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ID0115701000

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    Vokabeln: 6
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    6. Bundeskanzler.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 157. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. Juli 1951 6243 157. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. Juli 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . 6244B, 6260D Ergänzung der Tagesordnung 6244B Anfrage Nr. 196 der Fraktion der SPD betr Steigerung der Dieseltreibstoffpreise (Nrn. 2309, 2420 der Drucksachen) . . . . 6244C Bericht des Bundeskanzlers über die Papierversorgung für Zeitungen (Nr. 2358 der Drucksachen) 6244C Zur Geschäftsordnung (betr. Redezeit und Ablesen von Manuskripten: Hennig (SPD) 6244C Präsident Dr. Ehlers 6244D Mellies (SPD) 6245A Beratung des Antrags der Abg. Strauß u. Gen. betr. Rede des französischen Hochkommissars an der Saar (Nr. 2298 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Saarfrage (Nr. 2347 der Drucksachen) 6245A Strauß (CSU), Antragsteller . . . 6245B Ollenhauer (SPD), Antragsteller 6248D, 6258B Dr. Adenauer, Bundeskanzler 6251C, 6259D Dr. von Merkatz (DP) 6252D Dr. Seelos (BP) 6253C Rische (KPD) 6254B Kiesinger (CDU) 6255D Dr. Hamacher (Z) 6256C von Thadden (DRP) 6257C Dr. Ott (BHE-DG) 6258B Ausschußüberweisung 6260C Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Bertram, Rümmele, Tichi, Clausen u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Pensionskasse deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen (Nr. 2334 der Drucksachen) 6260C Ausschußüberweisung 6260D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines KraftfahrtBundesamtes (Nr. 2409 der Drucksachen) 6260D Auschußüberweisung 6260D Erste Beratung des Entwurfs eines Gèsetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2500 der Drucksachen) . . . 6261A Ausschußüberweisung 6261A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau (Nr. 2388 der Drucksachen) 6261A Ausschußüberweisung 6261A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Zulagen in den gesetzlichen Rentenversicherungen (Rentenzulagegesetz — RZG —) Nr. 2390 der Drucksachen) 6261A Storch, Bundesminister für Arbeit 6261B, 6264D, 6269C Renner (KPD) 6262B Richter (Frankfurt) (SPD) 6263A Schütz (CSU) 6264D Willenberg (Z) 6265B Arndgen (CDU) 6265C Frau Dr. Probst (CSU) 6265D Dr. Hammer (FDP) 6266A Horn (CDU) 6266C Frau Kalinke (DP) 6267B, 6270B Frau Schroeder (Berlin) (SPD) . . . 6268D Dr. Klein, Senator von Berlin . . . 6270A Dr. Bucerius (CDU) 6271B Mellies (SPD) 6271D Ausschußüberweisung 6272A Dritte Beratung des Entwurfs eines Bundesbahngesetzes und des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbahn (Bundesbahngesetz) (Nrn. 1341, 1275, 2399 der Drucksachen, Umdrucke Nm. 257, 260) . . . 6272A Jahn (SPD) 6272B Vesper (KPD) 6274A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 6275A Rümmele (CDU) 6277A Rademacher (FDP): zur Sache 6279B zur Abstimmung 6282C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 6282D Abstimmungen 6280C, 6282D Zweite und Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2245 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2391 der Drucksachen) 6283B Eickhoff (DP), Berichterstatter . . 6283B Lausen (SPD) 6284A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6285C Dr. Seelos (BP) 6286C Beschlußfassung 6286D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betr. Aufhebung der Immunität der Abg. Aumer, Freiherr von Aretin, Donhauser, Mayerhofer und Volkholz (Nr. 2419 der Drucksachen) 6287A Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 6287A Beschlußfassung 6287D Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP betr. Neuwahl der Mitglieder des Kontrollausschusses beim Hauptamt für Soforthilfe (Nr. 2421 der Drucksachen) 628'7D Beschlußfassung 6288A Beratung des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Günther, Kemper u. Gen. betr. Höchstentfernung im Güternahverkehr (Nrn. 1930, 646 der Drucksachen) 6288-A Beschlußfassung 6288A Beratung des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Fahrrad-Hilfsmotoren (Nrn. 2333, 817 der Drucksachen) 6288A Beschlußfassung 6288B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Funk u. Gen. betr. Frachttarife für Schottersteine zum Straßenbau (Nrn. 2351, 1872 der Drucksachen) 6288B Cramer .(SPD), Berichterstatter . . 6288B Beschlußfassung 6289C Nächste Sitzungen 6289C Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Erich Ollenhauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat den heute zur Beratung stehenden Antrag eingebracht, weil die Entwicklung der Saarfrage nach unserer Auffassung weiterhin äußerst beunruhigend ist und weil wir vor der Tatsache stehen, daß die Bundesregierung dieser Entwicklung gegenüber in völliger Passivität verharrt.
    Ich möchte heute morgen keines der Argumente wiederholen, die in der Debatte am 30. Mai eine Rolle gespielt haben, insbesondere in der Rede meines Freundes Carlo Schmid. Ich möchte nur auf einige Tatsachen hinweisen, die sich seitdem gezeigt haben,


    (Ollenhauer)

    Das Beunruhigende ist nach unserer Auffassung, daß die französische Saarpolitik seit der Unterzeichnung des Schumanplans und seit dem Briefwechsel zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem Außenminister Schuman neue Tatsachen an der Saar schafft, die die dauernde politische Loslösung des Saargebiets fördern. Die Hoffnung des Herrn Bundeskanzlers, der Schumanplan und der Briefwechsel mit dem Außenminister Schuman würden das Saarproblem allmählich auflösen, erfüllt sich offensichtlich nicht. Im Gegenteil, die Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler einen Vertrag unterzeichnet hat, in dem ausdrücklich die Vertretung des Saargebiets durch Frankreich festgelegt ist, hat, wie sich jetzt schon zeigt, die französische Position in der Saarfrage erheblich verstärkt, und der Briefwechsel bleibt demgegenüber ohne jedes faktische Gewicht.
    Der Herr Außenminister Schuman hat die französische Position in bezug auf die Saar nach dem 18. April in verschiedenen Erklärungen und Pressekonferenzen völlig klar dargelegt. Frankreich will ein autonomes Regime an der Saar, und es will dieses Regime auf die Dauer. Es wird die Aufrechterhaltung dieses Zustandes auch bei zukünftigen Friedensverhandlungen fordern. Das zweite ist, daß wir durch die Ereignisse der letzten Wochen vor der Tatsache stehen, daß sich Frankreich durch den Briefwechsel nicht verpflichtet fühlt, an der Saar bis zum Friedensvertrag stillzuhalten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Sie haben in den letzten Tagen in der Presse die Meldungen gelesen, daß man das sogenannte Hochkommissariat an der Saar in eine Botschaft verwandeln will, und die französische Regierung hat erklärt, daß sie die Verstärkung des autonomen Charakters des Saargebiets ohne Rücksicht auf die Tatsache der Unterzeichnung des Schumanplans in vollem Umfang und so schnell wie möglich durchführen will.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Auch diese Entscheidungen der französischen Regierung erfolgen wie alle früheren Entscheidungen über das Schicksal des Saargebiets ohne eine wirklich demokratische und freie Entscheidung der Menschen an der Saar.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir müssen damit rechnen, daß diese Umwandlung des Saargebiets in einen autonomen Staat in den nächsten Wochen weiter vorangetrieben wird. Schließlich stehen wir auch, jedenfalls nach den Entwicklungen der letzten Woche, vor der Tatsache, daß sich die These unserer Bundesregierung, mit dem Inkrafttreten des Schumanplans würden alle Voraussetzungen und Gründe wegfallen, die bisher die französische Politik an der Saar bestimmt haben, nicht aufrechterhalten läßt, daß sie insbesondere von der französischen Seite völlig abgelehnt wird.
    Ich möchte Herrn Grandval nicht die Bedeutung zumessen, die Herr Strauß ihm hier in der Begründung seines Antrags gegeben hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Der Antrag von Herrn Strauß ist in diesem Sinne ein Antrag, der seinem Namen durchaus gerecht wird. Da hat der Herr Strauß den Kopf in den Sand gesteckt.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Das heißt: es geht hier gar nicht in erster Linie um die Frage der Absichten und der Ziele, die Herr Grandval verkündet.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Auf der andern Seite stehen wir allerdings vor der Tatsache, daß — insbesondere seit der Unterzeichnung des Schumanplans — Herr Grandval als der höchste französische Beamte an der Saar wiederholt noch offener und eindeutiger über französische politische Ziele an der Saar gesprochen hat als der Herr Außenminister Schuman.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang Ihre Aufmerksamkeit auf eine Tatsache lenken, die nach unserer Meinung in den kommenden Diskussionen über den Schumanplan für die deutsche Entscheidung von großer Bedeutung ist: Der Presse- und Informationsdienst der Bundesregierung vom 9. Juni — also auch sicher nach Ihrer Meinung und nach der Meinung der Regierung eine zuverlässige Informationsquelle — hat einen Auszug aus einem Interview von Herrn Grandval veröffentlicht. In diesem Auszug heißt es:
    Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß die europäische Montanunion die Saarautonomie und den wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich unnötig mache. Die Gemeinschaft der Montanunion setzt ein Gleichgewicht zwischen den Partnern voraus, das empfindlich gestört wird, wenn man die Saar Deutschland zuschlage.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das heißt doch: die dauernde Loslösung der Saar von Deutschland ist nach dieser Auffassung sozusagen eine fundamentale Voraussetzung, ein fundamentaler Bestandteil der neuen ökonomischen Ordnung, die durch den Schumanplan geschaffen werden soll. Und dieser Schumanplan ist vom Herrn Bundeskanzler unterzeichnet worden. Er gilt, wie Sie wissen, für 50 Jahre.
    Ich will hier nur auf diesen Tatbestand aufmerksam machen. Ich hoffe, daß der Herr Bundeskanzler, wenn er in der nächsten Zeit dem Hohen Hause das Ratifizierungsgesetz zum Schumanplan vorlegt, dem Parlament eine Erklärung darüber abgeben wird, wie die französische Regierung offiziell und verbindlich zu den Äußerungen des Herrn Grandval Stellung genommen hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Denn ich kann mir nicht vorstellen, daß ein deutsches Parlament einen Vertrag ratifizieren kann, der nach französischer Auffassung auf der Voraussetzung basiert, daß er nur funktionieren und von Frankreich angenommen werden kann, wenn damit die dauernde Loslösung eines deutschen Gebiets von Deutschland verbunden ist.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Kiesinger: Herr Ollenhauer, nun pumpen S i e Herrn Grandval auf! — Abg. Strauß: S i e identifizieren doch ganz Frankreich mit Grandval! Sie geben ihm doch mehr Bedeutung als wir! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Entschuldigen Sie, ich habe den Herrn Bundeskanzler gebeten, im Parlament darüber Auskunft zu geben, ob die französische Regierung diese weitgehenden Äußerungen des Herrn Grandval tatsächlich als ihre Auffassung anerkennt.

    (Abg. Strauß: Das ist ja unser Antrag. Wir haben differenziert, und Sie haben identifiziert!)



    (Ollenhauer)

    U Angesichts dieser neuen Etwicklung in der französischen Saarpolitik ist nach unserer Aufassung eine Fortsetzung der Politik des Stillhaltens und des Gewährenlassens durch die deutsche Bundesregierung völlig unmöglich. Es geht nicht darum, daß man, wie uns gesagt worden ist, die deutsch-französischen Beziehungen nicht immer durch fortgesetzte Saardebatten von neuem belasten dürfe. Es ist nicht unsere Schuld, daß sich die Dinge so entwickelt haben. Wir sind nach wie vor für eine deutsch-französische Zusammenarbeit. Wir sind für Verhandlungen, und wir stehen unverändert zu dem Vorschlag Dr. Schumachers in seiner Rede vom 10. März 1950, einem Vorschlag, der Verhandlungen mit Frankreich anregte, die bedeutungsvoller sind und tiefer gehen als das, was Handelsvertragsverhandlungen hervorbringen können, die schließlich zu einem französisch-deutschen Freundschaftsvertrag führen können. Was wir bedauern und beklagen, ist, daß in der Zwischenzeit unsere Regierung in dieser Richtung keine Initiative entfaltet hat.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Sie hat den Beitritt der Saar zum Europarat auf der gleichen Ebene wie die Bundesrepublik hingenommen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Sie hat jetzt durch die Unterzeichnung des Schumanplans die französische Position in der Saarfrage zweifelsfrei gestärkt. Wir meinen, sie muß endlich als ihre Pflicht erkennen, daß sie als deutsche Regierung genau so für die Saar zu sprechen hat wie für die Menschen in der Ostzone.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir verstehen auch nicht, warum sich die deutsche Bundesregierung in ihrem praktischen Verhalten nicht auf den Beschluß der New Yorker Außenministerkonferenz bezieht, an dem ja die französische Regierung mitgewirkt hat und dem sie zugestimmt hat. In diesem Beschluß ist die Bundesregierung als die einzig legitime deutsche Regierung anerkannt worden,

    (Na, na! bei der KPD)

    und diese Anerkennung schließt auch die Vertretung des Saargebiets durch die Bundesregierung ein; denn das Saargebiet gilt, wiederum nach den Entscheidungen der Alliierten, als deutsches Staatsgebiet. In jedem Fall: die Erfahrungen mit dem Schumanplan in der Vergangenheit zeigen, daß die Bundesregierung keine Verträge und Abkommen abschließen darf, die direkt oder indirekt die Lösung eines deutschen Gebietsteils wie die Saar sanktionieren, verstärken oder herbeiführen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, es geht dabei nicht nur um die Wahrung eines Rechtsanspruchs des deutschen Volkes; es geht vor allem auch um die Menschen an der Saar. Ich will in diesem Zusammenhang wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht auf den wirklichen Charakter der sogenannten „wirtschaftlichen Zusammenarbeit" zwischen der Saar und Frankreich eingehen. Es' ist ein sehr trübes Kapitel,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    und diese Zusammenarbeit trägt in der Praxis vielmehr den Charakter einer weitgehenden Protektoratsbehandlung des Saargebiets unter französischer Führung, und ich muß leider sagen: auch
    einer weitgehenden wirtschaftlichen Ausbeutung des Saargebiets, einseitig zugunsten Frankreichs.

    (Sehr richtig! und Sehr wahr! bei der SPD.)

    Aber, meine Damen und Herren, ohne in Einzelheiten über dieses Problem einzugehen, möchte ich darauf hinweisen, daß sich seit der Unterzeichnung des Schumanplans der totalitäre Zug der französischen Politik und ihrer Helfer an der Saar wesentlich verschärft hat. Ich will hier nicht noch einmal das Verbot der Demokratischen Partei an der Saar behandeln.

    (Zuruf von der KPD: Genau wie hier!)

    Die Tatsache, daß es auf Verlangen des französischen Außenministers erfolgt ist, ist eines der trübsten Kapitel französischer Saarpolitik nach 1945.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Das Verbot ist ein Schlag gegen jede demokratische Gesinnung und Praxis.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Heute wissen wir, daß es der Beginn einer neuen Ara der Unterdrückung demokratischer Freiheiten und Rechte ist. Ich weiß, das ist ein sehr hartes Urteil gegenüber einem Land, dessen Volk eine so stolze freiheitliche und demokratische Tradition hat wie das französische. Aber Tatsache ist, daß es heute an der Saar keine echte Opposition gegen die Protektoratsregierung gibt,

    (Zuruf von der KPD: Hier auch nicht!)

    daß es an der Saar keine Pressefreiheit gibt und daß es an der Saar keine Koalitionsfreiheit gibt. Alle wesentlichen Grundrechte der Konvention des Europarats über die Menschenrechte werden an der Saar ständig verletzt. Man unterbindet nicht nur die politische Aktivität, man geht auch dazu über, die Menschen, die aus ihrer oppositionellen Haltung gegenüber dem gegenwärtigen Regime an der Saar öffentlich kein Hehl machen, auch ihrer wirtschaftlichen Existenz zu berauben mit Mitteln, die wir bisher nur in Diktatur-Staaten gekannt haben.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Renner: Und ab Montag im Bundesgebiet! Weitere Zurufe von der KPD.)

    — Ich meine mit Diktaturen auch die kommunistische Herrschaft in der Ostzone, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und in der Mitte. — Lebhafte Zurufe von der KPD. — Abg. Renner: Das ist ein Denkfehler! Ich dachte: das Zuchthausgesetz in Vorbereitung!)

    Das Bedeutsame dabei ist, daß heute die Saarbevölkerung nicht die Möglichkeit hat, frei und ohne Furcht ihre wahre Meinung zu äußern.

    (Abg. Rische: Methode Kaiser!)

    Das zweite: In der Begründung des Verbots der Demokratischen Partei der Saar ist offiziell erklärt worden, daß jede Stellungnahme gegen das jetzige Regime an der Saar staatsfeindlich und verfassungswidrig ist. Schließlich hat man festgestellt, daß Verbindungen mit Deutschland oder deutschen Politikern als Verbindungen mit dem Ausland anzusehen und als unzulässig zu betrachten sind.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf von der KPD: Zuchthausgesetz!)

    Meine Damen und Herren, das ist ein Zustand, den wir als deutsche Bundesrepublik und den die deutsche Bundesregierung nicht länger stillschweigend hinnehmen können.

    (Zustimmung bei der SPD.)



    (Ollenhauer)

    Es ist wirklich nicht die Schuld des deutschen Volkes, wenn jetzt und gerade im 'Zeichen des Schumanplanes an der Saar eine Situation entsteht, die nach unserer Überzeugung die deutsche Regierung einfach zwingen muß, für die Menschen an der Saar zu sprechen, weil sie nicht mehr frei sind, für sich selbst zu sprechen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Sprechen heißt bestimmt nicht schreien; aber das gegenwärtige Schweigen der Regierung in diesen Fragen ist einfach unerträglich.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, es gibt noch einen anderen sehr wesentlichen Punkt. Die Saarländer haben unter den gegenwärtigen Bedingungen keine Möglichkeit, in irgendeinem europäischen Gremium ihr Recht zu suchen. Es ist, glaube ich, die Pflicht der Bundesregierung, hier initiativ zu werden. Es ist die Aufgabe, eine unaufschiebbare Aufgabe der Regierung, im Ministerrat des Europarates die Frage nach den gegenwärtigen Zuständen an der Saar aufzuwerfen.

    (Beifall bei der SPD und vereinzelt in der Mitte)

    und vom Europarat eine Untersuchung darüber zu verlangen, ob angesichts der gegenwärtigen undemokratischen Zustände an der Saar die Saar noch die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft im Europarat erfüllt.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der Mitte.)

    Das ist im Augenblick praktisch die einzige Möglichkeit, den Menschen an der Saar wenigstens die elementaren Grundrechte einer Demokratie zu sichern. Wir hoffen, daß sich die Bundesregierung endlich entschließt, in dieser Frage und in dieser Richtung aktiv zu werden.
    Meine Damen und Herren, wir sind gar nicht glücklich darüber, daß wir diese Frage heute erneut auf die Tagesordnung bringen mußten. Wir hätten gewünscht, daß insbesondere nach der Debatte vom 30. Mai und angesichts der Ereignisse der letzten Wochen die Regierung von sich aus gehandelt hätte.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Der Umstand, daß jetzt an der Saar durch die Schaffung neuer Tatsachen die Tendenzen für eine dauernde Loslösung des Saargebietes verstärkt werden, zwingt uns, die deutsche Position, wie wir sie in den Punkten 1 bis 3 unseres Antrages festgelegt haben, noch einmal völlig klarzumachen; und mit der Annahme durch den Bundestag soll' sie auch eine verpflichtende Richtlinie für die Politik der Bundesregierung werden.
    Es kann und es muß eine französisch-deutsche Verständigung auch über die gemeinsamen Interessen an der Saar geben. Aber es muß eine Verständigung zwischen Paris und Bonn sein. Die Hinnahme einseitiger Entscheidungen, die Passivität in der berechtigten Verteidigung nationaler Interessen und der Freiheits- und Menschenrechte deutscher Menschen führt uns nicht vorwärts. Dauernde französisch-deutsche Verständigung und europäische Zusammenarbeit sind . nur auf der Basis der Respektierung der Lebensrechte aller Völker und aller Menschen möglich.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der Mitte und der DP.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich nehme an, daß bei der Beratung des Schumanplans noch über die Saarfrage geredet werden wird, und enthalte mich deswegen heute der Ausführungen über diese Zusammenhänge.

    (Zuruf links: Sehr bequem!)

    Ich will darauf nur insoweit eingehen, als mich einige Angaben des Herrn Abgeordneten Ollenhauer, die von ihm offenbar irrtümlich gemacht worden sind, dazu nötigen.

    (Abg. Rische: Das ist die Politik der Irrtümer in Bonn!)

    Meine Damen und Herren, ich möchte voranschicken, daß ich es nicht für eine sehr gute Politik halte, wenn wir hier alle sechs Wochen eine große Saardebatte haben,

    (Sehr richtig! in der Mitte — Widerspruch bei der SPD — Zurufe von der KPD)

    und daß ich es noch weniger für eine gute Politik in der Saarfrage halte, wenn wir uns immer wieder durch Reden des Herrn Grandval dazu provozieren lassen.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Herr Grandval hat durch die Behandlung seiner Interviews und seiner Reden in Deutschland allmählich in der Welt ein Ansehen bekommen, das ihm in keiner Weise zukommt.

    (Sehr gut! in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

    Ich habe keine Veranlassung, mich mit Herrn Grandval auseinanderzusetzen.

    (Sehr gut! und Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Ich werde mich über die Saarfrage mit denjenigen Stellen zu unterhalten haben, die für das Geschick der Saar zuständig sind.

    (Abg. Renner: McCloy!)

    Das sind Frankreich, England und die Vereinigten Staaten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Das war immerhin ein CDU-Antrag!)

    — Ich bin eben objektiv, Herr Renner!

    (Abg. Renner: Ja, ja! — Heiterkeit. — Abg. Renner: Sie haben die „große Linie" im Auge, da übersehen Sie Kleinigkeiten!)

    Meine Damen und Herren, es ist unrichtig, wenn Herr Abgeordneter Ollenhauer gesagt hat, daß wir, die Bundesregierung, die Vertretung der Saar durch Frankreich im Schumanplan anerkannt hätten. Genau das Gegenteil ist der Fall. Es ist ebenfalls nicht richtig, was Herr Abgeordneter Ollenhauer gesagt hat: meine These sei, daß sich durch die Unterzeichnung des Schumanplans die ganze Saarfrage lösen werde. Ich habe folgendes gesagt. Ich habe erklärt, daß die französische Saarpolitik, die ich von Grund auf für falsch halte,

    (Sehr gut! in der Mitte)

    daß die französische Saarpolitik, die nach dem Zusammenbruch ihren Anfang genommen habe, aus folgender Erwägung heraus beschlossen worden sei. Man habe geglaubt, daß Saareisen und Saarkohle einer deutschen Wiederaufrüstung gegen Frankreich zugute kommen würden. Ich habe weiter gesagt, daß die französische Politik in bezug auf die Saar damals diesen Weg eingeschlagen habe, weil sie in Deutschland ihren potentiellen Kriegsgegner erblickt habe. Ich habe dann ferner


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    ausgeführt: wenn infolge des Schumanpians die Saarkohle und das Saareisen zu europäischer Kohle und zu europäischem Eisen geworden seien, entfalle diese These der französischen Regierung von 1946. Ich habe weiter ausgeführt — und das bitte ich zu beachten, Herr Kollege Ollenhauer —, daß sich durch die politische Entwicklung seit dem Jahre 1946 in Europa ganz klar und eindeutig herausgestellt habe, daß Deutschland kein potentieller Kriegsgegner Frankreichs sei und daß, wenn erst durch den Schumanplan die Integration Europas wirklich ihren Anfang genommen habe, auch jeder damals von Frankreich für seine Saarpolitik angeführte Grund entfalle.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das sind meine Ausführungen gewesen, und, meine Damen und Herren, diese Ausführungen halte ich nach wie vor für richtig.
    Herr Abgeordneter Ollenhauer hat ferner gesagt, es sei weiter untragbar, daß die Bundesregierung stillehalte und alles gewähren lasse. Meine Damen und Herren, diese Annahme des Herrn Ollenhauer ist völlig unrichtig.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Am 29. Mai dieses Jahres habe ich an die Hohe Kommission, die ja auch nach Ansicht der Partei des Herrn Ollenhauer die Inhaberin der obersten Gewalt an der Saar ist, die offizielle Bitte gerichtet, dafür zu sorgen, daß an der Saar die demokratischen Grundrechte gewährleistet würden. Ich habe bisher eine Antwort darauf nicht erhalten. Das wundert mich nicht, meine Damen und Herren;

    (Zuruf von der SPD: Uns auch nicht!) denn vergessen Sie nicht, daß seit dem Abgang dieser Note erst sechs Wochen verstrichen sind und es sich dabei um eine Frage handelt, die nicht etwa auf dem Petersberg entschieden wird, sondern die durch Austausch von Meinungen zwischen den drei Hauptstädten der Westalliierten entschieden werden muß.

    Es ist auch nicht zutreffend, daß die Bundesregierung die Teilnahme der Saar am Europarat auf gleicher Ebene hingenommen habe. Tatsache ist, daß die Saar im Europarat nicht auf gleicher Ebene wie die Bundesrepublik vertreten ist.

    (Abg. Dr. von Brentano: Richtig!)

    Denn die Saar hat im Ministerrat des Europarats keine Stimme.
    Ich bin weiter der Auffassung, daß es nicht richtig sein würde, wie Herr Kollege Ollenhauer gesagt hat, im Europarat klarzumachen, daß die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft des Saargebiets im Europarat deswegen nicht gegeben seien, weil dort die demokratischen Grundrechte nicht beobachtet würden. Ich bin der Auffassung, daß überhaupt keine Voraussetzungen für die Teilnahme der Saar im Europarat in irgendeiner Form gegeben sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Das hätte Ihnen auch etwas früher einfallen können!)

    Meine Damen und Herren, ich möchte dann weiter hier betonen, daß ich bei der letzten Verhandlung dieser Angelegenheit im Bundestag am 30. Mai 1951 ausdrücklich erklärt habe, daß ich die ganze Frage im Ministerrat des Europarates zur Sprache bringen würde;

    (Abg. Dr. von Brentano: Richtig!)

    und ich werde das auch tun.

    (Abg. Renner: Ach so, Sie wer den das tun!) Es kann also gar keine Rede davon sein, daß die Bundesregierung in der Saarfrage alles passiv hinnehme.


    (Sehr richtig! in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Hat sie aber hingenommen!)

    Ich bin der Auffassung, daß wir die ganze Saarfrage in gar nicht so langer Zeit so gelöst sehen werden, wie wir es wünschen.

    (Zuruf von der KPD: Das ist richtig!) Aber, glauben Sie mir das eine: wir schaden nur unseren Brüdern und Schwestern an der Saar, wenn wir hier aus mir nicht recht ersichtlichen Gründen ständig Saardebatten hervorrufen.


    (Beifall bei den Regierungsparteien, — Zurufe von der SPD.)

    - Ja, eine Rede des Herrn Grandval ist in meinen Augen kein ersichtlicher Grund!

    (Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Dr. Schumacher: Fur uns aber! — Zuruf von der KPD: Und für Herrn Strauß!)

    Ich spreche hier nicht als Mitglied der CDU/CSU-Fraktion, sondern als Bundeskanzler,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und als Bundeskanzler muß ich unter Umständen anders sprechen als als Mitglied einer Fraktion.

    (Abg. Strauß: Sehr gut! — Abg. Renner: Deine Rede sei Ja, ja, Nein, nein!)

    Ich bitte Sie, die Debatte nicht zu vertiefen. Glauben Sie mir, sie liegt — auch nach den Besprechungen, die ich darüber mit den maßgebenden Vertretern der Vereinigten Staaten gehabt habe —

    (Abg. Renner: Aha!)

    nicht im Interesse der Saarbevölkerung. Ich bitte Sie, alle diese Anträge dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu überweisen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)