Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf bringt nach unserer Auffassung nicht eine Beseitigung der bisher bestehenden bürokratischen Hemmungen auf dem Gebiete des gesamten Paßwesens; der Bürokratismus wird auch nach Verabschiedung dieses Gesetzes, wenn es nicht in seiner grundlegenden Tendenz entscheidend geändert wird, genau wie bisher ins Kraut schießen und damit zu Unzuträglichkeiten führen, die sich nun sogar zum Teil auf einzelne Paragraphen dieses Gesetzes stützen können.
Meine Damen und Herren, wir wissen, daß beispielsweise allein für die Ausstellung von Interzonenpässen, die zwar mit diesem Gesetz nicht in Zusammenhang stehen, weitgehend die bereits bestehenden Ämter für Verfassungsschutz eingeschaltet werden und daß sich das von dem Herrn Bundesinnenminister bereits angezogene System der Schwarzen Listen auf diesem Gebiet zu unzuträglichen Zuständen entwickelt hat. Nach unserer Auffassung kann man unmöglich einzelnen Landesregierungen die Möglichkeit geben, über die Ausstellung von Sichtvermerken selbständig Rechtsverordnungen zu erlassen. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß die in § 5 dieses Gesetzentwurfes genannten Personengruppen nicht in der Weise klassifiziert werden können, wie es hier tatsächlich geschehen ist.
Und ein Weiteres. Der Herr Innenminister Dr. Lehr war der Meinung, daß die Beschränkungen, die von der Alliierten Hohen Kommission für das Paßwesen auferlegt worden sind, eine Einschränkung der Souveränität' bedeuten. Sprechen wir es idoch tatsächlich aus, ,daß hier nicht nur eine Einschränkung der Souveränität verhanden ist, sondern daß von einer Übertragung der Paßhoheit auf die deutsche Regierung überhaupt keine Rede sein kann. Die Alliierte Hohe Kommission behält sich vor, nach den sogenannten Schwarzen Listen den Sichtvermerk oder den Paß zu verweigern. Damit stempelt sie einen gewissen Teil des ,deutschen Volkes, ,der mit der Politik der Amerikaner und der Bundesregierung nicht einverstanden ist und dagegen ankämpft, zu Menschen zweiter Klasse. Dagegen verwahren wir uns.
Und ein andere.. Die Bundesregierung nimmt für sich das Recht in Anspruch, auch für solche Personen Pässe auszustellen, die wohnsitzmäßig der Zuständigkeit der Deutschen Demokratischen Republik unterstehen. Wenn Sie das beschließen, werden Sie zwangsläufig auch Pässe als gültig anerkennen müssen, die von der Deutschen Demokratischen Republik ausgestellt sind.
Wir haben also gegen dieses Gesetz großes Mißtrauen, weil es, wie gesagt, eine Klassifizierung bestimmt und in der Frage der Schwarzen Listen keine Klarheit bringt. Wir wünschen, daß endlich mit aller Offenheit und Klarheit die Frage der Schwarzen Listen in der breitesten Öffentlichkeit behandelt wird.