Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß man hier zu einem Teil in völliger Verkennung des Charakters des § 4 des Zolltarifgesetzes diskutiert hat. Wir sollten uns doch darüber klar sein, daß der § 4 des Zolltarifgesetzes eine Änderung der autonomen oder in Torquay ausgehandelten Zollsätze vorsieht mit dem Ziele, diese Zollsätze so weit zu verändern, daß sie der gegebenen wirtschaftlichen Situation entsprechen.
In dieser Hinsicht ist es durchaus richtig, daß die ganze Verordnung die Worte „bis auf weiteres" enthält, und da ist — ich werde ja die Ehre haben, den Entschließungsantrag unserer Fraktion noch zu begründen — das nur richtig, was Kollege Kalbitzer ausgeführt hat.
Es ist weiterhin auch von uns eindeutig unterstrichen worden, daß wir gar keine Auseinandersetzung über die Frage des ausreichenden Ein- oder Auskommens der Bauernschaft und ihrer Familien haben wollen. Dieses Auskommen gestehen wir der Landwirtschaft und den Angehörigen in der Landwirtschaft genau so zu, wie Sie als Vertreter der Bauernschaft selbst es für sich in Anspruch nehmen.
Aber man soll sich doch über folgendes klar werden. Wenn man vernünftige Produktionsverhältnisse schaffen will, kann man sie zweifellos nicht
über den Zoll erreichen, sondern kann diese vernünftigen, rationellen Produktionsverhältnisse eben
nur durch Rationalisierungsmaßnahmen, durch entsprechende Produktionsverbesserungen erreichen.
— Es ist zweifellos richtig, Herr Kollege Preiß, daß das einiges Geld kostet, und dafür sollten Mittel zur Verfügung gestellt werden, nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für andere Dinge, die notwendigerweise getan werden müssen. Ich denke hier an die Industrie und da nicht zuletzt an die Grundstoffindustrie.
Man sollte sich darüber klar sein, daß man nicht auf einem abseitigen Gebiet irgendwelche Dinge tun kann, um beispielsweise von der Basis des am schlechtesten organisierten Betriebes ausgehend den Schutz festzustellen, der notwendigerweise durch den Zoll erreicht werden soll.
— Nein, das ist nicht unerhört, sondern das wird weitgehend so vertreten, weil man einfach nicht bereit ist, entsprechenden Maßnahmen, die einer Produktionsverbesserung dienen, wirksam das Wort zu reden.
— Gut, Herr Dr. Preiß.
Nun aber ein Wort zu dem, was hier bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Freudenberg praktisch so als Schlußbemerkung gelaufen ist. Es ist doch zweifellos ein sehr starkes Stück, Herr Kollege Freudenberg, wenn Sie in diesem Zusammenhang von einem sturen Verhalten der sozialdemokratischen Vertreter im Ausschuß sprechen.
— Nein! Es ist doch so — da muß mit aller Deutlichkeit noch einmal darauf hingewiesen werden, was Kollege Kalbitzer schon vorher ausgeführt hatte —, daß wir uns im Ausschuß, ais wir den autonomen Zoll und auch Torquay verhandelten, sehr klar darüber waren, daß, um keine weitere Erhöhung der Lebenshaltungskosten durch die praktisch in einer Reihe von Positionen erfolgten oder erfolgenden Zollerhöhungen eintreten zu lassen, Zollermäßigungen auf Grund der Ermächtigung, über die wir uns dann im § 4 verständigt haben, Platz greifen sollen, möglicherweise sogar in einem Umfange, wie sie bis zum 30. Juni bestanden haben.
Man muß doch davon ausgehen, was einmal gewesen ist, nämlich der Zollfreiheit einer Reihe von Positionen, wobei Industrie und Landwirtschaft — sagen wir Erzeuger auf der einen und Handel auf der anderen Seite — immer noch sehr, sehr gut leben konnten. Wir sollten uns doch darüber klar sein, daß weitergehende Belastungen, als sie bei den Grundnahrungsmitteln vertretbar sind, auch nach Ihrer Meinung, doch zu einer ganz entscheidenden Verschiebung des Preisgefüges und gleichzeitig zu einer erheblichen Schwächung der Kaufkraft führen. Es ist also so, daß wir in gar keinem Fall, da es sich hier zu einem wesentlichen Teil um Agrarzölle handelt, der Landwirtschaft die Dinge bestreiten, die auf Grund der gestiegenen Produktionskosten für sie notwendig sind. Aber regeln Sie das bitte auf einem anderen Wege, nicht über Zölle, sondern lassen Sie den Zoll als außenhandelspolitisches Instrument in seiner ursprünglichen Bedeutung bestehen.
Wir sind auch durchaus mit der Äußerung und mit der Feststellung einverstanden — das hat auch der von unserer Seite gegebene Beifall gezeigt —, daß aus dem deutschen Boden herausgeholt werden soll, was nur zur Sicherstellung unserer Ernährung herausgeholt werden kann. Aber wir sind uns doch darüber einig, daß der Boden im Geltungsbereich des Grundgesetzes einfach nicht zu 100 % hergibt, was zur Versorgung unserer Bevölkerung notwendigerweise vorhanden sein muß.
Wenn man sich in diesem Zusammenhang — ohne jetzt auf Einzelpositionen eingehen zu wollen — noch einmal die Verordnung über die Zolländerungen ansieht, dann kann man doch nur sagen, daß die Landwirtschaft im Hinblick auf die notwendige Fleisch- und Fettversorgung eingestandenermaßen im Augenblick nicht in der Lage ist, diese Lücke zu schließen. Aus diesem Grunde haben wir auch in dem Entschließungsantrag auf Umdruck Nr. 318 die Regierung noch einmal ersucht, in einer weiteren Verordnung über Zolländerungen die Rinder zum Schlachten unter Zollsicherung zollfrei hereinzubringen.
-- Wir sind — Herr Struve, mit diesem Einwand habe ich gerechnet — sehr wohl bereit, in dem Augenblick, in dem die deutsche Landwirtschaft in der Lage ist, die Versorgungslücke zu schließen,
wieder auf den alten Zollsatz zurückzugehen, so daß keinerlei Gefährdung der Produktion der Landwirtschaft entsteht. Aus dem gleichen Grunde haben wir diesen Antrag auch für Schweine im Lebendgewicht von mehr als 35 kg pro Stück gestellt. Für Schweineschmalz und Schweinespeck zur Ergänzung unserer Fettdecke gilt dasselbe. Für Eier wiederholen wir in diesem Zusammenhang den Antrag, den wir im Ausschuß gestellt haben — ich will ihn noch einmal formulieren —: Für die Zeit vom 16. Februar bis 31. August 5 % und für den Rest der Zeit Zollfreiheit, d. h. Zollfreiheit in der Zeit, in der bei uns die Hühner nicht so fleißig sind.
Im übrigen ist in diesem Zusammenhang noch hinzuzufügen: Wir müssen unter allen Umständen seitens der Bundesregierung erwarten, daß für Rohstoffe oder für die Erzeugnisse der ersten industriellen Verarbeitungsstufe, die bei Mangellagen den Rohstoffen gleichzusetzen sind, zur Sicherung der Versorgung unserer Industrie auch Zollfreiheit oder weitgehende Zollbegünstigung — stärker als jetzt ab 1. Oktober vorgesehen — Platz greift. Denn wir wünschen nicht, daß sich hinter einem möglichen Zollsatz erhöhte Gewinnspannen der Industrie, des Handels, oder wer immer es sein mag, verstecken können, —