Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Erörterung dieser Materie dürfen wir nicht verkennen, daß es sich beim Boden nicht um eine beliebig vermehrbare Ware handelt.
Viele von Ihnen gehen doch sonst von der Oberzeugung aus, daß man nur verteilen könne, was vordem produziert worden sei, und daß also alle Anstrengungen auf eine Verbesserung der sozialen Lebenshaltung auch der breiten Massen der Bevölkerung zunächst einmal auf eine Vermehrung des Sozialprodukts gerichtet werden müßten. Beim Grund und Boden ist das nicht möglich; der ist nun einmal so da, wie er ist, und wenn der Grundsatz aufgestellt wird, den ich durchaus in vernünftigem Umfang hier mir zu eigen machen will, daß es darauf ankommt, die Menschen zu verwurzeln und ihnen Eigentum zu geben, dann kommt es doch entscheidend darauf an, daß dieses Eigentum am Boden vorher erst irgend jemand anderem entzogen werden muß, sei es, daß er es verkauft, sei es, daß die Gemeinden in ihrer Bodenpolitik eine gewisse Vorratswirtschaft treiben, sei es, daß unter Umständen eben auch Bestimmungen z. B. im Baulandbeschaffungsgesetz vorgesehen sind, die es gestatten, baureifes Gelände auch gegen den Willen des jetzigen Eigentümers der Bebauung zuzuführen, wenn es unbedingt gebraucht wird.
Wir kommen also hier an die Schranken des Eigentums. Das Eigentum des einen kann der Feind des Eigentums des anderen sein, und es
wird Aufgabe eines vernünftigen Baugesetzes sein, dieses Problem so zu lösen, daß die Interessen der Gesamtheit dabei nicht gefährdet werden und daß wir über Schranken, die die heutige Eigentumsverfassung in bezug auf Grund und Boden uns teilweise noch bietet, eben hinwegkommen, auch um der Schaffung neuen vernünftigen Eigentums willen.
Von meinem verehrten Herrn Vorredner ist der Einwand erhoben worden, daß wir damit in unzulässiger Weise in die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder eingriffen. Das stimmt nicht. Alle Fachleute haben sich mit diesem Thema seit langem befaßt, und wenn Sie z. B. einmal mit den Fachleuten des Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesens in Bayern sprächen, verehrter Herr Kollege, dann würden sie Ihnen alle sagen, daß sie es sehr bedauern, daß gerade Bayern bis zum heutigen Tage noch kein Aufbaugesetz hat. Art. 74 Ziffer 18 des Grundgesetzes gibt dem Bund das Recht der konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiete des Grundstücksverkehrs, des Bodenrechts, des landwirtschaftlichen Pachtwesens, des Wohnungswesens, des Siedlungs- und des Heimstättenwesens. Das sind also gerade die Gebiete, auf die es hier ankommt.
Wenn dieser Antrag jetzt auf eine Beschleunigung der gesetzgeberischen Arbeiten drängt, dann aus dem Grunde: Wir leben heute in einer Zeit nicht nur einfach des Wiederaufbaues des Zerstörten, sondern des Neubaues ganzer Gebiete unserer Bundesrepublik. Es hat keinen Sinn, ein Baugesetz zu machen, wenn durch das, was jetzt entsteht, die künftige Planung von vornherein verpfuscht wird.
Wir müssen dafür sorgen, daß jetzt gleich vernünftige Dinge geschaffen werden können, daß viele
alte Zöpfe abgeschnitten werden, solange wir eben
noch das jetzige Bautempo mit 300- bis 350 000
Wohnungen im Jahre haben können — es einzuhalten haben wir uns als Programm hier in diesem
Hause gestellt —, und daß in dieser Zeit noch nach
dem Baugesetz gearbeitet werden kann. In normalen Zeiten mit einer zurückgehenden Bauquote, wenn die wesentlichen Wiederaufbau- und Neubauleistungen erbracht sind, ist ein solches Baugesetz zwar auch noch nützlich, aber nicht mehr so lebensnotwendig wie gerade heute.
Daher versuchen wir, hier etwas Druck dahinterzusetzen. Denken Sie doch nur an die Probleme der Baugestaltung in all den Gebieten, wohin jetzt im Zuge der Umsiedlung aus den übervölkerten Flüchtlingsländern die Heimatvertriebenen kommen. Wir alle wissen — es ist das kleine Einmaleins unserer täglichen Arbeit —, daß die Umsiedlung eine Frage des Wohnungsbaues ist, und diese Wohnungen müssen nach bestimmten Gesichtspunkten dorthin gesetzt werden, wo sie nicht nur in die Landschaft passen, sondern wo auch die Existenzmöglichkeiten vorhanden sind.
Wir brauchen also ein Baugesetz, das das ganze Gebiet des Bauens in die große Stadt- und Landesplanung eingliedert. Anders werden wir nicht vorankommen. Auf vielen Gebieten der Gesetzgebung hinkt die Bundesrepublik den anderen Ländern, die am Kriege teilgenommen haben, erheblich nach. Ich glaube, wir können von einer ganzen Reihe europäischer und außereuropäischer Länder eine ganze Masse auf diesem Gebiete lernen.
Wir haben zu unserer Freude gehört, daß die Bundesregierung von den gleichen Absichten beseelt sei. Was aber dann der Herr Minister über die Realisierung dieser Absichten uns hier erzählt hat, kann doch nur tief traurig stimmen.
Da ist also ein Referentenentwurf vor einem Jahre veröffentlicht worden, und zu unserem Erstaunen vernehmen wir, daß jetzt in diesen Tagen die Ressortbesprechungen über diesen Entwurf nicht etwa abgeschlossen sind — das würde eine ganz ordentliche Leistung sein —, sondern beginnen werden, nachdem der Entwurf schon ein Jahr veröffentlicht ist. Da kann man uns doch hier nicht sagen, die Bundesregierung sei von den gleichen Absichten beseelt, wenn dieser Entwurf so lange in der Schublade gesteckt hat,
aber nirgendwo öffentlich diskutiert worden ist und wenn alle die Vorbereitungsorgane der Gesetzgebung, die uns die Dinge hier vorpräparieren sollen, damit wir nachher zu endgültigen Beschlüssen kommen können, nicht einmal die Referentenbesprechungen weiter gefördert haben. Es wird also nützlich sein, den Herrn Wohnungsbauminister daran zu erinnern, daß wir es in diesem Hause nicht sehr gern sehen, wenn mit Entschließungen des Bundestages so umgegangen wird wie mit der Entschließung über das Baulandbeschaffungsgesetz. Der Gesetzentwurf hat uns auch erst mit einer Verspätung von fast zwei Jahren erreicht. Wir richten den dringenden Appell an das Ministerium, dann eben in seinem eigenen Apparat die erforderlichen Voraussetzungen für eine fruchtbare Arbeit auf diesem Gebiet zu schaffen.
An den Leuten scheint es mir gar nicht zu fehlen; es sind heute schon verschiedene genannt worden. Es scheint darauf anzukommen, daß die im Wohnungsbauministerium vorhandenen Fachleute wenigstens an die Arbeit gesetzt werden und dadurch die Möglichkeit erhalten, in dieser Frage voranzukommen.
Daher würde ich mich freuen, wenn außer den antragstellenden Parteien auch die anderen Parteien dieses Hauses unserem Antrag, der die entsprechenden Aufgaben der Bundesregierung vorzeichnet, einmütig zustimmen würden.