Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben dem Abs. 4 der Ziffer 1 unsere Zustimmung versagt, weil wir der Meinung sind, daß die Frachtausgleichsabgaben und Abschöpfungsmöglichkeiten, wie sie hier festgelegt worden sind, der Bundesregierung die Möglichkeit geben sollen, den Zuckerpreis zu fundieren, den sie durch eine Verordnung über den Bundesrat erzielen will. Wir meinen, daß der Zuckerpreis, so wie er von der Regierung gefordert wird, unberechtigt ist und daß man die Kosten nicht akzeptieren kann, die man für eine Erhöhung des Preises anführt. Wir sind der Ansicht, daß die Formulierung über den Fracht- und Preisausgleich dem Verlangen des Finanzministers Rechnung tragen soll, außer den nachzuweisenden höheren Kosten für Zuckerrübenfabrikation, -erzeugung und -verarbeitung und außer der Handelsspanne auch noch den Betrag in den Zuckerpreis hineinzunehmen,
der nur zum kleinen Teil als Frachtausgleich zwischen den weiter entfernt liegenden und den den Zuckerfabriken näherliegenden Anbaugebieten dienen, aber zum größeren Teil die Subventionsspitzen auffangen soll, nachdem durch die sonstigen Preisaufschläge schon fast keine Subventionsmittel mehr im Haushaltsplan vorgesehen sind. Dieser Betrag von 8,69 DM für 100 kg Zucker, um den es dabei geht, belastet den Verbraucher über die 9 Pfennige pro Pfund Zucker hinaus, die kalkulatorisch nachgewiesen werden müssen, noch um weitere 4 Pfennige pro Pfund, die Herr Minister Schäffer als Risikobetrag in seinem Haushalt behalten möchte.
Zum Frachtausgleich ist sachlich zu sagen, daß es sehr bedenklich ist, den Zuckerverbraucher dafür büßen zu lassen, daß es der Investitionspolitik der Bundesregierung nicht gelungen ist, so viel Kreditmittel freizumachen, daß man die unbedingt nötigen Zuckerfabriken in den Rübenanbaugebieten bauen konnte. Man verließ sich lediglich auf Marshallplanmittel, mit deren Ausbleiben der Zuckerfabrikbau abgestoppt oder so verlangsamt werden mußte, daß man heute große Transportwege in Kauf nehmen muß und damit die Frachtbelastung bekommt, die nun über den erhöhten Zuckerpreis aufgefangen werden soll. Man kann eben, wie auch dieses Beispiel zeigt, fast keine finanz- oder wirtschaftspolitische Maßnahme ohne Zusammenhang mit der Gesamtpolitik, in diesem Falle mit der Investitionspolitik, betrachten.
Nun sollen diese Mängel durch die Belastung eines Grundnahrungsmittels, das von der großen Masse der Klein- und Mittelverdiener gekauft wird, ausgeglichen werden. Aus diesem Grunde haben wir gegen den Abs. 4 gestimmt. Deshalb stimmen wir auch gegen das Zuckergesetz im ganzen als eine der Voraussetzungen für die beabsichtigte Erhöhung des Zuckerpreises, die wir im ganzen für undurchführbar halten. Sie haben, wie zu erwarten war, ,dem Gesetzentwurf auf Drucksache Nr. 2559 zugestimmt und damit unsere Haltung abgelehnt. Sie haben dafür die Verantwortung zu tragen und nicht wir. Wir halten es aber bei dieser Gelegenheit für unerläßlich, den Bundestag darauf hinzuweisen, daß eine sich hieraus ergebende Forderung des Finanzministers auf Erhöhung des Zuckerpreises nicht mehr angenommen werden darf, weil angesichts der laufenden Preiserhöhungen für die wichtigen Nahrungsmittel des täglichen Bedarfs in den letzten Monaten eine abermalige Verminderung des Lebensstandards der breiten Verbraucherschichten nicht verständlich ist. Wenn die nachweislich gestiegenen Erzeuger-, Be- und Verarbeitungskosten für Zucker so weit gestiegen sind, daß sie in diesen Produktionsstufen nicht mehr aufgefangen werden können, dann müssen die Kosten eben durch eine Senkung der Zuckersteuer, d. h. ohne eine erneute Belastung des Verbraucherpreises, aufgefangen werden. Die jetzige Kostenerhöhung und Kostenberechnung für Zucker soll ausschließlich aus der fiskalischen Sicht und nicht aus kalkulatorischen Notwendigkeiten erfolgen.
Mit der Preiserhöhung will der Herr Finanzminister den Inlandspreis heraufschrauben, um die Mittel für die Herunterschleusung des Auslandszuckers auf das Inlandspreisniveau zu vermindern. Schon bei der ersten Senkung der Zuckersteuer zugunsten der Zuckerrübenanbauer ist im Bundestag die Forderung erhoben worden, baldmöglichst eine zweite Senkung — und dann zur Verbilligung des Verbraucherpreises — vorzunehmen. Denn welches Grundnahrungsmittel ist schon wie der Zucker von vornherein in Höhe von fast, einem Drittel seines Preises mit Sondersteuern belastet! Bei der Bestätigung der Erhöhung des Rübenpreises durch den Bundesrat im März dieses Jahres ist in einer einstimmig beschlossenen Resolution des Bundesrats die Auffassung gebilligt worden, daß keine Erhöhung des Zuckerpreises eintreten darf und daß diese im Eventualfall durch eine Senkung der Zuckersteuer ausgeglichen werden muß.
Dieser Auffassung hat sich Herr Minister Niklas vorbehaltlos angeschlossen. Es wäre für uns sehr nötig, zu wissen, ob der Herr Minister für die Ernährung und Landwirtschaft seine Auffassung hierüber etwa geändert hat. Die Zuckersteuer bringt dem Fiskus rund 488 Millionen DM ein. Die Umsatzsteuer aus dem Zuckerverkauf beträgt abermals 142 700 000 DM. Zusammen nimmt also Minister Schäffer in seinem Haushalt allein durch den Zuckerverbrauch rund 631 Millionen DM ein. Der bisher benötigte Subventionsbetrag für den gesamten importierten Zucker lag um 153 Millionen DM. Laut Angaben des Ernährungsministeriums rechnet man bei den derzeitigen Preisen, die durchaus gut gegriffen sind und eher fallen als steigen können, mit rund 179 Millionen DM Subventionen. Das geht auch aus der Darstellung in dem Memorandum hervor, das jetzt an die Länderminister gegangen ist. Dieser importierte Zucker, den man, wenn der alte Zuckerpreis bleibt, im Bundeshaushalt mit 179 Millionen DM glaubt subventionieren zu müssen, bringt dem Finanzminister an Zuckersteuer allein rund 195 Millionen DM ein. Hierbei handelt es sich um die 640 0000 t Auslandszucker. Er nimmt also zunächst einmal 195 Millionen DM Zuckersteuer ein, und da er den importierten Zucker durch den Zuckeraufschlag auf den Importpreis im Preis höher setzt, muß er ihn selbstverständlich wieder auf den Inlandspreis heruntersubventionieren. Er gibt also quasi nur seine vereinnahmte Zuckersteuer für die Subventionsausgaben wieder her. Es ist doch völlig klar, daß diese Subventionen gar keine echten Ausgaben sind, denn er vereinnahmt ja vorher einen größeren Betrag in Form der Zuckersteuer. Wenn er also für den Importzucker keine Zuckersteuer mehr verbucht, wird er auch keine Subventionen mehr in seinem Haushalt finden, j a er wird sogar darüber hinaus noch 15 bis 30 Millionen DM, je nach dem Weltmarktpreis, Einnahmen aus Steuern für diesen Auslandszucker erhalten. Dazu kommen noch aus der Umsatzsteuer für die Menge von 640 000 t importierten Zucker abermals 48 Millionen DM. Dafür also, daß wir in der Bundesrepublik diese 640 000 t Auslandszucker verbrauchen, hat Herr Minister Schäffer noch Steuereinnahmen von rund 60 bis 75 Millionen DM, ohne daß er hierfür einen Pfennig Subvention zu zahlen braucht. Alle anderen Berechnungen sind doch nur Methoden der Haushaltsführung und kein echter Kostenaufwand für diese Importe.
Unser deutscher Zuckerpreis ist durch die hohe Steuerbelastung schon jetzt viel zu hoch. Es gibt keine Berechtigung für eine neue Preiserhöhung wegen Kostensteigerung bei Preisfaktoren. Ich habe das vorhin eingehend begründet. Es gibt aber erst recht keine Berechtigung für diese Zuckerpreiserhöhung mit der Begründung, der Bundeshaushalt brauche zusätzliche Einnahmen. Diese sollen nicht durch eine weitere Erhöhung des Zuckerpreises, der sowieso schon unglaublich hoch
ist, hereingeholt werden. Denn dadurch würde wiederum der Prozentsatz an indirekten Steuern erhöht, an Steuern, die den Rentner wie den Kriegsinvaliden, den Großverdiener wie sogar die Millionäre, von denen wir in Deutschland auch schon wieder einige haben, in gleicher Weise, den einen schwer, den anderen leicht, treffen. Die Bundesregierung möge sich den Kopf darüber zerbrechen, wie eine gerechtere Belastung in Deutschland zu finden ist, und nicht den Weg des schwächsten Widerstandes wählen.
Wir protestieren an dieser Stelle nachdrücklich gegen die Absicht der Vermehrung von Bundeseinnahmen über den Zuckerpreis, wodurch Herrn Schäffer bei 26 Pfennig Verteuerung je Kilo zusätzlich rund 416 Millionen DM in seinen Etat fließen würden, die selbstverständlich wiederum dem Verbraucher genommen werden. Wir werden einen Antrag einbringen, der die Bundesregierung auffordern wird, dem Parlament mitzuteilen, was sie zu tun gedenkt, um den jetzigen Zucker-Verbraucherpreis auf jeden Fall zu halten.
Der Finanzminister hat weiter die Absicht, die bisherige Zollfreiheit für Zucker ab 1. Oktober in eine Zollbelastung von 32 DM pro 100 kg umzuändern, die ihm wiederum 205 Millionen DM Mehreinnahme bringen und die angeblich zu Lasten des Zuckerpreises für die Industrie gehen würde. Das heißt, es würde in diesem Falle für Zucker ein gespaltener Preismarkt eintreten. Wir wissen — die Verhältnisse auf dem Eisen- und Kohlenmarkt und die heutige Kohlendebatte haben das erneut bewiesen —, daß gespaltene Preise bedeuten, daß eine Ware nur noch zum höchsten Preis zu haben ist. Das würde auch bei Zucker so kommen. Abgesehen davon stehen wir auf dem Standpunkt, daß selbst bei Funktionieren der Marktspaltung eine Verteuerung sehr vieler Produkte des Industriesektors nicht zu verantworten ist, von Produkten wie Marmelade, Honig und sonstigem Brotaufstrich; denn Sie wissen so gut wie wir, daß es eine absolute Relation zwischen dem Fett- und dem Zuckerverbrauch gibt und daß bei der Fettverteuerung, besonders bei der Butterpreissteigerung der letzten Zeit, eine Abwanderung vom Fett zum Süßwarenaufstrich erfolgen wird, die wir nicht durch eine künstliche Verteuerung dieses Aufstriches hindern wollen. Wir werden also auch in der Frage der Zollsatzes den Antrag stellen, daß der Zucker als eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel zollfrei bleibt und dieses Grundnahrungsmittel nicht noch mehr eine der Haupteinnahmeguellen des Fiskus wird. weil ihm einfach nichts Besseres einfällt.
Zu der Drucksache Nr. 2559, die wir behandelt haben, erklären wir noch einmal — nachdem der Abs. 4 von Ihnen angenommen und nicht gestrichen worden ist —, daß wir sie im ganzen ablehnen werden.