Rede von
Dr.
Thomas
Dehler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Fall Frantisek Kroupa beschäftigt die deutschen Polizei- und Strafbehörden schon seit März 1949. Kroupa war am 17. März 1949 von der städtischen Polizei in Murnau mit Zustimmung des amerikanischen Militärgerichts in Starnberg bereits festgenommen warden. Er war dann auf Anordnung des amerikanischen Militärgerichts Garmisch-Partenkirchen nach Weilheim überstellt worden, ist aber am folgenden Tage wieder auf freien Fuß gesetzt worden, weil angeblich das Beweismaterial nicht ausreiche und weil der Verdacht bestehe, daß Herr Kroupa als überzeugter Antikommunist Opfer einer systematischen Hetze aus der Tschechoslowakei sei. Formell wurde die Entscheidung damit begründet, daß die erforderliche Genehmigung des Direktors der amerikanischen Militärregierung zur Strafverfolgung nicht vorliege. Dabei ist es im wesentlichen geblieben.
Nach den Erhebungen hat Kroupa zweifellos in zahlreichen Fällen Volksdeutsche bei ihrer Verhaftung und Ausweisung ausgeplündert. Er ist nach den Feststellungen, die möglich waren, auf jeden Fall verdächtig in 21 Fällen der schweren Mißhandlung von Volksdeutschen, in 25 weiteren Fällen der Beteiligung an teilweise sehr bestialischen Mordtaten an Volksdeutschen, besonders begangen im Konzentrationslager Schlackenwerth, das ihm unterstand. Er selbst leugnet, wird aber nach dem vorliegenden Material durch zahlreiche Zeugen belastet. Es bestehen keine Bedenken, daß die Handlungen des Kroupa unter Anwendung des § 4 des Strafgesetzbuches nach deutschem Strafrecht behandelt werden, wie es in einem ähnlich liegenden Fall beim Schwurgericht Karlsruhe in der Anklage gegen Kouril bereits geschehen ist.
Nun ist in der Zwischenzeit alles erfolgt, um Kroupa einer gerechten Strafe zuzuführen. Die bayerische Staatsregierung und der Generalstaatsanwalt in München haben sich fortgesetzt beim Amt des Landeskommissars in Bayern darum bemüht, entweder die Ermächtigung für die deutschen Gerichte zur Durchführung eines Verfahrens gegen Kroupa zu erhalten oder zu erreichen, daß das Verfahren bei einem Besatzungsgericht durchgeführt wird. Das Amt des Landeskommissars für Bayern hat mit verschiedenen Schreiben im Oktober, im Dezember 1949, im Januar und März 1950 immer wieder mitgeteilt, daß nicht beabsichtigt sei, den deutschen Gerichten die Ermächtigung zur Ausübung der Gerichtsbarkeit zu geben, weil es sich um einen Angehörigen der Vereinten Nationen handle — Kroupa ist Tschechoslowake —; die Justiz- und Polizeibehörden dürften keinesfalls gegen Kroupa Ermittlungen durchführen.
In einem weiteren Schreiben im April 1950 ist dann erklärt worden, daß vor einem Gericht der Besatzungsbehörden ein Verfahren gegen Kroupa nicht anhängig gemacht werde.
Die Situation änderte sich nach unserer Meinung, als durch das Gesetz Nr. 17 des amerikanischen Hohen Kommissars die Beschränkung der deutschen
Gerichtsbarkeit gegenüber DPs aufgehoben wurde. Damit konnten nach unserer Überzeugung die deutschen Ermittlungen wieder aufgenommen werden. Das wurde aber dadurch verhindert, daß sich das Amt des Landeskommissars für Bayern unter Hinweis auf Art. 14 Ziffer 3 des Gesetzes Nr. 13 auf den Standpunkt stellte, daß die deutschen Gerichte eine ausdrückliche Sonderermächtigung zur Strafverfolgung auch nach dem Wegfall der früheren Beschränkung der Gerichtsbarkeit benötigten, wenn die Besatzungsbehörden ein unter dem früheren Rechtszustand gestelltes Ersuchen auf Ermächtigung zur Durchführung der Strafverfolgung abgelehnt haben; ein Rechtsstandpunkt, den wir keineswegs anerkennen können und der auch im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze findet.
Auch das bayerische Staatsministerium der Justiz hat sich gegen diese Auslegung mit einem Schreiben vom 16. April 1951 gewandt. Auf einen Beschluß des bayerischen Landtags vom 21. Juni 1951 hin wurde durch den Herrn bayerischen Ministerpräsidenten mit einem Schreiben vom 11. Juli 1951 beim Amt des Landeskommissars für Bayern eine Gegenvorstellung erhoben. Bis heute ist eine Antwort nicht eingegangen.
Es ist ein betrüblicher Tatbestand, daß bisher eine Aburteilung des Kroupa weder durch ein deutsches Gericht noch durch ein amerikanisches Gericht möglich war. Es ist unsere Rechtsauffassung, daß eine Ermächtigung der Besatzungsmacht zur Strafverfolgung des Kroupa nicht mehr erforderlich ist, daß vielmehr die deutschen Gerichte zuständig sind. Ich will es mir ersparen, die Rechtsgrundlagen hier im einzelnen vorzutragen. Nach meiner Meinung kommt auch ein Evokationsrecht der Besatzungsmächte nicht mehr in Frage; auf jeden Fall wäre es erforderlich, daß die amerikanische Besatzungsmacht geltend machen könnte, daß durch ein Strafverfahren gegen Kroupa ein Interesse der amerikanischen Besatzungsmacht berührt werde; ein solches Interesse ist nach der ganzen Sachlage nicht ersichtlich.
Ich erkläre namens der Bundesregierung, daß die Tatsache, daß die Besatzungsbehörden weder selbst die Verfolgung übernommen noch den deutschen Gerichten die Möglichkeit gegeben haben, von sich aus das Erforderliche zu unternehmen, eine schwere Beeinträchtigung der Strafrechtspflege ist,
die nicht in Einklang mit der — ich darf wohl sagen — allgemeinen Auffassung gebracht werden kann, daß alle Verbrechen einer gerechten Sühne entgegengeführt werden müssen. Das Verhalten der amerikanischen Behörden im Falle Kroupa ist um so weniger verständlich, als der tschechoslowakische Staatsangehörige Johann Kouril in dem von mir schon erwähnten Verfahren vor dem Schwurgericht in Karlsruhe am 30. Mai 1951 wegen Taten, die ähnlich schauerlich waren wie die des Kroupa, zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist. Eine Straflosigkeit des Kroupa unter diesen Umständen müßte von den Verletzten und von den Opfern und den Hinterbliebenen der Opfer des Herrn Kroupa als unbillig, als ungerecht empfunden werden.
Die Bundesregierung tritt an den Hohen Kommissar der Vereinigten Staaten von Amerika unter Darlegung dieses Rechtsstandpunktes heran und ersucht ihn, von den bisherigen Einwendungen gegen eine Strafverfolgung des Kroupa durch deutsche Gerichte Abstand zu nehmen und ein Evokations-
recht nicht auszuüben. Ich hoffe, daß das gerechte Verfahren gegen Kroupa bald in Lauf gesetzt werden kann.