Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Interpellation Drucksache Nr. 2434 betreffend Behandlung Nordhessens als Notstandsgebiet beantworte ich, wie folgt.
Zu Punkt 1: Der unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums stehende Interministerielle Ausschuß für Notstandsgebietsfragen hat nach eingehenden Untersuchungen, die gemeinsam mit der Landesregierung 'durchgeführt wurden, einen Teil Nordhessens, nämlich die Kreise Eschwege, Rotenburg und Ziegenhain, ganz sowie die Kreise Melsungen, Fritzlar-Homberg, Frankenberg und Marburg teilweise zum Sanierungsgebiet erklärt. Die Erklärung besagt, daß der Bund dieses Gebiet im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Mittel unterstützen wird. Die Berücksichtigung weiterer Teile Nordhessens war im Hinblick auf die mit Sicherheit zu erwartenden Berufungen nicht möglich.
Im laufenden Rechnungsjahr konnten infolge der angespannten Finanzlage des Bundes für sämtliche Sanierungsgebiete der Bundesrepublik nur insgesamt 25 Millionen DM im Haushaltsplan vorgesehen werden. Der Interministerielle Ausschuß für Notstandsgebietsfragen beabsichtigt, von diesen 25 Millionen DM 1,4 Millionen DM dem genannten Gebiet in Nordhessen zur Verfügung zu stellen, und zwar 1,2 Millionen DM für gewerbliche und Verkehrsvorhaben und 0,2 Millionen DM für landwirtschaftliche Vorhaben. Die genannten Mittel sollen nach einem von der hessischen Landesregierung ausgearbeiteten und von dem Interministeriellen Ausschuß für Notstandsgebietsfragen gebilligten Sanierungsprogramm verwendet werden. Das Programm sieht in erster Linie die Schaffung zusätzlicher Dauerarbeitsplätze nebst den dazu erforderlichen Erschließungsmaßnahmen vor.
Durch die neuerliche Verschärfung in der Finanzlage des Bundes steht leider noch nicht fest, zu welchem Zeitpunkt die 25 Millionen DM tatsächlich in voller Höhe bereitgestellt werden können. Die Bundesregierung wird jedoch versuchen, trotz aller Schwierigkeiten die Sanierungsaktion ehestens abzuwickeln.
Bei dem strukturellen Charakter der Notlage Nordhessens wird ebenso wie in vielen anderen Gebieten der Bundesrepublik die endgültige Gesundung nur in einer langfristigen organischen Entwicklung erreicht werden können.
Diese Entwicklung muß über Jahre hinaus durch finanzielle Zuwendungen und therapeutische Maßnahmen der verschiedensten Art vom Bund gefördert werden.
Das oben genannte 25-Millionen-Programm ist insoweit also lediglich der erste bescheidene Anfang einer in Vorbereitung befindlichen langfristigen Gesundungsaktion.
Trotz der Knappheit der zur Verfügung stehenden Bundesmittel kann bei richtigem Einsatz ein verhältnismäßig großer Effekt dadurch erzielt werden, daß alle Hilfsmaßnahmen des Bundes eine enge Koordinierung erfahren. Der Interministerielle Ausschuß für Notstandsgebietsfragen ist deshalb bemüht, seine Maßnahmen sowohl mit dem Sofortprogramm für Arbeitsbeschaffung mit dem Gesamteinsatz von 200 Millionen DM als auch mit der Gemeinschaftshilfe zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen gemäß dem Soforthilfegesetz abzustimmen. Eingehende Besprechungen haben bereits stattgefunden. Das Bundesarbeitsministerium und das Hauptamt für Soforthilfe, die für die Auswahl der Vorhaben im Rahmen der beiden Programme zuständig sind, haben zugesichert, bei der
Vergabe der Mittel die Sanierungsaktion des Bundes zu berücksichtigen, soweit es die Zweckbestimmung der Programme zuläßt. Die Zusammenarbeit ist dadurch gewährleistet, daß sowohl das Bundesarbeitsministerium als auch das Hauptamt für Soforthilfe im Interministeriellen Ausschuß für Notstandsgebietsfragen vertreten sind.
Zu Punkt 2: Der Kupferschieferbergbau bei Sontra wurde in der Nordmulde — ReichenbergSchacht — und in der Südmulde — Wolfsberg-und Schnepfenbusch-Schacht — betrieben. Der Reichenberg-Schacht mit etwa einem Viertel des Kupfervorkommens ist im November 1950 ersoffen. Nach dem vorliegenden Gutachten kann seine Wiederinbetriebnahme nicht empfohlen werden; allein die Vorbereitung für die Aufnahme der Förderung würde fünf bis sechs Jahre in Anspruch nehmen, ohne daß bis dahin Kupfererz gewonnen würde.
Für die Förderung aus dem Wolfsberg- und Schnepfenbusch-Schacht sind in den nächsten fünf Jahren, also bis zum Jahre 1956, Investitionen in Höhe von 8,9 Millionen DM erforderlich, um Vorräte zu erschließen, die die Förderung für etwa zwanzig Jahre sicherstellen. Ohne diese Investitionen ist ein Betrieb mit der in Aussicht genommenen Kupfergewinnung von 2000 bis 3000 Tonnen im Jahre nicht möglich.
Das Bundesgebiet ist hinsichtlich der Versorgung mit Kupfer vom Weltmarkt außerordentlich stark abhängig. Nach Anlaufen des Verteidigungsprogramms ist dieses Metall einer der knappsten Rohstoffe geworden. Infolgedessen ist es erforderlich, daß auch in der Bundesrepublik alle Möglichkeiten zur Gewinnung von Kupfer ausgeschöpft werden. Das Kupferproblem der westlichen Welt ist so ' ernst, daß auf der International Material Conference in Washington Kupfer besonders behandelt und seine Verteilung auf internationaler Ebene erörtert wird. Dabei sind alle Staaten aufgefordert worden, ihre Anstrengungen zur Steigerung der Kupfergewinnung aus eigenen Vorkommen darzulegen. Von den eigenen Anstrengungen hängt letzten Endes auch die Höhe der dem Bundesgebiet zuzuteilenden Quote ab. Es ist daher notwendig, unter den heutigen Umständen das einzige Kupferbergwerk im Bundesgebiet aufrechtzuerhalten und die Förderung für die deutsche Versorgung nutzbar zu machen, auch wenn derjenige Teil des deutschen Bedarfs, der auf diese Weise gedeckt wird, im Vergleich zum deutschen Gesamtverbrauch nicht erheblich ist. Die Quote aus dem deutschen Aufkommen beträgt zur Zeit 2 bis 3 % der Kupfereinfuhr.
Die jetzigen hohen Kupferpreise auf dem Weltmarkt und in Deutschland gestatten die Aufrechterhaltung des Betriebes, da die relativ hohen Gestehungskosten bei den derzeitigen Preisen weitgehend gedeckt werden. Es ist aber nicht zu verkennen, daß bei einer Entspannung der politischen Weltlage der Kupferpreis erheblich sinken wird, so daß die jetzige Möglichkeit, die hohen Gestehungskosten zu decken, dann nicht mehr besteht. Bei allen Überlegungen über die zu ergreifenden Maßnahmen muß man sich daher klar vor Augen halten, daß der Kupferschieferbergbau bei Sontra wohl immer ein Sorgenkind bleiben wird, namentlich wenn die heutige Konjunktur auf dem Weltmarkt abgeebbt ist.
Das Bundeswirtschaftsministerium ist der Auffassung, daß die Wiederinbetriebnahme des Reichenberg-Schachtes nicht zweckmäßig ist. Dagegen soll mit allen Mitteln versucht werden, die
Fortführung der Betriebe Wolfsberg- und Schnepfenbusch-Schacht sicherzustellen, zumal eine Stillegung in diesem Grenzbezirk, dessen Arbeitslosenziffer besonders hoch ist, sozialpolitische und unter Umständen auch politische Auswirkungen haben müßte.
Die Bundesregierung verhandelt zur Zeit mit dem Land Hessen und der Salzdetfurth AG, in deren Eigentum sich die Anteile der Kurhessischen Kupferschieferbergbau GmbH Sontra befinden, über die Auseinandersetzung, die auf Grund des Optionsvertrages des Reiches mit der zu Salzdetfurth gehörenden Mansfeld AG stattfinden muß. Diese Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen.
Nach dem Kriege hat das Land Hessen für die Wiederaufnahme und die Weiterführung des Werkes, das seinerzeit in Übereinstimmung mit der „Verwaltung für Wirtschaft" wieder in Betrieb genommen worden ist, Subventionen — bis 31. März 1951 in Höhe von 5,5 Millionen DM — geleistet. Der Investitionsbedarf für das laufende Haushaltsjahr ist mit 2,5 Millionen DM aus Mitteln des Landes Hessen gesichert. Nach der Aufhebung des Militärgesetzes Nr. 19 ist die hessische Landesregierung an den Bund wegen der Auseinandersetzung Sontra herangetreten. Der Bund beabsichtigt, die sich aus dem Optionsvertrag für ihn ergebenden Rechte geltend zu machen. Die Salzdetfurth AG ist bereit, ihre Anteile dem Bund und dem Lande Hessen zu überlassen. Inwieweit es möglich sein wird, die notwendigen Investitionen zum weiteren Ausbau der beiden Betriebe bereitzustellen, wird sich erst im Zusammenhang mit den schwebenden Verhandlungen endgültig klären lassen.