Rede von
Dr.
Hermann
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort zu Punkt 17 b der Tagesordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Ott.
Dr. Ott , Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist hier nicht der Ort, Goetzendorff Rechenschaft zu legen, warum die Fraktionen seinen Antrag nicht mitunterschrieben haben.
Aber auf jeden Fall hat jede Fraktion das Recht, einen Antrag zu stellen, zumal es sich hier um eine Person wie die des Herr Kroupa handelt.
Da heute nun auf Grund der Anträge Drucksache Nr. 2496 und Drucksache Nr. 2580 das traurige Kapitel der Verbrechen, die von tschechischen Staatsangehörigen an Deutschen verübt wurden, zur Debatte steht, habe ich als Abgeordneter, der sich schon seit langem dieser Dinge angenommen hat — also, Herr Goetzendorff, das stimmt nicht ganz, was sie sagten —, folgende Ausführungen zu machen. Das Wissen um diese scheußlichsten Verbrechen und die Kenntnis der Tatsache, daß heute solche tschechischen Verbrecher aus dem Jahre 1945 als Emigranten im Bundesgebiet Aufnahme gefunden haben, veranlaßten mich bereits am 27. Oktober 1950, den folgenden Antrag zu stellen:
Die Bundesregierung wird ersucht, bei der Hohen Kommission unverzüglich die Einleitung von Strafverfahren gegen alle tschechischen Staatsangehörigen zu erwirken, die nachweislich Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Deutschen verübten und sich heute als Emigranten im Bundesgebiet aufhalten.
Die deutsche Öffentlichkeit beschäftigt sich nunmehr schon seit zwei Jahren mit dem Fall Kroupa, und sie kann kein Verständnis dafür aufbringen, daß dieser Kapitalverbrecher, der so viele, viele Sudetendeutsche gefoltert und bis zum Tode gemartert hat, den Schutz der amerikanischen Besatzungsmacht genießt. Dieser absolute Schutz besteht auch heute noch, nachdem die DP's durch das HICOG-Gesetz Nr. 17 unter die deutsche Gerichtsbarkeit gestellt worden sind. Die Besatzungsbehörden vertreten im Fall Kroupa die Auffassung, daß sie trotz der grundsätzlichen Unterstellung der DP's unter die deutsche Gerichtsbarkeit weiterhin befugt sind, der Ausübung deutscher Gerichtsbarkeit zu widersprechen, wenn sie bereits jemals mit dem Verfahren befaßt waren.
Die dringende Forderung also, die ich in meinem Antrag bekundete, ist die Forderung von Tausenden meiner Landsleute, die gleich mir die tschechischen Bestialitäten am eigenen Leibe verspüren mußten. Nur wer dies Schicksal persönlich erlebt hat, versteht die ungeheure Empörung darüber, daß diese Verbrecher trotz meines Antrages vom Oktober 1950 sich noch heute im Bundesgebiet frei bewegen können. Diese Tatsache muß das Rechtsempfinden weitester Kreise der Bevölkerung erheblich verletzen.
Wie berechtigt schon damals mein weitgehender Antrag Drucksache Nr. 1526 war, geht- allein aus der Beantwortung meines an die Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen in München gerichteten Schreibens hervor, worin es wörtlich heißt:
Aus der Presse entnehmen wir von Ihrem Aufruf zur Namhaftmachung von Ausweisungsverbrechern, die sich noch im Bundesgebiet
aufhalten. Hierzu teilen wir Ihnen mit, daß
sich bei uns ein Teil der Akten über den Fall
Kroupa befindet, der insofern interessant ist,
als daraus die zwiespältige Rechtslage bei allen
diesen Angelegenheiten hervorgeht.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz — dieses Ministerium, Herr Goetzendorff, hat sich mit diesem Fall schon längst befaßt, Ihre Angaben von vorhin sind also nicht richtig
und die deutsche Staatsanwaltschaft mußten sich für den Fall als unzuständig erklären, da Kroupa als DP Ausländer ist. Die amerikanische Militärregierung sagt, Kroupa unterstehe zwar ihrem Jurisdiktionsbereich, aber nur für Verbrechen, die er auf dem von den Besatzungsmächten besetzten Boden begangen habe.
Für Verbrechen im Sudetenland ist nur 'die tschechoslowakische Regierung zuständig,
welche Kroupa auf Grund der von ihm begangenen Verbrechen zur Auslieferung anfordern müßte. Da man kaum erwarten kann, daß die Gottwald-Tschechen einen Mann anklagen, der seine Verbrechen in ihrem Auftrag bzw. mit ihrer Duldung begangen hat, liegt die hoffnungslose Rechtslage offen zutage.
So weit das Antwortschreiben. Grotesk mutet allein der Satz an, daß für Verbrechen, die im Sudetenland begangen worden sind, nur die tschechische Justiz zuständig sei. Bei Prozessen gegen deutsche Staatsangehörige, die sogenannte Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben sollen, wurde es als völlig unbedeutend erachtet, wo die Delikte begangen worden waren und ob die Zuständigkeit der betreffenden Staatsgesetze gegeben war. Wer sich gegen das Gesetz der Menschenwürde vergangen hat, gehört vor das Gericht des Landes, in 'dem sich der Verbrecher gerade aufhält, um so nicht nur das Verbrechen zu sühnen, sondern in erster Linie die gesittete Menschheit vor derartigen Individuen zu schützen.
Es sei mir gestattet, hier einmal die Worte des amerikanischen Hauptanklägers beim Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zu zitieren, der bei der Verhandlung gegen die -deutschen Angeklagten sagte:
Als Einzelschicksal gilt der Welt das 'Schicksal der Angeklagten wenig. Da die Angeklagten aber unheilvolle Gewalten vertreten, die noch lange in der Welt umherschleichen werden, wenn sie selbst schon zu Staub geworden sind, ist diese Verhandlung von solcher Wichtigkeit. Sie sind lebendige Sinnbilder des Rassenhasses, der Herrschaft des Schreckens und der Gewalttätigkeit, der Vermessenheit und Grausamkeit der Macht. Sie sind Sinnbilder eines wilden Nationalismus und Militarismus und all jener ständigen Umtriebe, die Generation auf Generation Europa in Kriege verstrickt, seine Männer vernichtet, seine Heime zerstört und sein Leben arm gemacht haben. Sie haben sich so sehr mit 'den von ihnen erfundenen Lehren und den von ihnen gelenkten Gewalten gleichgesetzt, 'daß jede Weichheit ihnen gegenüber gleichbedeutend wäre mit einer triumphierenden Aufmunterung zu all den Schandtaten, die mit ihrem Namen verbunden sind. Die Zivilisation kann keine Nachsicht zeigen für diese Kräfte der menschlichen Gesellschaft: sie gewönnen nur von neuem Macht, wenn wir mit den Männern, in denen diese Gewalten lauernd und unsicher noch am Leben sind, zweideutig oder unentschieden verführen.
— Soweit der Hauptankläger in Nürnberg. Ich darf
wohl sagen, daß alle Eigenschaften, die der amerikanische Ankläger den deutschen Angeklagten zuspricht, vollauf ihre Gültigkeit besitzen im Hinblick auf den Kapitalverbrecher und Menschenschinder Kroupa. Die Forderungen, die in diesen
Worten erhoben werden, können ja, wenn man von
Recht spricht, nicht nur gegen Deutsche, sondern müssen dann gegenüber jedem Verbrecher an der Menschlichkeit geltend gemacht werden. 'Auf diesem Hintergrund erscheint die Haltung der amerikanischen Besatzungsbehörden im Falle Kroupa absolut unverständlich.
Wollte ich auf die Unzahl von Antwortschreiben auf Grund meines Aufrufes näher eingehen, so kämen wir bei der Behandlung unseres Tages-programmes über diesen Punkt Kroupa überhaupt nicht hinaus. Nur ein einziges Schreiben von diesen vielen sei Ihnen zur Kenntnis gegeben. Es heißt darin wörtlich:
Ich lese soeben in unserem Heimatblatt Ihren Aufruf zum Antrag Nr. 1526, und ich möchte Ihnen — wahrscheinlich ist Ihnen der aber schon bekannt — den Namen Kroupa nennen, den sogenannten Henker von St. Joachimsthal, der meine Verwandten und Bekannten martern und schließlich erschießen oder aufhängen ließ. Dieser Teufel befindet sich im Lager Murnau am Staffelsee. Er ist ein BeneschTscheche. Sollten Sie die Unterlagen für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die dieses Scheusal verübte und verüben ließ, nicht haben, müßte ich sie Ihnen verschaffen.
Johann Klinger.
Ein Rechtsstaat kann es sich einfach nicht leisten, Personen, 'die sich nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches schwerstens vergangen haben, ungestraft auf seinem Territorium leben und darüber hinaus diesen Verbrechern noch Sondervergünstigungen auf Kosten unserer geringen Finanzmittel zukommen zu lassen. Wir alle haben die hehre Verpflichtung, zur Überwindung unseres materialistischen Zeitalters 'das Rechtsgefühl in jedem Individuum zu wecken und zu stärken. Mir geht es bei der Behandlung meiner Anträge — das sei vor allem betont — nicht um Rache, , sondern nur um die Wiederherstellung des 'elementarsten Rechts, wonach Verbrecher, die sich gegenüber dem Gesetz der Menschenwürde schuldig gemacht haben, zur Verantwortung gezogen werden. Ich kann verstehen, daß auch die Alliierten zut Abwehr bolschewistischer Umtriebe Spione brauchen. Man sollte dabei aber immer bedenken, daß man sich nicht eines Verbrechers bedienen darf; denn mit Beelzebub treibt man nicht den- Teufel aus. Und was im Falle Kemritz offen zugegeben wurde, daß er nämlich im Dienste des amerikanischen Geheimdienstes steht, das haben Münchner Zeitungen, ohne berichtigt zu werden, auch von Kroupa behauptet.
Ich fordere somit den Bundestag auf, unserem Antrag Drucksache Nr. 2580 vom 21. September 1951 zuzustimmen, der lautet:
Der Bundestag wolle 'beschließen:
Die Bundesregierung wird neuerlich ersucht, bei den Hohen Kommissaren dringende Schritte zu unternehmen, daß Franz Kroupa, der sich derzeit im Lager Schleißheim bei Augsburg befindet, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit der 'deutschen Gerichtsbarkeit unterstellt wird.
Ferner bitte ich, die Bundesregierung mit größtem Nachdruck zu ersuchen, konkrete Maßnahmen zu unternehmen, die geeignet sind, diesen rechtlich unmöglichen Zustand, der in keiner Weise im Sinne der neuerlichen Washingtoner Beschlüsse liegt, zu beseitigen.
Wir bitten das Hohe Haus, diesen Antrag ohne Überweisung an einen Ausschuß sofort der Bundesregierung zuzuleiten.