitten durch Berlin gezogen,
180 Barrikaden, und das alles im Namen der Einheit und der Freiheit!
Bitte, ich sage nochmals; wenn Sie für die Einheit sind, wenn Sie für die Freiheit und das einheitlich% Berlin, diese Hauptstadt Deutschlands, sind, dann sagen Sie doch Ihren Leuten, daß sie in Berlin den Probefall der freien Wahlen, der ohne jede Bevormundung und ohne Befragung der Alliierten möglich ist, machen sollen, und die Einheit Berlins ist da. Dann würde es sich auch erübrigen, daß Sie Unterstützungen in der Höhe an die Stadt geben müssen, wie Sie sie heute zu unserem Leidwesen immer noch gewähren müssen.