Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der vorigen Woche hat der Herr Bundesminister für das Post-und Fernmeldewesen in Aachen eine Rede gehalten und darin erneut gefordert, daß sich die europäischen Demokratien in einer europäischen Postunion zusammenschließen. Das wesentlichste Stück einer solchen Postunion wäre gerade, daß im Postverkehr zwischen den europäischen Staaten sowie im Inlandsverkehr die gleichen Tarife gelten würden. Diese Idee ist auch schon im Bundestag vorgetragen worden, und soweit man sehen konnte, gibt es in diesem Hause keine Opposition gegen einen solchen Plan des europäischen Zusammenschlusses und der Vereinfachung und Verbilligung des Postverkehrs. Auch im Europarat liegen solche Projekte vor. Da aber bei einem solchen Projekt keine billige deutsche Kohle und auch keine gehorsamen deutschen Soldaten zu gewinnen sind, wird dieses Projekt mit sehr viel weniger Eifer betrieben als so manches andere europäische Projekt. Immerhin ist es für unsere Zeit charakteristisch, daß auch auf diesem Gebiet die europäischen Einigungsbestrebungen sehr zu bemerken sind.
Ganz im Widerspruch dazu steht es, daß zu gleicher Zeit hier in Westeuropa die anti-europäischste aller Grenzen, die Saargrenze geschaffen und im Postverkehr mit der Saar für die Bundesrepublik das Auslandsporto eingeführt worden ist. Der vorliegende Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Drucksache Nr. 2440 richtet sich gegen diese im europäischen Sinne reaktionäre Entwicklung. In Saarbrücken sitzen Herren, die sich sehr gern als besonders eifrige Europäer ausgeben. Sie benutzen auch gern das Propagandawort von den Brückenbauern. Sie bauen Brücken zwischen Frankreich und Deutschland, behaupten sie. Wenn das wahr wäre, dann müßten sie diesen sozialdemokratischen Antrag begrüßen und sich bemühen, für die Saarländer auch die Möglichkeit zu schaffen, den Postverkehr mit der Bundesrepublik zu Inlandstarifen abzuwickeln. Das haben sie aber nicht getan. Im Saargebiet wird Inlandsporto im Postverkehr mit Frankreich erhoben.
Mit Luxemburg gibt es reduzierte Posttarife. Aber im Postverkehr mit der Bundesrepublik Deutschland hat man Auslandstarife eingeführt.
Nun, jene „begeisterten Europäer" in Saarbrücken und die angeblichen Brückenbauer sind eben sehr falsche Europäer; sie sind Separatisten; sie sind keine Brückenbauer, sondern Brückensprenger und die größte Belastung in Europa, insbesondere für das deutsch-französische Verhältnis. So haben sie auch auf den vorliegenden sozialdemokratischen Antrag keineswegs mit Sympathie reagiert, sondern in ihrer Presse schon angedroht, daß sie die Einführung des Inlandsportos von unserer Seite mit der Erhebung von Strafporto bei den Empfängern im Saargebiet beantworten würden.
Meine Damen und Herren, ich hörte von Kollegen, daß die Mehrheitsparteien die Absicht haben, den Antrag in den Postausschuß zu verweisen. Nun, da wird dann Gelegenheit sein, auf manche technischen Einzelheiten einzugehen, und ich kann mir das hier ersparen.
Zu dem Punkt: Drohung mit Strafporto möchte ich aber doch eines sagen. Die deutschen Brüder und Schwestern an der Saar werden wissen, daß es im Postverkehr zwischen der Saar und der Bundesrepublik keinerlei Verrechnung gibt. Jeder behält das Geld, das er an Gebühren vereinnahmt. Wenn wir Inlandsporto einführen, schädigen wir also in keiner Weise irgendwelche Belange der Saarbevölkerung oder der Saarregierung. Wenn sich trotzdem die Herren in Saarbrücken entschließen sollten, so etwas zu tun, dann müssen sie wissen, daß die Saarbevölkerung gerade das als eine separatistische und deutschfeindliche Handlung ansehen wird.
Es ist auch sehr zweifelhaft, ob man in Saarbrücken eine solche Repressalie ergreifen wird. Herr Hoffmann und seine Leute leben doch in Angst vor den nächsten Wahlen. Sie haben es in der Hand, Parteien zu verbieten und nur ihre beiden frankreichhörigen separatistischen Parteien zu lizenzieren; sie haben es aber nicht in der Hand, bei den nächsten Wahlen die Bevölkerung daran zu hindern, auf diese Politik mit weißen Zetteln zu reagieren. Und wenn Herr Hoffmann Strafporto einführt, dann kann er sicher sein, daß der weißen Zettel noch viel mehr sein werden.
Für uns muß aber der Hauptgesichtspunkt bei dem vorliegenden Antrag der sein: wir können in bezug auf die Saar nur eine Politik machen; sie muß einheitlich sein. Von dieser Stelle haben der Bundeskanzler und die Vertreter der Fraktionen des Hauses oft betont, daß die Saar deutsches Land ist und daß wir sie weiterhin als eine deutsche Provinz betrachten. Nun sollten unser Sagen und unser Tun nicht auseinanderfallen. Wenn der Bewohner der Bundesrepublik zum Postamt geht und einen Brief nach der Saar aufgeben will, dann sagt man ihm, das sei Ausland, und er wird gezwungen, Auslandsgebühren zu bezahlen. Wie immer wir über die technischen Durchführungsmöglichkeiten denken, eines sollte nicht geschehen: wir sollten die Bewohner der Bundesrepublik nicht zwingen, auf Briefe und andere Sendungen nach der Saar Auslandsporto z u kleben.
Meine Fraktion ist auch überzeugt, daß der Durchführung unseres Antrages keine rechtlichen Schwierigkeiten entgegenstehen. Die Verordnung des Postministeriums und früher der Verwaltung für das Post- und Fernmeldewesen über die Einführung der Auslandstarife für den Postverkehr ins Saargebiet ist nicht etwa auf Grund eines ordnungsgemäß im Verordnungsblatt der Hohen Kommission oder ihrer Vorgänger veröffentlichten Gesetzes oder einer Verordnung zustande gekommen, sondern auf Grund eines auch in seinem Inhalt und in seiner Form höchst zweifelhaften und vor allem geheimen Briefwechsels. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß wir hier in einem Rechtsstaat leben; und in diesem Rechtsstaat respektieren wir Rechtsnormen nur dann, wenn sie aus der Gesetzgebung kommen und entweder in unserem Gesetzblatt oder aber, solange es leider ein Besatzungsstatut gibt, in dem zuständigen Verordnungsblatt der Hohen Kommission oder ihrer Vorgänger veröffentlicht worden sind. Wir sind der Meinung, daß wir es unserem Stolze schuldig sind, dieser Art der Gesetzgebung durch geheime Briefe, die uns sehr an Methoden aus vergangenen Zeiten in Deutschland erinnert, keinen Respekt zu zollen, und daß wir dem Briefwechsel, den einzelne Abteilungen der Besatzungsbehörden mit dem Postministerium gepflogen haben, keine Beachtung schenken sollten.
Aber, meine Damen und Herren, wenn wir in der Sache fest sein und diesen Antrag zur Verwirklichung bringen sollten, dann bedeutet das gar nicht, daß wir dabei der Diplomatie entraten
I sollten. Wenn man in Frankreich irgend etwas Politisches in bezug auf die Saar tut — und man hat da sehr viele harte Tatsachen geschaffen —, dann sagt man immer dazu: Das ist doch nur vorläufig, das gilt doch nur bis zum Abschluß eines Friedensvertrages. Nun, Herr Bundesminister für Post- und Fernmeldewesen, meine Fraktion hätte nichts dagegen, daß wir im Verkehr mit der Saar die Inlandstarife wieder einführen und dazu glatt sagen: Aber das gilt doch nur bis zum Friedensvertrag!