Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rede des französischen Hochkommissars an der Saar, Monsieur Grandval; hat uns zu dem Antrag veranlaßt, der Ihnen in Drucksache Nr. 2298 vorliegt. Es ist keine gute Stunde gewesen, als Herr Grandval am 2. Juni 1951 bei der Jubilarehrung in den ehemaligen Röchlingschen Eisenwerken, die jetzt unter Sequester Frankreichs stehen, diese Rede gehalten hat. Wenige Tage zuvor, am 30. Mai 1951, hatten die Bundesregierung und der Bundestag zu der Saarfrage sich in einer im großen und ganzen einmütigen, vor allen Dingen aber unmißverständlichen und trotzdem maßvollen Weise geäußert und den deutschen Standpunkt klar herausgearbeitet. Als nächstes wäre Frankreich am Zuge gewesen, es wäre an der französischen Regierung gewesen, nun auf das deutsche Vorbringen und die praktisch einmütige Stellungnahme des Bundestags und der Bundesregierung zu antworten. Diese Antwort hätte aber auf keinen Fall in einer beinahe präjudizierenden Weise von dem französischen Hochkommissar an der Saar, Herrn Grandval, erteilt werden dürfen. Ohne weiteres wäre es möglich gewesen, auch von dieser Seite aus einen Weg aufzuzeigen, wie man die Saarfrage in einer vernünftigen und demokratischen, das heißt in einer
europäischen Weise regeln kann, wozu wir, um das vornweg mit allem Nachdruck festzustellen, unsere Dereitschaft bekundet haben.
Offenbar hatte es M. .Grandval sehr eilig, eine Antwort vom französischen Standpunkt aus zu präjudizieren. Diese Eile legt uns den Verdacht und die Annahme nahe, daß er einen Grund hatte, die offizielle französische Antwort vorwegzunehmen. Vielleicht hatte er sie zu fürchten. Hatte er vielleicht eine Veranlassung, fragen wir heute, ihr diese Richtung zu weisen? Wir dürfen eines, glaube ich, feststellen, und diese Feststellung wird sicher in weiten französischen Kreisen geteilt werden: M. Grandval hätte damit dem Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland keinen guten Dienst erwiesen, selbst wenn man ihm zubilligen wollte, daß er ein bedeutender oder wichtiger Mann in den großen politischen Entscheidungen wäre, was aber Gott sei Dank nicht der Fall ist.
Mit dieser Rede von Monsieur Grandval am 2. Juni 1951 in den Röchlingschen Stahlwerken verbinden sich einige Interviews gegenüber einer französischen und einer englischen Zeitung, die im Geist, in Inhalt und Gedankengang im großen und ganzen dieser Rede entsprechen und sie noch zu verstärken und zu vertiefen versuchen.
Eher, als wir erwartet haben, sind der Punkt 1 und der Punkt 3 unseres Antrags in der Drucksache Nr. 2298 in einer beinahe befriedigenden Form von M. Grandval selbst erledigt worden. Er hat sehr rasch und sehr kurz nach der Drucklegung dieses Antrags erklärt, es liege kein genauer Wortlaut dieser Rede vor, weil er sie an Hand stenographischer Notizen aus dem Stegreif gehalten habe. Es vergingen auch einige Stunden, bis man der auf französisch gehaltenen Rede eine deutsche Übersetzung folgen ließ, die ihr etwas von der Schärfe genommen hat, die ursprünglich wohl in noch größerem Maße darin lag. Aus der Tatsache, daß er diese Rede aus dem Stegreif gehalten habe, schlußfolgerte er dann, er habe selbstverständlich keinen Auftrag des Quai d'Orsay erhalten, diese Rede zu halten.
Für uns waren diese beiden Feststellungen sehr interessant. Aus ihnen geht einmal hervor, daß er Grund hat, zu erklären, er sei nicht beauftragt worden, und daß er zum anderen Grund hat, zu sagen, die Rede sei aus dem Stegreif gehalten worden, und deshalb müsse man ihr vielleicht doch einiges zubilligen, was nicht dem offiziellen französischen Standpunkt entspreche.
Uns interessiert an diesem Antrag heute, wo die Aussprache darüber stattfindet, in der Hauptsache noch ,der Punkt 2, in dem die Bundesregierung ersucht wird, festzustellen, ob die französische Regierung offiziell mit dem Inhalt der Rede des franzosischen Hochkommissars an der Saar sich einverstanden erklärt. Die neue französische Regierung ist noch nicht gebildet. Ihr wird es obliegen, eine Antwort auf ,die Regierungserklärung vom 30. Mai 1951 und eine Antwort auf diese Frage zu geben.
Die Feststellungen und die Behauptungen, die in der Rede des französischen Hochkommissars an der Saar getroffen und aufgestellt worden sind, interessieren uns nicht deshalb, weil sie von ihm getroffen worden sind. Wir halten an der Tatsache fest, daß M. Grandval als Politiker und als Kommissar keine so bedeutende Persönlichkeit darstellt, als daß er es sich leisten könnte, den französischen, Standpunkt kompetent zu formulieren.
— Herr Kollege Carlo Schmid, Sie sollten mit Ihrem Zwischenruf nicht eine Persönlichkeit zu einer Bedeutung stempeln, die ihr wirklich nicht zukommt.
Uns interessierten aus grundsätzlichen Erwägungen einige Feststellungen und Behauptungen, die in der Rede und in den Interviews des M. Grandval wiedergegeben worden sind.
— Für uns, Kollege Renner, ist manches eins, manches aber auch nicht eins, und wo wir mit Ihnen nicht eins sind, ,das wissen wir ganz genau. Uns interessiert nicht so sehr die Persönlichkeit des Herrn Grandval. Es wäre vielleicht interessant festzustellen, warum er Grund hatte, seinen ursprünglichen Namen zu verleugnen. Es besteht ja wohl kein Zweifel daran, daß er ursprünglich nicht Grandval hieß, sondern den Namen Hirsch-Ollendors trug. Es ist wohl auch kein Zweifel daran, daß deutsch entweder seine Muttersprache oder eine seiner beiden Muttersprachen gewesen ist. Es ist auch kein Zweifel daran, —
— Haben Sie deshalb Sympathien für ihn? — Es ist auch kein Zweifel daran, daß er als Chef des Partisanenkrieges in Frankreich-Ost tätig gewesen ist.
— Ich bitte, den Moskauer Lautsprecher abzustellen.
— Eines aber interessiert uns an den Feststellungen und Behauptungen des M. Grandval: daß aus ihnen noch ein Fühlen und Denken der Résistance spricht, das heute gegenüber der Bundesrepublik und ihrer Politik nicht mehr angebracht ist. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn Fühlen und Denken der Résistance eher eingesetzt hätten, schon vor dem zweiten Weltkrieg. Jedenfalls ist es aber falsch, Fühlen und Denken der Résistance auf die Bundesrepublik, auf die deutsche Bevölkerung in der Bundesrepublik und auf die Bundesregierung zu übertragen. Für uns gibt es auch in unserem Verhältnis zu Frankreich nur eine auf Europa orientierte Politik. Es ist aber auch Zeit, daß Frankreich und Deutschland trotz solcher Reden, trotz solcher Persönlichkeiten aus der Vorstellungswelt des politischen Gestern herauskommen, die aus solchen Reden spricht. Das gilt in gleicher Weise für uns wie für drüben. Wir wollen keinen Konflikt, auch keinen Saarkonflikt, mit Frankreich, weil er ein politischer Anachronismus ist und weil er den höheren Zielen von morgen widerspricht. Man soll uns aber nicht durch solche Reden den Konflikt mit aller Gewalt aufzwingen und die Geister einer für beide Völker unseligen Vergangenheit wachrufen.
Aus den Reden und Interviews des M. Grandval sind einige Punkte herauszustellen, zu denen wir gerade heute, da die Saarfrage ein Prüfstein der Geister in beiden Völkern, ein Prüfstein der Demokratie, ein Prüfstein dafür geworden ist, ob Europa zustandekommen kann, einige klare und deutliche Worte zu sagen haben. Grandval hat in seinen Reden die Saarfrage mit dem Schuman-Plan verquickt und dargestellt, daß Frankreich ohne die Saar 27% der Kohle- und Stahlerzeugung in die Montan-Union einbringe, Deutschland aber mit der Saar 42% — Frankreich mit der Saar 34%, Deutschland ohne die Saar 35%. Diese Prozentrechnung ist genau das, was dem Geist, dem Inhalt und den Zielen des Schuman-Plans widerspricht. Allein die Konstruktion der Hohen Behörde mit zwei Vertretern Deutschlands, zwei Vertretern Frankreichs, zwei Vertretern Italiens, einem Vertreter Belgiens, einem Vertreter Hollands, einem Vertreter Luxemburgs zeigt schon genau auf, daß ein Denken in Prozenten nicht dem Geist und den Grundlagen des Schuman-Plans entspricht. Darum sollte man auch nicht die Saarfrage dazu benutzen, um Prozentrechnungen über die Quoten der einzelnen Länder im Schuman-Plan aufzustellen.
Man kann nicht auf der einen Seite sagen, der Schuman-Plan löse die Saarfrage automatisch, weil er Kohle und Stahl aus der nationalen iSphäre heraushebt, und auf der andern Seite dieses Argument wieder zunichte machen, indem man etwa argumentiert, schon wegen des Schuman-Plans sei eine einseitige Regelung der Saarfrage, zugunsten Frankreichs etwa, notwendig. Hier wird der Schuman-Plan, eine revolutionäre, fortschrittliche politische Idee, für ein Denken der Restaurationspolitik mißbraucht, das nie wieder hätte aufkommen sollen.
Der Schuman-Plan verträgt es auch nicht, daß er von Herrn Grandval umgefälscht wird in eine Politik der Einseitigkeit, wie sie in den saarländisch-französischen Konventionen sehr klar zum Ausdruck kommt. Frankreich sollte daran denken, daß sein Partner in der Saarfrage nicht die Regierung Johannes Hoffmann mit ihrer Umgebung ist; der Partner Frankreichs in der Saarfrage ist die Bundesrepublik, ist die Bundesregierung und das deutsche Volk. Jede andere Praxis wäre ein Monolog, wäre ein Gespräch vor dem Spiegel, wäre ein Gespräch, das vielleicht von Eitelkeit zeugte, das vielleicht befriedigte, aber ein Gespräch, das außerstande wäre, Lösungen von Bestand, von Dauer zu schaffen.
Zu einem zweiten Punkt: Man sagt, die Bundesrepublik solle nicht vergessen, daß Deutschland einen Krieg verloren habe. an dem Frankreich keine Schuld trage. — Meine Damen und Herren! Wir sind uns wohl der Rolle bewußt, die die damalige deutsche Regierung in der Frage des Krieges und der Kriegsschuld gespielt hat. Wir sind uns dabei aber auch zweier anderer Tatsachen bewußt: Zunächst der Tatsache, daß die Politik, deren Geist heute noch aus M. Grandval spricht, dazu beigetragen hat, die damalige deutsche Regierung 1933 in den Sattel zu heben. Es steht fest, daß man in der Zeit vor 1933 deutschen demokratischen ,Staatsmännern — mögen sie die Namen Stresemann, Brüning oder andere Namen getragen haben — das verweigert hat, was man hernach dem Diktator als eine Selbstverständlichkeit geschenkt hat.
Und zweitens kommen wir auch nicht um die Tatsache herum, daß man auch drüben gegenüber dem Diktator nicht die Haltung gezeigt hat, die einen Widerstand des deutschen Volkes gegen dieses System unterstützt hätte. Darum ist es überholt, heute davon zu sprechen, die Bundesrepublik solle nicht vergessen, daß Deutschland einen Krieg
verloren habe, an idem Frankreich nicht schuld sei. Die Schuldfrage heute und in diesem Zusammenhang aufzurollen, ist verfehlt. Wir halten uns an das Wort Churchills in Straßburg: Wer über die Vergangenheit zu Gericht sitzt, der verspielt und verliert die Zukunft. Das gilt für Frankreich, das gilt genau so für Deutschland.
In der Rede Grandvals heißt es weiterhin, daß das Saarstatut und das Statut der Bundesrepublik denselben Ausgangspunkt hätten. Diese Darstellung der Verhältnisse bedeutet nicht nur eine grobe Entstellung der Tatsachen; sie ist in Wirklichkeit auch eine grobe Geschmacklosigkeit. Deutschland hat nie aufgehört, zu existieren.
— Bitte, Herr Kollege?
Deutschland hat nie aufgehört, zu existieren. Die Bundesrepublik ist heute, wie im Grundgesetz festgelegt ist, allein legitimiert, für das ganze deutsche Volk, also auch für diejenigen mitzusprechen und mitzuhandeln, die sich an dem Zustandekommen des freien politischen Willens nicht beteiligen konnten.
Ich möchte hier mit aller Klarheit herausstellen, daß es nicht im geringsten irgend etwas mit einem nationalistischen Denken zu tun hat, wenn wir seinerzeit gegen das Verbot der Demokratischen Partei des Saarlandes protestiert haben. Es hat nicht das geringste mit der Unterstützung einiger Persönlichkeiten zu tun, die irgendwelcher Taten oder Äußerungen beschuldigt werden. Für uns handelt es sich einfach darum, daß im Laufställchen des Herrn Johannes Hoffmann keinerlei Opposition geschaffen werden sollte.
— Wenn Sie von den Verhältnissen keine Ahnung haben, halten Sie doch den Mund! — Es handelt sich darum: Auch im Saargebiet muß eine Opposition zugelassen werden, die dem Willen und den Wünschen weiter Kreise der Bevölkerung Rechnung trägt und deren Dasein eine Einseitigkeit vermeidet.
Es heißt weiter, daß die Grundrechte an der Saar besser als in der Bundesrepublik gewahrt seien. In der Gegenwart — und das ist auch die Meinung sogar eines Teils der saarländischen Presse — sind im Saargebiet nicht einmal die Voraussetzungen für die Wahrung der Grundrechte vorhanden. Wir in der Bundesrepublik bemühen uns, aus den Grundrechten etwas zu machen,
ihnen Geltung zu verleihen. Wir bemühen uns, sie zu einer moralischen Waffe gegen alle Feinde der Grundrechte zu machen und können deshalb diese Behauptung des französischen Hochkommissars nicht hinnehmen.
Es heißt zum Schluß, eine Volksabstimmung sei undemokratisch und gefährde das deutsch-französische Verhältnis. In diesem Zusammenhang hat Herr Grandval an das Drama von Pirmasens in den zwanziger Jahren erinnert, als die Kämpfe zwischen Separatisten und der deutsch gesinnten Bevölkerung stattgefunden haben.
Wir können die beruhigende Versicherung abgeben, daß es uns völlig fernliegt, sei es jetzt, sei
es später etwa mit Gewalt vorzugehen. Hier wird eine Welt heraufbeschworen, mit der wir gar nichts zu tun haben. Es handelt sich einfach um einen demokratischen Ablauf dieser Frage, an der wir nicht nur aus ideellen, am allerwenigsten aber etwa aus Prestigegründen interessiert sind. Das deutsche Volk kann heute auch trotz der Rede, die Monsieur Grandval gehalten hat, zwischen der Haltung und dem Denken des französischen Volkes, das mit uns eine gemeinsame europäische Zukunft wünscht, und den Äußerungen Grandvals unterscheiden, der damit weder der französischen Politik noch dem deutsch-französischen Verhältnis noch etwa einer vernünftigen Regelung der Saarfrage einen Dienst erwiesen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man hat in der Kritik der Aussprache im Deutschen Bundestag über die Saarfrage, die in der Saarpresse und auch in offiziellen Verlautbarungen saarländischer Regierungspolitiker geübt wurde, an einem Punkt besonderen Anstoß genommen. Man behauptete, es sei wohl eine Reihe politischer Reden gehalten und es sei wohl eine Reihe politischer Grundsätze, falscher und richtiger, vorgebracht worden, man sei aber an einer Tatsache vorbeigegangen: an der Tatsache, ein wirtschaftlicher Anschluß oder eine wirtschaftliche Zusammengehörigkeit des Saargebiets und der Bundesrepublik würde schwerwiegende Nachteile für die Saarbevölkerung und für seine Arbeits-und Wirtschaftsverhältnisse mit sich bringen. Aus diesem Grunde wird auf der einen Seite gesagt, das Saargebiet habe im Osten keine Ernährungsbasis, es sei gegenüber der deutschen Industrie nicht konkurrenzfähig, ein Verlust an Arbeitsplätzen und eine steigende Arbeitslosigkeit seien zu befürchten. Zum Schluß kam aus dem Munde von Herrn Johannes Hoffmann noch hinzu, daß in diesem Fall auch die Aufnahme von Heimatvertriebenen zu befürchten sei. Als Anreiz wurde noch hinzugefügt, der Verteidigungsbeitrag könne ja für das Saargebiet dann auch in Geld abgeleistet werden.
Diese Vorstellungen und Behauptungen, die in Widerspruch nicht nur zu den wirtschaftlichen Tatsachen, sondern auch zu jeder vernünftigen Lösung und jeder vernünftigen Haltung stehen, müssen mit einigen Zahlen — leider -
richtiggestellt werden. Wenn man Zahlen einander gegenüberstellt, die sich auf Frankreich und das Saarland beziehen, muß man sich vor Augen halten, daß das Saarland 920 000 Einwohner und Frankreich 41 Millionen Einwohner zählt. Das Verhältnis der saarländischen zur französischen Bevölkerung beträgt also 1 : 45. Die saarländische Stahlerzeugung beträgt jährlich rund 2,3 Millionen t, die Stahlerzeugung Frankreichs dagegen 9,2 Millionen t, das Verhältnis ist also hier 1 : 4. Die saarländischen Bergwerke fördern zur Zeit 17 Millionen t Kohle pro Jahr, die französischen rund 50 Millionen t, was ein Verhältnis von 1 : 3 ergibt. Wenn wir die französischen Gesamtinvestitionsziffern während der Jahre 1948, 1949 und 1950 mit den entsprechenden Zahlen des Saarlandes vergleichen, ergibt sich folgende Gegenüberstellung: In Frankreich sind in diesen drei Jahren rund 3000 Milliarden Francs investiert worden. Diesen französischen Investitionsziffern dürften kaum im Verhältnis zur Produktions- und Bevölkerungsquote entsprechende saarländische Investitionsziffern gegenüberstehen. Die saarländischen Regierungsstellen haben — ob mit Absicht oder aus Nachlässigkeit sei offengelassen — keine
Untersuchung über die saarländischen Gesamtinvestitionen seit dem- wirtschaftlichen Anschluß angestellt, obwohl sie von Investitionsplanungen reden. Nach den vorliegenden Unterlagen dürften die saarländischen Investitionen während der Jahre 1948, 1949 und 1950 nicht mehr als 40 bis 45 Milliarden Francs betragen. Nimmt man für die saarländischen Investitionen einen Höchstbetrag von 45 Milliarden an, dann ergibt sich, verglichen mit 1: 67. Dieses Verhältnis ist denkbar ungünstig für die
Dieses Verhältnis ist denkbar ungünstig für die Saar, wenn man es zur Bevölkerungsziffer und zur Produktionskapazität in Beziehung setzt.
Genaue Zahlen liegen uns über die Investitionen in den Bergwerken vor. In saarländischen Gruben wurden in den Jahren 1947 bis 1950 13,4 Millarden Francs investiert, in französischen Gruben während derselben Zeit 212 Milliarden Francs. Das ergibt ein Verhältnis von 1:16, ein Verhältnis, das keinesfalls der Kohlenförderungsquote 1:3 entspricht.
In der saarländischen eisenschaffenden Industrie wurden nach dem wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich 539 Millionen Francs aus MarshallplanGegenwertmitteln investiert. Was darüber hinaus aus Selbstfinanzierung oder Bankkrediten angelegt wurde, ist nicht bekannt, dürfte aber unerheblich sein. In Frankreich wurden in diesen drei Jahren 1947, 1948 und 1949 in der eisenschaffenden Industrie etwa 74,4 Milliarden Francs investiert. Die Zahl für 1950 ist noch nicht bekannt.
Dasselbe Mißverhältnis kommt zum Ausdruck, wenn man die bisherige Aufteilung der Marshallplan-Gelder einer Untersuchung unterzieht. Das Saarland erhielt von 1948 bis 1950 5,3 Milliarden Francs, Frankreich 1948 bis 1950 533 Milliarden Francs. Das ist ein Verhältnis 1:100.
Man kann vielleicht am besten eine französische Zeitschrift als Zeugen anführen. In Nr. 18 der Wochenzeitschrift „Perspective" vom Samstag, dem 12. Mai 1951, schreibt ein Mann namens J. R., wahrscheinlich Jean Rivire, folgende Zeilen:
Wenn das Saarland in der Periode des wirtschaftlichen Aufschwungs ein sehr schätzenswertes industrielles Kohle- und Stahl-Potential darstellt, so würde es indessen über Nacht eine außerordentlich schwierige Belastung in Krisenzeiten werden, wie dies der Fall war während der ersten sechs Monate des Jahrens 1950. Saarländische Kohle und Stahl, die in Frankreich im Rahmen der Union einen breiten Absatzmarkt finden, können unseren Kohlengruben und mehr noch unserer eisenschaffenden Industrie Konkurrenz machen. Diese Befürchtungen treten besonders in unseren östlichen Departements in Erscheinung. Auf der industriellen Ebene rechnen die lothringischen Gruben, die eine sehr beachtliche Anstrengung machen, um die Kohlenförderung zu vergrößern, damit, diese von 7,5 Millionen Tonnen im Jahre 1947 auf 15 Millionen Tonnen im Jahre 1955 zu erhöhen.
Mit diesen Zahlen soll nur dargelegt werden, daß die wirtschaftlichen Interessen des Saarlandes nicht einseitig festgelegt werden können und auch bezüglich ihrer Zweckmäßigkeit nicht einseitig festliegen. Süddeutschland wird, was es immer gewesen ist, ein maßgebender Absatzmarkt für das Saarland bleiben. Eine einseitige Orientierung der saarländischen Wirtschaft wird der Bevölkerung dort selbst und unmittelbar schaden. Und letzten Endes sollte man ja die Frage der politischen und verwaltungsmäßigen bzw. staatsrechtlichen Zugehörigkeit nicht mit der wirtschaftlichen Frage in Verbindung bringen, die auf europäischer Ebene ohne weiteres gelöst werden kann.
Wenn die saarländische Regierung heute der Bundesrepublik unberechtigte Intervention vorwirft, so möchte ich zum Schluß nur noch etwas erwähnen, was die Aufmerksamkeit im besonderen des Herrn Innenministers verdient. Die saarländische Eisenbahn führt seit einiger Zeit laufend Sonderzüge nach der Mosel, dem Rhein und der Pfalz durch, die nebenbei bemerkt im Handumdrehen ausverkauft sind. Der Genuß von Wein und andere Unbeschwertheiten scheinen die Zungen zu lockern. Das Absingen des Saarliedes, das von deutscher Seite aus nicht irgendwie veranlaßt ist, und heftige Kritik an der Saarregierung haben das besondere Mißfallen der hohen Herren der Saarregierung erregt. Der Herr Innenminister — wie bekannt Dr. Hector, französischer Staatsangehörigkeit — ist nun auf eine neue Methode verfallen. Er läßt diese Sonderzüge durch Polizeibeamte in Zivil begleiten.
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Was gedenken Sie, Herr Innenminister, gegen die Ausführung der Befehle des saarländischen Innenministers auf Bundesgebiet zu unternehmen? Was würde die Saarregierung, was würde Frankreich dazu sagen, wenn deutsche Bereitschaftspolizei oder Kriminalpolizei in Zivil ihre Tätigkeit im Saargebiet ausüben würde? Dort ist es ja nicht einmal möglich, daß Abgeordnete des Deutschen Bundestages in schlichtem Zivil und in aller Einfachheit auftreten oder auch nur die Grenze überschreiten, wenn es den dortigen Machthabern nicht paßt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe festgestellt, daß die Punkte 1 und 3 des Antrages auf Drucksache Nr. 2298 praktisch mit der von uns noch gar nicht erwarteten Äußerung des Hochkommissars an der Saar bereits erledigt sind. Es liegt aber in unserm allgemeinen Interesse, festzustellen, ob die offizielle Auffassung und die offizielle Haltung der französischen Regierung den Äußerungen des M. Grandval entspricht oder ob der Geist, der heute weite Kreise des deutschen und französischen Volkes und seiner politisch führenden Schichten verbindet, uns zu einer vernünftigen, demokratischen und europäischen Lösung im Saargebiet zusammenbringen kann.