Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues, Drucksache Nr. 2388, wurde von der Bundesregierung eingebracht und vom Bundestag in erster Lesung am 6. Juli 1951 beraten. Der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen hal sich in sieben' Sitzungen mit der Gestaltung dieses Gesetzes befaßt. Beteiligt an den Beratungen war der Wirtschaftsausschuß bezüglich der Abgabe für Kohle. Das Ergebnis der Beratungen liegt Ihnen in der Drucksache Nr. 2590 hier vor.
Welche Tatsachen rechtfertigen das vorliegende Gesetz und das Opfer, das wir als Bundestag dem deutschen Volke und der Wirtschaft ohne Unterschied zumuten?
Bei der Schwere seines Berufs braucht der Bergmann eine menschenwürdige Wohnung. Nur der Bergmann ohne Wohnungssorgen ist in der Lage, die Leistung zu steigern. Die Zahlen über die Fluktuation in der Belegschaft des Ruhrbergbaus sprechen geradezu von einer Flucht aus dem Bergbau, die anhalten wird, wenn nicht alles Erdenkliche auf dem Gebiete des Bergarbeiterwohnungsbaues getan wird.
Es ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit, durch den besonders geförderten Bergarbeiterwohnungsbau die Voraussetzung einer Steigerung der Förderungsziffern zu erreichen. Der Abwanderung, die nachfolgende Zahlen verdeutlichen, muß durch den Wohnungsbau Einhalt geboten werden, damit der Bergmann seßhaft wird und im Ruhr- bzw. Kohlengebiet eine neue Heimat findet. Die Grundlagen für einen seßhaften Bergarbeiterstand kön-
nen außer durch andere Maßnahmen vorwiegend durch die Schaffung gesunder Wohnungen erreicht werden.
Im Ruhrgebiet waren im August 1951 446 781 Bergleute beschäftigt, im gesamten Bundesgebiet 515 239. Die Fluktuation zeigt sich in folgenden Zahlen: 1946 hatte der deutsche Bergbau einen Zugang von 89 568, einen Abgang von 57 000, 1947 einen Zugang von 125172, einen Abgang von 54 486, 1948 einen Zugang von 92 354, einen Abgang von 73 816 und 1950. einen Zugang von 78 158 und einen Abgang von 69 052. In den ersten acht Monaten dieses Jahres stellt sich die Fluktuation wie folgt dar: Zugang 61 916, Abgang 49 890.
Das Programm für den Bergarbeiterwohnungsbau kann nicht allein vom Bergbau bzw. allein von den Ländern, in denen Bergbau betrieben wird, erfüllt werden. Neben den 23 000 Bergarbeiterwohnungen, die sich in Bau und Planung befinden, fehlen 92 000 Bergarbeiterwohnungen. Das ganze deutsche Volk fühlt sich bei Durchführung dieser wirtschaftlich notwendigen Aufgabe solidarisch verbunden. Einige Zahlen mögen die Leistungen des Bergbaues im Wohnungsbau veranschaulichen: Der Wohnungsbestand des Bergbaues vor dem Kriege war 311 362 Wohnungen. Nach dem Kriege gab es noch 73 870 unbeschädigte Wohnungen im Bergbau. Durch Instandsetzungen, Wiederaufbau, Ausbau von Dachgeschossen und durch Teilung von Wohnungen wurden bis zum 30. Juni 1951 insgesamt 220 320 Wohnungen wiederhergestellt. Noch beschädigte, aber bewohnte Bergarbeiterwohnungen gibt es 26 103, so daß am 1. Juli 1951 insgesamt 320 239 bewohnte Bergarbeiterwohnungen vorhanden waren. Davon sind zecheneigene Wohnungen 229 858. Da in dieser Zahl 61 023 Wohnungen enthalten sind, die von Werksfremden bzw. Invaliden bewohnt sind, beträgt. die Zahl der verfügbaren Wohnungen für Bergarbeiter 168 835, wozu aus dem privaten Sektor 90 435 für den Bergbau verfügbare Wohnungen kommen. So sind zur Zeit von aktiven Bergarbeitern insgesamt 259 270 Wohnungen bewohnt. In einer Notunterkunft wohnen 3400 Familienväter und getrennt von der Familie 46 000 Bergarbeiter.
Der Ihnen vorliegende Entwurf eines Bergarbeiterwohnungsgesetzes sieht eine Abgabe von 2 DM pro Tonne Steinkohle und eine solche von 1 DM pro Tonne Braunkohle vor. Wir wissen um die Belastung, aber die Dauer dieser Belastung soll auf drei Jahre begrenzt werden. Die Abgabe fließt nicht in den allgemeinen Topf und ist kein Vermögen der Deutschen Kohlenbergbauleitung, sondern stellt ein Treuhandvermögen dar, das, wie Sie aus dem Gesetz ersehen, durch Treuhandgesellschaften verwaltet wird und ausschließlich dem Bergmann zugute kommen soll. 92 000 Wohnungen in zwei Jahren, das ist das Ziel. Die Mittel aus der Abgabe sind zusätzliche Mittel; man schätzt auf 200 Millionen Aufkommen pro Jahr. Ferner werden nach diesem Gesetz, dessen Durchführung eine letzte Kraftanstrengung des gesamten deutschen Volkes bedeutet, die Arbeitgeber, d. h. die Bergwerksunternehmen, noch zusätzliche Arbeitgeberdarlehen geben. Wir hoffen, daß dieses Gesetz dazu anregen wird, auch ERP-Mittel freizumachen, damit auch sie in den Bergarbeiterwohnungsbau fließen, weiter, daß die Landesmittel sich nicht verringern, ebenso, daß über den allgemeinen Kapitalmarkt die erststelligen Hypotheken in den Bergarbeiterwohnungsbau gelenkt werden, damit der
Bau von 92 000 Wohnungen in zwei Jahren gesichert ist.
Wenn der Wohnungsbau für eine Steigerung der Kohlenförderung wirksam werden soll, so muß schnell gehandelt werden. Deshalb ist der Wohnungsbau-Ausschuß von der ursprünglichen Regierungsvorlage, die 1 DM Abgabe pro Tonne vorsah, abgewichen und hat 2 DM für die Tonne Steinkohle und 1 DM für die Tonne Braunkohle vorgeschlagen.
Die Mehrheit des Wirtschaftsausschusses hat diesem Beschluß zugestimmt. Nur so wird es möglich sein, 92 000 Bergarbeiterwohnungen bereits in zwei Jahren zu erbauen.
Die Geltungsdauer des Gesetzes ist auf drei Jahre begrenzt. Der Bundestag kann also nach Ablauf der Jahre erneut zu diesem Problem Stellung nehmen. Die Zahl der Abwanderungen und die Zahl der von der Familie getrennt lebenden Bergleute sowie das Ziel — 92 000 Bergarbeiterwohnungen in zwei Jahren — rechtfertigen die Vorlegung eines solchen Gesetzes und die Belastungen, die dem deutschen Volk und der deutschen Wirtschaft mit dem heutigen Beschluß zugemutet werden. — Soviel zur Rechtfertigung dieses Gesetzes.
Das Ihnen vorliegende Gesetz bietet dem baulustigen Bergmann die Möglichkeit, für sein Bauobjekt die Form des Eigenheims, der Kleinsiedlung oder des Wohnungseigentums zu wählen. Das Gesetz bevorzugt geradezu den einzelnen Bergmann; er wird in die Lage versetzt, ein Eigentum zu erwerben, das ihm in seinem gefahrvollen Beruf das Gefühl der Sicherheit für seine Familie gibt und ihn seßhaft macht.
Das vorliegende Bergarbeiterwohnungsgesetz wurde vom Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen nach drei Lesungen einstimmig verabschiedet Der Wirtschaftsausschuß hat über die Abgabe mid die Geltungsdauer des Gesetzes mit-beraten und hat mit Mehrheit zugestimmt. Auf die Erläuterung der einzelnen Paragraphen kann daher verzichtet werden. Nur bei einigen wenigen Punkten möchte ich die Absicht und die Auffassung des Ausschusses zum Ausdruck bringen.
Die klare Gliederung in drei Teile soll das Gesetz einfach und volksnahe machen. Der erste Teil behandelt die Abgabe, der zweite die Verfahrensvorschriften und der dritte die Schlußvorschriften.
Zu der Abgabe — davon handelt der erste Teil des Gesetzes — vertrat der Ausschuß die Auffassung, daß es eine echte Abgabe sein müsse, an der keiner verdienen soll. Unter Absatz ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen der gesamte Verkauf und Versand aller Zechen und Kokereien einschließlich Landabsatz, Lieferungen an Verbrauchsstellen, die überwiegend im Besitz von Bergwerksunternehmen stehen, bzw. solche Verbraucher, die die Majorität des Gesellschaftskapitals eines Bergwerksunternehmens besitzen, ferner die Lieferungen der Zechen und Kokereien untereinander zu verstehen. Nicht „Absatz" im Sinne dieser Definition sind der Zechenselbstverbrauch, die Lieferungen von Deputatkohlen und die Brennstofflieferungen von Zeche zu Zeche innerhalb derselben Gesellschaft. Auf den Absatz in 'diesem Sinne erstreckt sich die Tätigkeit der Kohlenverkaufsorganisationen söwohl bei der Steinkohle als auch bei der Braunkohle. Da nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues die Lieferungen von Kohle der Bergwerksunternehmen untereinander schlechthin , von der
Erhebung der Abgabe ausgenommen sind, gibt die obige Definition eine ausreichende Umgrenzung des Begriffes Absatz.
Nach den vorgesehenen Satzungen für die gemäß Gesetz Nr. 27 zu gründenden neuen Verbundunternehmen des Kohlenbergbaus und der Eisenindustrie werden auch die Lieferungen von Kokskohle an Hüttenkokereien bzw. von Koks an die Hüttenwerke der im Verbund stehenden Unternehmen als Absatz betrachtet werden müssen.
Auch der Staat soll nicht verdienen. Deshalb muß der Betrag der Abgabe im Kohlenhandel unter der Rechnung als „Abgabe" aufgeführt werden.
Es sei nochmals betont, daß es die Auffassung des Ausschusses gewesen ist, daß die Abgabe für Kohle einzig und allein dem Bergarbeiterwohnungsbau dienen soll. Das Gesetz will aber einen Anreiz geben, Bergarbeiterwohnungen auch darüber hinaus zu schaffen. Wenn z. B. ein Privatbauherr mindestens vier Bergarbeiterwohnungen baut, dann kann er eine Wohnung für sich beanspruchen, falls er einen wesentlichen Beitrag geleistet hat.
Der zweite Teil enthält die Verfahrensvorschriften. Wesentlich ist die Einsetzung eines Bezirksausschusses, der die Planung für die Schwerpunkte des Bergarbeiterwohnungsbauprogramms aufstellt. Am Bezirksausschuß sind alle am Bergarbeiterwohnungsbau interessierten behördlichen Stellen und Organisationen beteiligt. Es gibt in Zukunft für dieses Sonderbauprogramm nur eine Bewilligungsstelle, die über den Antrag des Bauherrn zu entscheiden hat.
Der Schlußteil des Gesetzes koordiniert dieses Gesetz mit dem Ersten Wohnungsbaugesetz und ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, wie in Sonderheit die Vorschriften der Gesetze über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht gerade auch bei der Durchführung dieses Gesetzes angewendet werden sollen.
Im Namen des Ausschusses bitte ich das Hohe Haus, dem vorliegenden Gesetzentwurf in zweiter und dritter Lesung zuzustimmen. Der Ausschuß hat das Gesetz einstimmig beschlossen. Möge sich diese Einstimmigkeit auch auf dieses Hohe Haus übertragen, damit wir sichtbar über alle Parteien hinweg den deutschen Bergmann erkennen lassen, daß der Bundestag sehr ernst die Lösung des Problems des Bergarbeiterwohnungsbaues anstrebt.