Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die KPD-Fraktion beantragt, die von der Internationalen Ruhrbehörde festgesetzte Kohlenexportquote so weit zu senken, daß eine ausreichende Belieferung der Bevölkerung mit Hausbrand gewährleistet und darüber hinaus der notwendige Bedarf der Versorgungsbetriebe, des Verkehrs und der Industrie gesichert ist. Für die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Hausbrand wird von dieser Seite eine Zuteilung von 30 Zentnern je Haushalt gefordert. Eine Senkung des Kohlenexports in dem Umfange, wie es zur Erfüllung dieser Forderungen notwendig wäre, läßt sich nicht durchführen.
Das ergibt sich aus folgenden Zahlen, die ich als Beispiel für das vierte Quartal heranziehe.
Die durchschnittliche Tagesförderung an Steinkohle im vierten Quartal 1951 wird nach Schätzungen der Experten und der Deutschen Kohlenbergbauleitung auf 407 000 Tonnen geschätzt, einschließlich der Sonder- und Überschichten. Nach Abzug des Zechenselbstverbrauchs, der Deputate und der Umwandlungsverluste bei der Verkokung verbleibt eine verfügbare Menge von 24,07 Millionen Tonnen. Dazu kommen 4,1 Millionen Tonnen Braunkohlenbriketts und oberbayerische Pechkohle, so daß sich die Gesamtverfügbarkeit auf insgesamt 28,17 Millionen Tonnen beläuft.
Die Exportquote beträgt bekanntlich 6,2 Millionen Tonnen. Hiervon entfallen 900 000 Tonnen auf den Austausch mit Saarkohle. Es handelt sich bei dieser Menge um eine aus Sortengründen notwendige und gerechtfertigte Ausfuhr, für die wir in gleicher Menge Saarkohle erhalten. Die eigentliche Exportmenge beträgt demnach 5,3 Millionen Tonnen. Diese von der Gesamtverfügbarkeit abgezogen, verbleibt für das Inland eine Menge von 22,8 Millionen Tonnen, immer für das vierte Quartal gerechnet.
Der Verteilungsplan des Bundeswirtschaftsministeriums für das vierte Quartal 1951 sieht für Hausbrand und Kleinverbrauch eine Zuteilung von 6 Millionen Tonnen vor. In dieser Menge sind 6 Zentner je Haushalt im Quartal enthalten.
Die Forderung der KPD-Fraktion würde für das vierte Quartal 1951 eine zusätzliche Lieferung von 5 Zentnern je Haushalt oder, bei 14,3 Millionen Haushaltungen, eine zusätzliche Gesamtmenge von 3,6 Millionen Tonnen im Quartal erfordern. Wenn dem Antrag in dieser Form stattgegeben würde, müßte die Exportmenge auf 1,7 Millionen Tonnen gesenkt werden. Das ist unmöglich.
Die Kohlenausfuhr der Bundesrepublik muß in ihrem yolks- und weltwirtschaftlichen Zusammenhang betrachtet werden. Deutschland ist immer ein Kohlenausfuhrland gewesen. Die deutsche Kohlenausfuhr bildet die Voraussetzung für die Einfuhr wichtiger Rohstoffe und Nahrungsmittel. Es besteht z. B. kein Zweifel, daß ohne eine entsprechende Lieferung deutscher Kohle Frankreich seine Lieferzusagen für Brot- und Futtergetreide, Ölfrüchte, Zucker, Phosphate, Erze und Bauxit in den handelsvertraglich vorgesehenen bedeutenden Mengen nicht gegeben hätte. Ähnlich liegen die Verhältnisse hinsichtlich Schwedens, wo die deutsche Kohlenausfuhr einen Gegenposten für Erz- und Zellstofflieferungen darstellt, oder hinsichtlich Italiens, das an Deutschland Schwefel, Hanf, Quecksilber und Elba-Erze liefert.
Ferner bildet die Kohlenausfuhr in vielen Fällen eine Vorbedingung für den Export von Fertigerzeugnissen, für die im Ausland sonst nur eine sehr begrenzte Aufnahmebereitschaft bestünde. Dadurch werden in Deutschland Beschäftigungsmöglichkeiten für eine große Zahl von Arbeitskräften erhalten. Ein Beispiel hierfür sind die unlimitierten Ausfuhren der Gablonzer Waren, von Erzeugnissen der Lederindustrie und zahlreicher anderer Luxuswaren.
Obgleich sich die Bundesregierung der Bedeutung dieser Zusammenhänge stets bewußt ist, hat sie dennoch wiederholt erklärt, daß die Höhe des gegenwärtigen Kohlenexports mit der derzeitigen Versorgungslage des Inlandes nicht zu vereinbaren sei und einer Korrektur bedürfe.
Sie hält es daher für notwendig, erneut bei der Internationalen Ruhrbehörde eine Senkung der Kohlenexportquote für das vierte Quartal zu beantragen und gleichzeitig entsprechende Verhandlungen mit den Kohlenabnehmerländern aufzunehmen. Die Bundesregierung ist sich allerdings klar darüber, daß ein auf diesem Wege zu erzielender Erfolg nur in einer Größenordnung liegen kann, die keinesfalls ausreicht, um eine volle Versorgung der Hauptverbrauchergruppen, wie sie im Antrag der KPD-Fraktion genannt werden, zu ermöglichen. Die Schwierigkeiten, die sich hier ergeben, können aus den Verteilungsmaßnahmen ersehen werden, zu denen sich die Bundesregierung bereits im dritten Quartal veranlaßt sah.
Im Rahmen einer Inlandsverfügbarkeit, die sich nach Abzug von 5,3 Millionen Tonnen für den Export auf 21,8 Millionen Tonnen belief, galt die erste Sorge der Sicherstellung einer einigermaßen hinreichenden Versorgung für Hausbrand und Kleinverbrauch. Hierfür wurden im dritten Quartal 6 Millionen Tonnen eingesetzt.
Weiterhin hielt sich die Bundesregierung für verpflichtet, den Kohlenbedarf des Verkehrs und der öffentlichen Versorgungsbetriebe nicht nur für den laufenden Verbrauch, sondern auch mit Mindestmengen für die Winterbevorratung vorrangig zu decken. Die Bevorratungsziele in den Mindestgrenzen, die sich die Bundesregierung
setzen konnte, können als erreicht angesehen werden. Es ist gelungen, die Kohlenbestände der Gaswerke von 80 000 t Ende Juni auf bisher 200 000 t — das sind etwa 16 Tage Vorrat —, diejenigen der Kraftwerke von 285 000 t Ende Juni auf bisher 585 000 t — das sind etwa 16 Tage Vorrat —, die der Bundesbahn von 7 auf 17,3 Tage zu erhöhen. Diese Vorratsziffern liegen immer noch nahe der Gefahrengrenze. Es wird aller Anstrengungen bedürfen, um bei der immer schwieriger werdenden Gesamtversorgungslage diese Vorräte in den kommenden Wochen zu halten. Einschränkungsmaßnahmen im Verbrauch der genannten Gruppen werden sich hierbei nicht ganz vermeiden lassen.
Im übrigen war die Bevorratung für Hausbrand und Kleinverbrauch ebenso wie die Bevorratung der Gruppen Verkehr und öffentliche Versorgungsbetriebe nur durch eine erhebliche Kürzung der Kohleversorgung der Industrie mit allen sich daraus ergebenden Schwierigkeiten zu erreichen. Der von der Bundesregierung zwangsläufig eingeschlagene Weg, amerikanische Kohle gegen Dollar oder im Kompensationswege gegen Hergabe wichtiger Grundstoffe zu beschaffen,
konnte zwar das seitherige, aber immer noch nicht ausreichende Produktionsniveau der eisenschaffenden Industrie halten, jedoch keine wesentliche Entlastung der Versorgungslage der übrigen Industrie herbeiführen, zumal die schwierige Beschaffung des erforderlichen Schiffsraums hemmend wirkte. Auf Grund der von der OEEC vorgenommenen Schiffsraumverteilung kann für das dritte und vierte Quartal zusammen bisher mit einem Import von 3,9 Millionen Tonnen amerikanischer Kohle gerechnet werden, während die Bundesregierung 4,8 Millionen Tonnen als Minimum betrachtet und bereits einen entsprechenden Antrag an die OEEC gerichtet hat.
Für das vierte Quartal ergibt sich folgende Lage. Es wird mit einer Durchschnittsförderung von 407 000 t arbeitstäglich gerechnet gegenüber 379 000 t im dritten Quartal. Trotzdem ist die verfügbare Menge durch die hohe Zahl von Feiertagen nur um 800 000 t höher als im dritten Quartal.
Nach Abzug der Exportmenge von wiederum 5,3 Millionen Tonnen verbleibt eine Inlandsverfügbarkeit von 22,8 Millionen Tonnen, für die das Bundeswirtschaftsministerium folgenden Verteilungsplan vorgesehen hat.
Erstens: Für die Besatzungsmächte mußte eine Menge von 898 000 t eingesetzt werden.
Es mag darauf hingewiesen werden, daß damit die Besatzungsmächte für das Jahr 1951 insgesamt eine Brennstoffmenge von 3,461 Millionen Tonnen in Anspruch nehmen gegenüber 2,132 Millionen Tonnen im Jahre 1950.
Das ist ein Mehr von 1,33 Millionen Tonnen.
Zweitens: Für Berlin waren 600 000 t einzusetzen. Damit erhält Berlin im Jahre 1951 2,686 Millionen Tonnen gegenüber 1,667 Millionen Tonnen im Jahre 1950. Das ist ein Mehr von rund einer Million Tonnen.
Drittens: Für Hausbrand und Kleinverbrauch wurden wiederum 6 Millionen Tonnen wie im dritten Quartal eingesetzt.
Viertens: Für den Verkehr wurden 3,443 Millionen Tonnen vorgesehen. Diese Menge ist nur un- wesentlich höher als im dritten Quartal und dient nur zur Deckung des laufenden Bedarfs.
Fünftens: Die Kraftwerke erhalten mit Rücksicht auf die saisonübliche Steigerung des Stromverbrauchs -2,8 Millionen Tonnen für den laufenden Verbrauch. Die Richtmenge für das dritte Quartal belief sich auf 2,35 Millionen Tonnen einschließlich der Mindestbevorratung.
Sechstens: Die Gas- und Wasserwerke erhalten 1,289 Millionen Tonnen und damit 100 000 t weniger als im dritten Quartal, die damals für die Lagerbevorratung vorgesehen waren.
Siebentens: Die eisenschaffende Industrie erhält aus deutscher Kohle 2,6 Millionen Tonnen. Das sind 0,1 Millionen Tonnen mehr als im dritten Quartal.
Achtens: Für die Gruppe der übrigen Industrie verbleibt demnach eine Menge von rund 4,6 Millionen Tonnen gegenüber 4,2 Millionen Tonnen im dritten Quartal. Unter Berücksichtigung des klimatisch bedingten Mehrverbrauchs für Heizungszwecke im vierten Quartal bedeuten diese 4,4 Millionen Tonnen gegenüber den 4,2 Millionen Tonnen im dritten Quartal keine Erhöhung, sondern sogar eine Verminderung.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß sich die Bundesregierung bei der Aufstellung ihrer Kohleverteilungspläne sowohl für das dritte als auch für das vierte Quartal 1951 vor die Wahl gestellt sah, entweder die Kohleversorgung von Hausbrand und Kleinverbrauch, des Verkehrs und der öffentlichen Versorgungsbetriebe wenigstens mit einigermaßen hinreichenden Mindestmengen zu sichern oder aber erhebliche Abstriche bei diesen Verbrauchern zugunsten einer ausreichenden industriellen Kohleversorgung vorzusehen. Im Bewußtsein ihrer Verantwortung und der Tragweite der Entscheidung hat die Bundesregierung den ersten Weg gewählt, wobei insbesondere der Wunsch maßgebend war, die Bevölkerung im kommenden Winter nicht frieren zu lassen. Die Bundesregierung sieht sich jedoch nicht in der Lage, dem Antrag der KPD-Fraktion in der vorliegenden Form zu folgen.
Meine Damen und Herren, ich möchte dazu noch einige weitere Ausführungen machen, die erkennen lassen, daß die Kohlezuteilung auf Grund des Zuteilungssolls bis zu diesem Augenblick richtig vorgenommen wurde. So wurde für das Bundesgebiet z. B. die Zuteilung an Hausbrandkohle — Stichtag ist der 5. September — nach dem Lieferungssoll zu 92,7 % erfüllt,
während die Zuteilung an Industriekohle nach dem Soll des Plans — natürlich nicht nach dem effektiven Bedarf — mit 112,6 % erfolgte.
Was die Hausbrandkohle anlangt, so sind Bedenken erhoben worden, ob eine reibungslose Abwicklung möglich sei. Ich möchte deshalb darauf hinweisen dürfen, daß das Bundeswirtschaftsministerium bereits im Februar dieses Jahres die Sicherung der Hausbrandversorgung in die Hand genommen und den Kohle-Haushaltschein und die Haushaltslisten zur Einführung gebracht hat.
In der Kohlenanordnung Nr. I/51 wurde die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, und zwar bereits
am 22. März 1951. In der Zwischenzeit wurden in
zehn Sitzungen mit den Kohlensachverständigen
der Länder die Dinge fortlaufend durchberaten.
Sie wissen, daß das Bundeswirtschaftsministerium keinen eigenen Verwaltungsapparat besitzt, sondern sich auf den Verwaltungsapparat der Länder stützen muß. Im übrigen ist dieser Tatbestand durch das Gesetz eindeutig festgelegt.
Die Technik geht dahin, daß die einzelnen Länder nach Maßgabe der Länderschlüssel, die gemeinsam erarbeitet wurden und die schon längere Zeit in Gültigkeit sind, über die Kreise die Kohle für den Hausbrand dem Kohlenhandel zur Verfügung stellen, und zwar nach Maßgabe der dort vorgenommenen Kundeneintragungen. Der Händler erhält diese Kohle also unmittelbar von der Zeche unter Umgehung des Großhandels, der nur über die fakturenmäßige Verrechnung eingeschaltet ist. Der Kohlenhandel selbst wieder ist gehalten, seinerseits Kundenlisten zu führen, denn er bekommt von den Zechen Kohle auf Grund einer Grundmengenbescheinigung in gerade der Menge, die den Eintragungen in die Kundenlisten entspricht. Die Kundenlisten sind so zu führen, daß jeder Kohlenhändler zu vermerken hat, welche Mengen er auf Grund der Eintragungen an die bei ihm verbuchten Haushaltungen geliefert hat, so daß die lückenlose Möglichkeit einer Kontrolle gegeben und jedweder Mißbrauch ausgeschlossen ist.
Wenn diese Maßnahmen noch nicht in allen Ländern praktische Übung geworden sind, dann ist das, wie gesagt, nicht die Schuld des Bundeswirtschaftsministeriums, sondern es herrschen Versäumnisse der Länder vor. Das wird auch daraus deutlich, daß in einer Reihe von Ländern diese Kundenlisten bereits praktisch gehandhabt und die Zuteilungen auf Grund dieser Maßnahmen vorgenommen werden, während andere Länder — ich kann nicht darauf verzichten, hier auf NordrheinWestfalen und Niedersachsen zu verweisen — es bis heute trotz wiederholten Drucks des Bundeswirtschaftsministeriums und trotz 10 in der Zwischenzeit abgehaltener Sitzungen verabsäumt haben, diese Anordnung in ihren Ländern durchzuführen. Sie haben dazu, wie gesagt, seit dem 22. März die rechtliche Grundlage.
Was darüber hinaus die Beurteilung der Angemessenheit einer Kohlenzuteilung von 20 Zentner pro Haushalt anlangt, so darf ich darauf verweisen, daß diese Menge gegenüber dem Vorjahr eine Besserung der Hausbrandversorgung um rund 50 %, bedeutet. Ein Vergleich mit englischen Verhältnissen ist hier nicht ohne weiteres möglich, weil die Heizungsmöglichkeiten und die Heizungstechnik in diesem Lande ganz anders geartet sind. Im übrigen besteht ja völlige Übereinstimmung darüber, daß die Deutschland auferlegte Kohlenexportquote zu hoch ist und daß alle Anstrengungen unternommen werden müssen, um zu einer Korrektur zu gelangen.
Vergleichsweise sei noch gesagt, daß im Kohlenwirtschaftsjahr 1950/51 die effektiven Lieferungen für den Hausbrand und für den Kleinverbrauch 17,7 Millionen Tonnen betragen haben, während hierfür im jetzigen Kohlenwirtschaftsjahr 1951/52 22 Millionen Tonnen vorgesehen sind, und davon werden bis zum 1. Oktober rund 10 Millionen Tonnen ausgeliefert sein.
Aus diesen Darlegungen dürfte deutlich geworden sein, daß die Bundesregierung es als ihre erste Sorge betrachtet hat, unter Zurückstellung anderer, insbesondere industriewirtschaftlicher Interessen vor allen Dingen den Hausbrand ausreichend zu versorgen. Ich glaube auch, sagen zu können, daß sich die Bundesregierung um die Versorgung des Hausbrands mehr Sorge gemacht hat als die KPD.