Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, angesichts des zum Teil überreichlich bekannten Stoffes, den der Herr Abgeordnete Rische vorgetragen hat, kann ich mich bei meiner Antwort auf verhältnismäßig wenige und dafür um so klarere Feststellungen beschränken. Es ist zunächst selbstverständlich, daß wir mit jedem Mittel nachzuweisen bereit sind — und wir haben es dabei sehr leicht —, daß der Marshallplan in dem Augenblick, als er anlief, tatsächlich die einzige Möglichkeit war, zusammen mit der damals eingeleiteten Wirtschaftspolitik und mit der Währungsreform jene starke Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft zu erreichen, von der wir wissen.
Ich will aber nicht zu diesen Allgemeinheiten, sondern zu den konkreten Fragen, die Herr Rische freundlicherweise glaubte stellen zu müssen, sprechen, obwohl er zum Teil weiß oder sich sagen sollte, daß es besser wäre, auch westdeutsche Quellen zu lesen statt ausschließlich ostdeutsche oder russische. Wenn er das nämlich täte, käme er z. B. nicht auf die Herstellung solcher Zusammenhänge, die in sich unmöglich sind, wie er z. B. Verhandlungen über Marshallplanhilfe oder ihre Verwendung im Zusammenhang mit deutschem Auslandsvermögen konstruiert hat. Die Dinge gehören nicht zusammen, und es ist auch noch niemals darüber im Zusammenhang gesprochen worden.
— Nicht ein einziges Mal, Herr Rische. Das ist Ihnen unangenehm, aber lassen Sie mich bitte in Ruhe ausreden.
Das Zweite: Es ist — ich sage das aus einem sehr übergeordneten politischen Interesse — auch kein Pfennig für irgend etwas, was man Rüstungsbetrieb nennt, über Gegenwertmittel verwandt und niemals ein solches Ansinnen an uns gestellt worden.
Und das Dritte: Da muß ich allerdings sagen, daß es mir sehr schwer wird, nicht ein Bibelwort als Charakteristik für Herrn Rische zu gebrauchen. Aber ich befürchte, mir dann den Tadel des Herrn Präsidenten zuzuziehen.
Ich kann nicht verstehen, warum Herr Rische — ich glaube, das Wort ist parlamentarisch zulässig — Krokodilstränen wegen des Ostwesthandels weint. Denn dieser Handel ist nur insofern eingeschränkt, als es sich um wehrwichtige oder kriegswichtige Güter handelt. Und wenn wir ihn durchführen wollen und uns drei Monate darum bemühen, zu Rande zu kommen, dann machen Sie überflüssige Schikanen.
— Das machen Ihre Vormünder aus Moskau.
— Bitte, lassen Sie mich doch reden. Ich habe Sie ja auch nicht unterbrochen.
Herr Rische scheint sich sehr, sehr wenig mit Zahlen beschäftigt zu haben. Wenn er sich nämlich mit Zahlen beschäftigt hätte, dann würde er die von mir ausgesprochene Behauptung von der Steigerung der deutschen Lebensfähigkeit nicht mit einer solchen Frage beantwortet haben. Wenn ein Land mit ganz geringem Verbrauch, mit äußersten Einschränkungen für alle, im Jahre 1948/49 mit einer Dollarhilfe von 1400 Millionen Dollar mühselig auskam und wenn wir bei ungleich gesteigertem Verbrauch und ungleich gesteigerter Produktion ih diesem Jahr mit einem Dollardefizit von 400 Millionen trotz gesteigerter Weltmarktpreise zurechtkommen, so ist das immerhin in drei Jahren ein Schritt, der uns beweist, daß wir in sehr absehbarer Zeit die deutsche Lebensfähigkeit in der Tat erreicht haben werden. Um diese Dinge geht es ja, und ich glaube, man müßte, ehe man fragt, die Dinge genauer kennen.
Nun zu etwas anderem, dem ewigen Leitmotiv von der Verschuldung. Ich muß erstens sagen, daß ein sehr beträchtlicher Teil der Mittel in der Tat keine Schuld darstellen wird. Ich muß auf der anderen Seite aber auch klarstellen, daß diese Schulden nicht uferlos durch Konsum in öff entlichen Schulden untergegangen sind, sondern daß ihnen ja gerade die allerbedeutendsten neuen Anlagen für die Güterproduktion als neue Werte gegenüberstehen. Wir haben keine eingleisigen Bahnstrecken, bei uns hat nicht eine Besatzungsmacht die eine Hälfte weggeschleppt. Wir haben auch nicht dauernde Entnahmen, sondern wir haben in der Tat mit der Hilfe des Marshallplans an vielen Stellen überhaupt erst einmal wieder frisches Leben wecken können. Darum geht es!
Dann weint Herr Rische über die Verteilung der Marshallplanmittel. Fangen wir bei dem größten Posten an: mehr als 20 % allein für die Steigerung der Energieerzeugung! Nehmen wir dann die nächsten großen Posten für die Kohle und den Bergarbeiterwohnungsbau. Denken wir auch daran, daß Vertriebenenkredite — und hier darf ich einmal von mir sprechen: als Ergebnis meiner allerpersönlichsten Initiative — nur mit Hilfe des Marshallplans gewährt werden konnten.
Herr Rische, Sie verraten in diesem Augenblick eine verhängnisvolle Unkenntnis wirtschaftlicher Zusammenhänge, weil Sie gerade darüber weinen, daß wir in diesem Stadium keine Kredite an die
Konsumgüterindustrie geben. Wir wissen nämlich, daß es sehr notwendig ist, die heutige Produktionskapazität der Konsumgüterindustrie in bezug auf dauernde Absatzfähigkeit gewissenhaft zu untersuchen. Wenn man das alles zusammennimmt, dann ist es klar, daß hier nicht gefragt, sondern ausschließlich getrommelt wurde.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, man sollte weiter, bevor man solche Reden hält, arbeiten, und wenn da z. B. von irgendwelchem Geheimnis hinsichtlich der Verwendung der Mittel gesprochen wird, — ich glaube, es ist eine Beleidigung für den Haushaltsausschuß dieses Hohen Hauses, und es ist eine Beleidigung für das ganze Hohe Haus, wenn ihm in öffentlicher Rede im Bundestag unterstellt wird, es ließe sich durch unklare Zahlen oder nicht nachprüfbare Angaben düpieren und übertölpeln.
Was nun die Gelder für die Presse betrifft, so ist es zwar nicht meine Angelegenheit, mich da hineinzumischen; ich glaube aber in der Tat, daß auf der anderen Seite ein Staat kein Interesse an der Unterstützung einer Presse haben kann, die ihn verneint und ihn zu unterminieren bestrebt ist.
Darum geht es. Sie haben nämlich nur von der zu Ihrem Kummer nicht bedachten kommunistischen Presse gesprochen.
Sie haben darüber gesprochen, und ich antworte auf das, was Sie gesagt haben.
Das gleiche gilt von der Behauptung über unzulängliche Einzelarbeit hinsichtlich der Untersuchung: In welcher Weise ist die Forschung gefördert worden? Ich glaube, der erste, wirklich ganz große Schritt zur Förderung der Forschung ist nur mit Hilfe der Gegenwertmittel möglich gewesen, und auch das ist allgemein bekannt.
Wogegen ich mich aber wehren muß, das ist wieder einmal eine nicht beweisbare und bestimmt ohne jeden Versuch einer Prüfung aufgestellte Behauptung hinsichtlich der Verwendung der Mittel für den Wohnungsbau. Die Mittel für den Wohnungsbau werden nur für den sozialen Wohnungsbau verwendet, für sonst nichts.
Das möchte ich mit aller Deutlichkeit gesagt haben.
Im übrigen weiß ich, daß es nicht für jedermann angenehm ist, einsehen zu müssen, daß es neben der Gewalt auch noch die Möglichkeit gibt, das böse Wort vom Fluch des Goldes dadurch aufzuheben, daß materielle Kräfte eingesetzt werden, um den Frieden zu retten durch die Stärkung und Sicherung der Wohlfahrt der freien Völker. Das aber ist der Sinn des Marshallplans, und deswegen ist er in der Tat eine Waffe der Freiheit und eine Bedrohung der Diktatur.