Rede von
Adolf
von
Thadden
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(Fraktionslos)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DRP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu der großen Planlosigkeit in den westlichen Demokratien hat der Kreml seit 1917 eine sehr gerade und sehr klare Linie. Von Stalin stammt das Wort, daß man die Taktik Dutzende von Malen ändern könne, daß das Ziel aber immer unverrückbar fest bleibe. Es kann daher in dem jetzigen Angebot, das von Herrn Grotewohl gemacht worden ist, sicherlich nicht die Initiative zum Selbstmord der SED erblickt werden, sondern vielmehr nur ein Schachzug des Kremls.
Meine Damen und Herren! Es wird ja in Deutschland immer von der deutschen Einheit in Freiheit geredet, die wir wiederherstellen wollen. Ich bin
aber der Überzeugung, daß wir die Alternative, vor der wir uns seit einiger Zeit befinden, nicht so sehr überspannen sollten. Wenn man die deutsche Einheit wiederherstellen will, dann wird im Augenblick immer der Vorschlag gemacht, hier aufzurüsten, um diesem Ziele näher zu kommen. Ich glaube, daß wir diesem Ziele wesentlich näher kämen, wenn wir uns einmal bemühten, nun herauszufinden, was die Sowjets, deren Position sich in der letzten Zeit doch erheblich geschwächt hat, wirklich wollen. Die Vorbehalte und die Vorschläge für eine Wahlordnung, die der Herr Bundeskanzler hier vorhin vorgebracht hat, können jedoch nur auf das nachdrücklichste unterstützt werden, wenn man vor unliebsamen Überraschungen mit den Söldnern Moskaus sicher sein will.
Ich muß aber der Ansicht widersprechen, daß die Wiedervereinigung Deutschlands ausschließlich Angelegenheit der Besatzungsmächte sei. Zweifelsfrei sind die Besatzungsmächte die Urheber des derzeitigen Zustands. Das enthebt uns aber nicht der Notwendigkeit, etwas mehr in diesen Dingen zu tun, als bisher getan worden ist. Es ist häufig der fatale Eindruck entstanden, daß man sich sagte, die in Bonn wollen ja diese allgemeinen Wahlen gar nicht aus der Angst heraus, daß bei solchen Wahlen die gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse in Bonn ganz erheblich ins Rutschen kommen könnten.
Ein britischer Sprecher der Hohen Kommission erklärte kürzlich, daß man den offiziellen Vorschlag der Sowjets auf Wiedervereinigung Deutschlands nicht ablehnen solle, sondern daß man bei allen Vorbehalten, die man sowjetischen Offerten gegenüber haben müsse, auf die Dinge eingehen müsse. Es wurde auch sehr richtig erklärt, daß die Erklärung Tschuikows ein Beweis dafür sei, daß die zunehmende Festigkeit im Westen ihren Eindruck auf die Sowjets nicht verfehlt habe. Aber, meine Damen und Herren, wenn die Franzosen — sie haben es jetzt vor einigen Tagen sehr heftig und sehr energisch dementiert — immer noch mit der Möglichkeit liebäugeln, mit den Russen in ein direktes Gespräch zu kommen, dann sehe ich nicht ein, warum wir, die wir nun rein territorial die Anlieger, Anrainer sind, dies nicht noch mehr als die Franzosen tun sollten, die es nur mit dem Hintergedanken tun, uns etwas anzuhängen. Die jetzigen Dementis aus Paris, als eine amerikanische Meldung die Nachricht brachte, daß die Franzosen gewillt seien, mit den Russen wieder direkte Besprechungen aufzunehmen, waren mehr als pflaumenweich.
Wir hoffen, daß die Bundesregierung es in Zukunft nicht mehr bei allgemeinen Erklärungen bewenden läßt, sondern daß sie sich noch energischer als bisher auf diese Dinge einstellt und sich bemüht, ein Gespräch in Gang zu bringen. Ich glaube, wir dienen dem Frieden der Welt, den wir ja aus Lebensinteressen heraus nun weiß Gott erhalten müssen, mehr, wenn wir diesen Weg einschlagen, als wenn wir, die wir noch gar keinen Säbel haben, mit einem imaginären Säbel ständig rasseln.