Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Zur heutigen Tagesordnung habe ich folgendes mitzuteilen. Nach dem gestern vom Hause gefaßten Beschluß sind in die heutige Tagesordnung aufgenommen:
der von den Fraktionen der SPD, BP, Landesgruppe CSU, Gruppe WAV und den Abgeordneten Dr. Wellhausen und Genossen eingebrachte Entwurf eines Gesetzes über den Sitz der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ;
der von den Abgeordneten Schröter, Dr. Nowack , Walter, Frau Wessel und Genossen eingebrachte Entwurf eines Gesetzes über den Sitz der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Nr. 2481 der Drucksachen);
— kommt gleich, Herr Kollege, ich kann leider immer nur einen Gesetzentwurf nach dem andern vorlesen —
der von den Abgeordneten Euler, Fassbender und Genossen eingebrachte Entwurf eines Gesetzes gemäß § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ;
der Mündliche Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Genehmigung zur Ausführung eines Vorführungsbefehls gegen den Abgeordneten Dr. Richter gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 10. Juli
1951 und
die Fortführung der Beratung über das Getreidegesetz, die gestern unterbrochen worden ist.
- Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen weiter vor, die Tagesordnung durch folgende Vorlagen zu ergänzen, die sofort verteilt werden können:
erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, des Zentrums und des BHE eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Soforthilfegesetzes ;
erste, zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dr. Müller und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Nr. 2480 der Drucksachen); erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln (Teuerungszulagengesetz) (Nr. 2463 der Drucksachen).
— Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
— Ich hatte mir gestattet, darauf hinzuweisen, daß die Beratung über das Getreidegesetz fortgeführt wird.
Meine Damen und Herren, ich bitte freundlichst, mir den Aufruf der eingefügten Punkte nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten überlassen zu wollen.
Ich rufe den Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Beratung der Interpellation der Fraktion der FDP betreffend Abtransport der ausländischen, nach Gesetz Nr. 53 der Militärregierung abgelieferten Devisenwerte aus deutschem Besitz .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von höchstens 20 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. — Ich nehme an,
daß das Haus damit einverstanden ist.
Zur Begründung der Interpellation hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
Dr. Wellhausen , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung unserer Interpellation habe ich Ihnen folgende Ausführungen zu machen.
Anfang März dieses Jahres wurde der Studiengesellschaft für privatrechtliche Auslandsinteressen in Bremen bekannt, daß die Landeszentralbanken in sämtlichen Ländern des Bundes den Eigentümern ausländischer Wertpapiere Quittungen oder Entnahmebescheinigungen zugesandt hatten, aus denen sich ergab, daß die Wertpapiere an beauftragte alliierte Dientstellen herausgegeben und abtransportiert worden sind. Als Grund für die alliierte Forderung auf Herausgabe der Wertpapiere war entweder angegeben, sie würden für Zwecke der Reparation oder in seltenen Fällen auch für solche der Restitution beansprucht.
Ob und wann das Bundesfinanzministerium von dem Vorhaben der Alliierten offiziell oder inoffiziell in Kenntnis gesetzt wurde, darauf möchte ich in diesem Augenblick nicht eingehen. Jedenfalls nahm das Finanzministerium eine Nachprüfung der Situation vor, als sie ihr bekannt wurde, und diese ergab, daß in der Tat im ganzen Bundesgebiet der Abtransport der ausländischen Wertpapiere aus deutschem Besitz, die seinerzeit zu Beginn der Besatzung nach Gesetz Nr. 53 der Alliierten von den Eigentümern an die Landeszentralbanken abgeliefert worden waren, in vollem Gange sei. Die Studiengesellschaft, die die Interessen der Betroffenen schon seit vielen Jahren in einer unserer Ansicht nach sehr dankenswerten Weise wahrnimmt, hat daraufhin sofort, und zwar mit Schreiben vom 24. Mai 1951, die Präsidenten der Landeszentralbanken, davon unterrichtet, daß sie sich den Eigentümern dieser Papiere gegenüber haftbar machen, wenn sie die Papiere aus ihrem Gewahrsam an alliierte Stellen herausgeben.
Das Bundesfinanzministerium ist, soweit uns bekannt wurde, ebenfalls in dem Sinne an die Landeszentralbanken herangegangen, die Herausgabe der Papiere zu verweigern, bis eine endgültige Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Alliierten getroffen sei. Nach unseren Informationen haben die Landeszentralbanken eine sehr verschiedene Haltung eingenommen. Es ist uns bekanntgeworden, daß der Präsident der Landeszentralbank Nordrhein-Westfalen sich — wenn Sie so wollen — unter persönlichem Einsatz sehr scharf gegen das an ihn gestellte Ansinnen verwahrt hat.
Inzwischen hat sich die Presse mit dieser Angelegenheit ausführlich beschäftigt, und das ist auch sehr berechtigt. Denn der Vorgang ist aus verschiedenen Gründen bedeutungsvoll, wenn nicht unglaublich. Ich darf Ihnen im folgenden einiges dazu ausführen. Das Gesetz Nr. 53 ist ein reines Devisenkontrollgesetz, wobei der Ton auf „Kontrolle" liegt, ein Gesetz also, wie es deren in in Deutschland und anderswo in der Welt leider Gottes in rauhen Mengen gibt. Es ist durchaus verständlich, daß die Besatzungsbehörden bei der Übernahme der Gewalt in Deutschland es als eine ihrer ersten und dringendsten Aufgaben angesehen haben, die im besetzten Gebiet, also bei ups, vorhandenen Devisenwerte zu kontrollieren, aber eben nur zu kontrollieren. In der Tat diente das Gesetz Nr. 53, wie sich aus seiner Überschrift und aus seinem Inhalt zweifelsfrei ergibt, ausschließlich diesem Zweck. Das Eigentum der Wertpapiere wurde durch das Gesetz in keiner Weise berührt.
An diesem Zustand hat sich seit 1945 auch nichts geändert. Es sind keinerlei neue alliierte Vorschriften ergangen, die etwa dieses Gesetz in dem Sinne ergänzt hätten, daß nunmehr auch das Eigentum entzogen werden sollte. Es sind im Gegenteil eine
Reihe von Maßnahmen und Äußerungen alliierter
Stellen bekanntgeworden, aus denen sich ergibt, daß ihrer Auffassung nach die Eigentümer der Wertpapiere in einem gewissen Sinne ihre Rechte aus dem Eigentum ausüben können. Ich erwähne als Beispiel die Teilnahme an der Generalversammlung der betreffenden Gesellschaft, die das Papier ausgegeben hat.
Nun scheinen die Alliierten nach dem sehr lakonischen Wortlaut der Entnahmebescheinigung, den ich vorhin vorgetragen habe, diese Papiere als Reparation in Anspruch zu nehmen, wobei ich einmal die weniger zahlreichen Fälle, in denen sie Restitution als Grund angegeben haben, beiseite lasse. Demnach wären also nach alliierter Auffassung diese Papiere deutsches Auslandsvermögen. Wenn die Alliierten das behaupten, so stellen sie sich in Widerspruch zur internationalen Rechtslehre und zu einer Fülle von Urteilen ihrer eigenen Gerichte, die nämlich davon ausgehen, daß das Vermögen, das durch die Wertpapiere verkörpert wird, dort gelegen ist, wo sich das Wertpapier befindet. Die nach dem Gesetz Nr. 53 abgelieferten Papiere befanden sich ausnahmslos in Deutschland, sonst . wären sie ja nicht abgeliefert worden. Sie sind deutsches Inlandsvermögen und nicht deutsches Auslandsvermögen. Aus diesem Grunde können die Alliierten ihr Vorgehen auch nicht — und man hört, daß sie das tun oder tun wollen — auf das Gesetz Nr. 5 stützen, denn dieses beschäftigt sich, wie Sie alle wissen, ausschließlich mit dem deutschen Auslandsvermögen.
Wenn ich noch einen weiteren Gesichtspunkt dafür anführen darf, daß die alliierten Stellen mit ihrer Rechtsauffassung auf dem falschen Wege sind, so ist es der, daß sich die Alliierten bei ihren Maßnahmen in Widerspruch zu ihrer sonstigen Praxis und damit auch zu der Auffassung ihrer eigenen Regierungen stellen. Dort werden nämlich die Papiere, von denen ich spreche, deren Eigentümer Deutsche sind und die sich in dem betreffenden alliierten Lande, also nicht in Deutschland, im Bankdepot oder dergleichen befinden, als deutsches Auslandsvermögen angesehen. Sie sind beschlagnahmt, sie sind, wie Sie wissen, leider auch schon in großem Umfange liquidiert. Es ist also geradezu unlogisch, wenn die Alliierten in dem einen Falle sagen, die Wertpapiere seien deswegen Auslandsvermögen, weil das Papier sich im Ausland befindet, und im andern, nämlich in unserm Fall sagen, die Wertpapiere seien Auslandsvermögen, weil der Aussteller des Papiers sich im Ausland befindet. Sie müssen sich, so unbequem ihnen das bedauerlicherweise sein mag, für die eine oder die andere dieser Auffassungen entscheiden und daher entweder die deutschen Papiere im Auslande wieder herausgeben oder die ausländischen Papiere in Deutschland nicht, wie sie es jetzt tun, wegnehmen.
Ein ganz kurzes Wort über die Restitution. Es ist ebenfalls nicht möglich, sich auf die Restitution zu stützen; denn bei der Restitution kann man die Papiere nicht in einem einseitigen Verfahren durch alliierten Befehl wegnehmen. Mag das Restitutionsverfahren auch, wie wir ja alle wissen, vielerlei Mängel aufweisen und mit den Grundsätzen eines Verfahrens in einem Rechtsstaat in vieler Hinsicht nicht übereinstimmen, so gibt es doch immerhin demjenigen, der die Papiere hergeben soll, den Anspruch, vorher gehört zu werden. Von einer solchen vorherigen Anhörung ist in keinem einzigen Falle etwas bekannt geworden.
Es ist uns Nachricht darüber zugekommen, daß die alliierte Oberkommission schon mit einem Schreiben vom 31. Januar dieses Jahres nachgeordnete deutsche Zolldienststellen davon unterrichtet hat, daß der Abtransport der Papiere bevorstehe. Sie hat dabei um entsprechende Maßnahmen zu einer reibungslosen Durchführung ihres Vorhabens ersucht. Ich möchte zum Ausdruck bringen, daß wir dieses Verfahren — unter Umgehung der Bundesregierung! -- für völlig unzulässig halten,
wenn man bedenkt, daß és einen schweren und, wie Sie meinen Ausführungen vielleicht entnommen haben, auf keinerlei Rechtsgrundlage gestützten Eingriff in das deutsche Inlandsvermögen darstellt.
Das Vorgehen der alliierten Oberkommission widerspricht den Bestrebungen aller beteiligten Regierungen, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf europäischer Basis, also auch mit uns, herbeizuführen. Es ist sehr bedauerlich, daß es denjenigen Wasser auf die Mühlen treibt, die an einen wirklichen Wandel in der alliierten Besatzungspolitik bei allen Stellen und bis zu den untersten herunter immer noch nicht glauben wollen oder können.
Meine Damen und Herren! Ich muß zum Schluß mit allem Nachdruck betonen, daß auch das Verhalten derjenigen deutschen Stellen, die dieser alliierten Forderung widerstandslos — wobei ich nicht an Brachialgewalt denke — nachgekommen sind, ohne die Rechtsgrundlage des alliierten Vorgehens zu prüfen und ohne die zuständigen Stellen der Bundesregierung zu benachrichtigen,
geeignet ist, schwerste Bedenken und Beunruhigung in der Bevölkerung; in erster Linie aber bei uns hier in diesem Hause zu erwecken. Denn wir sind der Auffassung, daß diese Einstellung deutscher Stellen, die 1945 verständlich, 1947 schon Bequemlichkeit und Angst war, vorbei sein sollte.
Wir können diesen Stellen den Vorwurf nicht ersparen, daß sie zum allermindesten nicht mit der Umsicht vorgegangen sind, die wir von ihnen erwarten können.
Ich glaube, daß sich die Fragen, die wir in unserer Interpellation an die Bundesregierung gerichtet haben, aus meinen Ausführungen heraus klar begründen, und wir erwarten mit sehr großer Spannung die Antwort der Regierung.